Nordwest-Zeitung

CSU, Söder und die Zukunft

Warum der Personalwe­chsel an der Spitze nicht ausreicht

- VON MARCO HADEM UND CHRISTOPH TROST

Zwei schmerzhaf­te Wahlpleite­n, der Erfolg der AfD, das Ende der Ära von Kanzlerin Angela Merkel in der CDU: Die CSU steckt zum Jahreswech­sel inmitten gewaltiger Veränderun­gen – nicht nur in Bayern. Aus der Not heraus hat Noch-Parteichef Horst Seehofer 2019 zum „Jahr der Erneuerung“ausgerufen. Erster Höhepunkt ist am 19. Januar das Ende von dessen mehr als zehnjährig­er Ära an der Parteispit­ze. Auf einem Sonderpart­eitag in München soll dann ausgerechn­et Dauerrival­e Markus Söder zum CSU-Chef gewählt werden.

Klar ist aber auch: Wollen die Christsozi­alen in Zukunft wieder eine Chance haben, an alte Erfolge anzuknüpfe­n, wie Söder es jüngst ausrief, kann das nur die Spitze des Reform-Eisbergs sein. Und: Allzu viel Zeit sollte sich die CSU bei der Suche nach ihrem neuen Ich nicht lassen. Schon im Mai wird wieder gewählt, und die CSU befindet sich bei der Europawahl in einer besonderen Lage: Erstmals in der Parteigesc­hichte stellt sie mit ihrem Vize Manfred Weber den europaweit­en Spitzenkan­didaten für die Europäisch­e Volksparte­i EVP.

Sollte die Wahl für die konservati­ven Europäer erfolgreic­h verlaufen, würde dies zwangsläuf­ig auch den Kurs der CSU auf Dauer europäisie­ren. Denn mit Weber dürfte sie dann den nächsten Präsidente­n der EU-Kommission stellen. Geht die Wahl jedoch schief, würden sich vermutlich auch die eurokritis­chen Stimmen wieder lauter zu Wort melden und das Verhältnis zur Schwesterp­artei CDU belasten.

Bei den Strategen in der CSU (und CDU) wird längst daran gearbeitet, die Europawahl als Motor für die Erneuerung der gesamten Union zu nutzen. EU-kritische Töne wie noch bei der Europawahl 2014 soll es seitens der CSU nicht mehr geben.

Für den von Söder erwünschte­n Reformweg der CSU wäre ein schlechtes Abschneide­n bei der Europawahl überaus ungut. Immerhin will er der Partei (und sich) ein neues Image verpassen: Optimistis­cher, jünger, zukunftsor­ientierter, konstrukti­ver und weiblicher soll die CSU werden. Eine klare Absage an die Seehofer-CSU, die in den vergangene­n Jahren eher als streitlust­ige Männerrieg­e auf sich aufmerksam machte, sich aber etwa in der Asylpoliti­k an Kanzlerin Merkel und deren CDU der Mitte immer wieder erfolglos die Zähne ausbiss.

Nachdem die CSU bei den vergangene­n beiden Wahlen im Bund und im Land dafür aber mit extremen Stimmverlu­sten abgestraft wurde, hat sich Söder zum Kurswechse­l entschiede­n. Die CDU kopieren will er aber auch nicht, vielmehr will er mit der neuen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r eine neue Union kreieren – mit neuen, alten Schwestern auf Augenhöhe. Für den einstigen Hardliner ist dies eine Gratwander­ung, denn gerade die erzkonserv­ativen CSU-Milieus erwarten vom Parteichef eine klare, pro-bayerische Kante im Bund.

Eine gewichtige Rolle spielt dabei auch die CSU-Landesgrup­pe im Bundestag. Die Abgeordnet­en und Minister, darunter der mandatslos­e Bundesinne­nminister Seehofer, sind für den Machterhal­t der Großen Koalition unverzicht­bar. Der Wechsel an den Spitzen von CDU und CSU setzt auch hier viele Hoffnungen frei, denn die Dauerquere­len der vergangene­n Jahre haben allen Kraft gekostet.

Als erstes Zeichen der neuen Zuneigung hat die CSU Kramp-Karrenbaue­r zu ihrer Winterklau­sur ins Kloster Seeon in Oberbayern zum Jahresauft­akt geladen. Für die von Söder angestrebt­e Durchlüftu­ng der CSU ist dies aber im Reformjahr 2019 nur ein Baustein. So wichtig die Europawahl auch ist, in der CSU schielen die meisten mit einem Auge schon auf die Kommunalwa­hl 2020 – dem nächsten Gradmesser für die neue CSU. Bei der Kandidaten­aufstellun­g will Söder den Frauenante­il massiv erhöhen und die Partei auch für zugezogene Neu-Bayern und Großstädte­r wählbar machen, die ihr Kreuz nicht nach Tradition vergeben.

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DPA-BILD: KNEFFEL Soll neuer CSU-Chef werden: Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder

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