Nordwest-Zeitung

Autokratis­ch

- VON ULRICH SCHÖNBORN

E s ist ein Ritual, inzwischen bis zur Perfektion choreograp­hiert: Russlands Staatsober­haupt Wladimir Putin stand am Donnerstag rund 1700 Journalist­en aus dem In- und Ausland Rede und Antwort. Die stundenlan­ge Pressekonf­erenz bietet ihm die Bühne, sich als eloquenter, souveräner Präsident zu präsentier­en. Und Putin füllt diese Rolle perfekt aus.

Diese Konferenz steht symbolisch für die russische Autokratie. Anders als bei Trump, dem in seinen Pressekonf­erenzen oft der Wind ins Gesicht weht und der bei lästigen Fragen regelmäßig die Selbstbehe­rrschung verliert, sind die Teilnehmer bei Putins Presse-Show willfährig­e Stichwortg­eber, die ihren Präsidente­n nicht kompromitt­ieren. Putin und seine Administra­tion stellen hier die Spielregel­n auf – und die, die kommen dürfen, halten sich daran.

Ein Präsident, der alles im Griff hat, der um keine Antwort verlegen ist, der an offizielle­n Entscheidu­ngsstruktu­ren vorbei auch mal kraft seines Amtes hilft und der ein offenes Ohr für die russische Provinz und die einfachen Leute hat – dieses Bild will Putin vermitteln. Das ist ihm im eigenen Land auch diesmal wieder gelungen. Dass der Westen seinen Auftritt in der Luft zerreißt, dürfte ihm dabei herzlich egal sein.

@Den Autor erreichen Sie unter Schoenborn@infoautor.de

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