CSU, Söder und die Zukunft
Warum der Personalwechsel an der Spitze nicht ausreicht
Zwei schmerzhafte Wahlpleiten, der Erfolg der AfD, das Ende der Ära von Kanzlerin Angela Merkel in der CDU: Die CSU steckt zum Jahreswechsel inmitten gewaltiger Veränderungen – nicht nur in Bayern. Aus der Not heraus hat Noch-Parteichef Horst Seehofer 2019 zum „Jahr der Erneuerung“ausgerufen. Erster Höhepunkt ist am 19. Januar das Ende von dessen mehr als zehnjähriger Ära an der Parteispitze. Auf einem Sonderparteitag in München soll dann ausgerechnet Dauerrivale Markus Söder zum CSU-Chef gewählt werden.
Klar ist aber auch: Wollen die Christsozialen in Zukunft wieder eine Chance haben, an alte Erfolge anzuknüpfen, wie Söder es jüngst ausrief, kann das nur die Spitze des Reform-Eisbergs sein. Und: Allzu viel Zeit sollte sich die CSU bei der Suche nach ihrem neuen Ich nicht lassen. Schon im Mai wird wieder gewählt, und die CSU befindet sich bei der Europawahl in einer besonderen Lage: Erstmals in der Parteigeschichte stellt sie mit ihrem Vize Manfred Weber den europaweiten Spitzenkandidaten für die Europäische Volkspartei EVP.
Sollte die Wahl für die konservativen Europäer erfolgreich verlaufen, würde dies zwangsläufig auch den Kurs der CSU auf Dauer europäisieren. Denn mit Weber dürfte sie dann den nächsten Präsidenten der EU-Kommission stellen. Geht die Wahl jedoch schief, würden sich vermutlich auch die eurokritischen Stimmen wieder lauter zu Wort melden und das Verhältnis zur Schwesterpartei CDU belasten.
Bei den Strategen in der CSU (und CDU) wird längst daran gearbeitet, die Europawahl als Motor für die Erneuerung der gesamten Union zu nutzen. EU-kritische Töne wie noch bei der Europawahl 2014 soll es seitens der CSU nicht mehr geben.
Für den von Söder erwünschten Reformweg der CSU wäre ein schlechtes Abschneiden bei der Europawahl überaus ungut. Immerhin will er der Partei (und sich) ein neues Image verpassen: Optimistischer, jünger, zukunftsorientierter, konstruktiver und weiblicher soll die CSU werden. Eine klare Absage an die Seehofer-CSU, die in den vergangenen Jahren eher als streitlustige Männerriege auf sich aufmerksam machte, sich aber etwa in der Asylpolitik an Kanzlerin Merkel und deren CDU der Mitte immer wieder erfolglos die Zähne ausbiss.
Nachdem die CSU bei den vergangenen beiden Wahlen im Bund und im Land dafür aber mit extremen Stimmverlusten abgestraft wurde, hat sich Söder zum Kurswechsel entschieden. Die CDU kopieren will er aber auch nicht, vielmehr will er mit der neuen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer eine neue Union kreieren – mit neuen, alten Schwestern auf Augenhöhe. Für den einstigen Hardliner ist dies eine Gratwanderung, denn gerade die erzkonservativen CSU-Milieus erwarten vom Parteichef eine klare, pro-bayerische Kante im Bund.
Eine gewichtige Rolle spielt dabei auch die CSU-Landesgruppe im Bundestag. Die Abgeordneten und Minister, darunter der mandatslose Bundesinnenminister Seehofer, sind für den Machterhalt der Großen Koalition unverzichtbar. Der Wechsel an den Spitzen von CDU und CSU setzt auch hier viele Hoffnungen frei, denn die Dauerquerelen der vergangenen Jahre haben allen Kraft gekostet.
Als erstes Zeichen der neuen Zuneigung hat die CSU Kramp-Karrenbauer zu ihrer Winterklausur ins Kloster Seeon in Oberbayern zum Jahresauftakt geladen. Für die von Söder angestrebte Durchlüftung der CSU ist dies aber im Reformjahr 2019 nur ein Baustein. So wichtig die Europawahl auch ist, in der CSU schielen die meisten mit einem Auge schon auf die Kommunalwahl 2020 – dem nächsten Gradmesser für die neue CSU. Bei der Kandidatenaufstellung will Söder den Frauenanteil massiv erhöhen und die Partei auch für zugezogene Neu-Bayern und Großstädter wählbar machen, die ihr Kreuz nicht nach Tradition vergeben.