„Sich+rh+it“gab’s nur +in paar Monat+
–or 100 Jahren wurde Basis der heutigen Bereitschaftskräfte in Oldenburg gelegt
Weil die Entente eine „militärische Truppe“fürchtete, wurde die Organisation aufgelöst. Was folgte, war die gemäßigtere Variante.
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OLDENBURG – Nichts ist so spannend wie die Geschichte einer Stadt. Und gleichermaßen so amüsant. Wer durch die jahrhundertealten und längst vergilbten Gemeindeblätter Oldenburgs stöbert, entdeckt dort zwischen den Zeilen Ereignisse und Beschlüsse, die sich bis in heutige Zeiten ausgewirkt haben. In unserer Serie, die in loser Folge veröffentlicht und mit diesem Abriss fortgesetzt wird, stellen wir die außergewöhnlichsten oder auch nachhaltigsten Einträge eines ganzen Jahres vor. Heute: Die Aufstellung der hiesigen Sicherheitsund Ordnungspolizei in den Jahren 1919/20.
Gerade einmal 30 Festnahmen wegen Diebstahls, 4 aufgrund von Betrugs und eine wegen Widerstands: 1918, also vor genau einhundert Jahren, wies die polizeiliche Jahresstatistik für Oldenburg im Gemeindeblatt aus heutiger Sicht bemerkenswerte Zahlen aus. Allerdings stand die Stadt damals nicht nur unter dem Eindruck eines schrecklichen Krieges und dessen Folgen; es lebten seinerzeit auch nur 32000 Menschen in Oldenburg (heute: rund 170 000).
Keine zwölf Monate später hatte sich zumindest in Sachen Polizeiarbeit einiges im Oldenburger Land verändert, insbesondere Umfang und Art des Betätigungsfeldes. „Der allgemeine Grundsatz, dass der Polizei die Wahrung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit und die Abwendung von Gefahren obliegt“, gelte aber nach wie vor – so hieß es damals in einer 1929 erschienenen Denkschrift vom „Kommando der Ordnungspolizei für den Landesteil Oldenburg“.
Im Jahr 1919 sollte zunächst eine Sicherheitspolizei – wie in so vielen anderen Landesteilen – aufgestellt werden. Dabei handelte es sich um eine kasernierte Truppe, die neben der bisherigen Schutzmannschaft „vor allem die Sicherung der Staatsordnung und der Schutz von Leben und Eigentum gegen gewaltsame Eingriffe“zur Aufgabe hatte; in Berlin, Hamburg und Stettin war man diesbezüglich bereits vorgeprescht. Und auch in Oldenburg sollten diese Mannschaften vor allem jung, militärisch bewaffnet, schnell einsatzfähig und flexibel sein. Also gewissermaßen gleichzusetzen mit der heutigen Bereitschaftspolizei an der Bloherfelder Straße.
Junge Schlagkräftige
Hier allerdings waren zunächst nur vorläufige Maßnahmen für die Bildung einer Landeswehr im Freistaat Oldenburg geplant. Nach Rücksprachen mit Berlin wollte man hier eine „Sicherheitspolizei in Stärke von 400 von denen 250 für Oldenburg und die übrigen auf die hauptsächlich bedrohten Orte verteilt werden sollten“gründen. Im Antrag des Staatsministeriums lautete es 1919 wortwörtlich: „Das oldenburgische Gendarmeriekorps ist 127 Köpfe stark. Dazu kommen 39 auf Grund der Verhandlungen mit der verfassungsgebenden Landesversammlung 1919 angenommenen Hilfsgendarme.“Sie seien daher „keine Macht, die bei ausbrechenden Unruhen einheitlich eingesetzt werden könnte. Dazu kommt, dass ein erheblicher Teil der Beamten sich schon im vorgerückten Lebensalter befindet, also auch den Anforderungen körperlich nicht genügen würde“. Probleme, die auch heute wohl jede Dienststelle sogleich unterschreiben würde. Dann aber dies: „Zur Erhaltung guter Disziplin und Erzielung der Schlagfertigkeit wie auch zum Schutze der Mannschaft gegen Überrumpelungen ist die Kasernierung erforderlich.“
Geschätzte Ausgaben dafür: 1,5 Millionen Mark einmalig, dazu 2,75 Millionen Mark laufende Kosten. „Dass die Schaffung einer Polizeitruppe als dauernde Einrichtung Oldenburgs Kräfte übersteigt, bedarf keiner Ausführung“, so hatte es damals Theodor Tantzen (1919-1923 und 1945-1946 Ministerpräsident des Freistaates Oldenburg) geschrieben. Schon eine Woche danach war die Aufstellung vom Landtag besiegelt, weitere drei Monate später traten die Beamten zum Dienst zusammen, im März 1920 wurde die neue Sicherheitspolizei vereidigt.
Ihre Unterbringung erfolgte nach „Überwindung größerer Schwierigkeiten“auch in Sachen Bekleidung, Ausrüstung, Bewaffnung und Verpflegung in der Infanteriekaserne IIa am Pferdemarktplatz. Geplant war die Aufstellung von zwei „Infanteriehundertschaften“und einer „technischen Hundertschaft“(für Beamte mit Spezialausbildung). Auch da gibt es Ähnlichkeiten zur heutigen Aufstellung der Polizei.
Einwände der Entente
Ihre Landeskokarde [Abzeichen], das Landeswappen „und auch die oldenburgischen Farben an einem Teil der Abzeichen sollten die Sicherheitspolizei
als eine oldenburgische Organisation kennzeichnen“, so der spätere Polizeigeneral Dr. Heinrich Lankenau aus Hatten in der Aufbereitung der Geschehnisse via Denkschrift in den 1920er Jahren. In eben dieser Zeit gab es jedoch erhebliche
Einflüsse von außen, die das Gebilde zum Einsturz bringen sollten. Im Laufe des Jahres wurden diese Organisationen aufgelöst, da die Entente Einwände erhoben hatte, „dass es sich bei der Sicherheitspolizei um eine militärische Truppe und nicht um PolizeimannMann, schaften handele“, wie es hieß. Ergo wurde diese im folgenden Herbst im Freistaat durch eine Ordnungspolizei ersetzt und eine „Dezentralisierung“vorgenommen.
Schwere Waffen mussten abgeliefert werden, die Ordnungseinheiten wurden lokal organisiert. Unruhen im Jahr 1923 hatten laut Lankenau schließlich „die Notwendigkeit erkennen lassen“, die Zahl der Kräfte erheblich zu vermehren. Auch die erheblich wachsende „Kriminalität und die allgemeine Unsicherheit“wurden angemerkt, „als besonders dringlich wurde die Verstärkung der Polizeikräfte in den Städten Oldenburg, Rüstringen und Delmenhorst, aber auch die Vermehrung oder Neubelegung in den Städten Varel und Nordenham angesehen.“
Der 1. Juni 1923 wurde fürs interne Archiv als „bemerkenswert“verzeichnet: „Der Tag kann als der Beginn der systematischen Ausbildung des Nachwuchses der oldenburgischen Ordnungspolizei angesehen werden“, heißt es da, „die mit diesem Tag eingestellten Polizeianwärter wurden der 3. Hundertschaft als besondere Ausbildungsabteilung zugewiesen. Nachdem die 3. Hundertschaft nach Delmenhorst verlegt worden war, verblieb das Ausbildungspersonal als Stamm für die neue Ausbildungshundertschaft, die mit der Zeit sämtliche Ausbildungsabteilungen zusammenfasste und nach der Umorganisation die Bezeichnung Polizeibereitschaft erhielt.“
Fuhrpark in Nadorst
Auf die körperliche Ertüchtigung der Beamten wurde da besonderer Wert gelegt, „neben der dienstlichen Körperschulung“wurden sie zu öffentlichen Turn- und Sportfesten und Wettkämpfen geschickt, um „der Öffentlichkeit einen Beweis ihrer körperlichen Tüchtigkeit“zu geben. Zunächst in der Exerzierhalle an der Johannisstraße wurde der Kraftwagenzug untergebracht (5 Pkw, 3 Lkw, 1 Mannschaftstransportwagen, 1 Polizeisonderwagen Daimler und 6 Krafträder), später dann alle Fahrzeuge in einer Autohalle an der Nadorster Straße 105 und schließlich, im Mai 1928, auf den Hofe des Staatspolizeigebäudes überführt.