Warum seit jeher alle Kulturen Kalender haben
Hintergründe zur Bedeutung und Geschichte des Ordnungssystems der Zeit
BONN – Ein Kalender ist zunächst ein Ordnungssystem der Zeit. Dieses System koordiniert die Aktivitäten einer Gesellschaft – seien sie wirtschaftlicher, religiöser oder sozialer Art.
Religions- und kulturgeschichtlich gibt es in der Menschheitsgeschichte die verschiedensten Kalender. So gab es im chinesischen Kaiserreich einen sogenannten Bauernkalender, der sich nach Mond und Sonne ausrichtete. Er war bis zur Ausrufung der Republik China in Kraft und wurde 1912 durch den (christlichen) Gregorianischen Kalender ersetzt. Bis heute orientieren sich Astrologen am „Chinesischen Kalender“, um „günstige“und „ungünstige“Tage zu bestimmen. In einem Zwölf-JahresZyklus werden die zwölf „Erdzweige“, ein altes chinesisches Nummerierungssystem, als Tierzeichen zur Jahresbezeichnung verwendet. So gibt es das chinesische Jahr der Ratte, des Hasen, der Schlange oder des Schweins.
Der jüdische Kalender ist an den Mondphasen ausgerichtet. Er zählt die Jahre ab dem Zeitpunkt der biblischen Schöpfung der Welt, die im 4. christlichen Jahrhundert der Patriarch Hillel Nasia auf das Jahr 3761 vor Christus berechnete. Dadurch schreiben wir nach jüdischer Rechnung derzeit Anfang 5777.
Im Mittelmeerraum gibt es kaum Kalender, die – wie bei den Azteken Mexikos und den Zoroastriern in Persien und Indien – nur die Sonne und nicht auch die Mondphasen berücksichtigen. Erstmals ist ein solcher für spätestens Mitte des zweiten Jahrtausends in Ägypten überliefert. Am Nil teilte man das Sonnenjahr in zwölf Mal 30 Tage und hängte die restlichen fünf Tage als Kurzmonat hintan.
Im Alten Rom wurde „ab urbe condita“, also von der Gründung der Stadt 753 vor Christus an, gerechnet. Der Julianische Kalender, eingeführt unter Julius Cäsar 45 vor Christus, ist ein Vertreter der Mondkalender und bildet die Grundlage der heute weltweit meistverbreiteten Zeitberechnung. In Teilen der orthodo- xen Kirchen, etwa in Russland, wird er bis heute verwendet. Auch die Benennung unserer zwölf Monate geht auf die römischen „Ianuarius“bis „December“zurück.
Das Christentum übernahm den römischen Kalender. Die sogenannte christliche Zeitrechnung, die die Geburt Jesu als Zeitenwende nimmt, wurde von dem gelehrten Mönch Dionysius Exiguus seit 525 propagiert, womöglich in Rückgriff auf den christlichen Historiker Eusebius von Caesarea (260/64339/340). Sie setzte sich seit dem 8. Jahrhundert in ganz Europa und später weltweit durch. Die seitdem letzte wichtige Kalenderreform war die von Papst Gregor XIII. 1582. Sie glich (durch die Streichung von zehn Tagen) die Ungenauigkeiten der julianischen Rechnung aus.
Vom weltlichen Jahreslauf, der von Neujahr bis Silvester geht, unterscheidet sich noch das Kirchenjahr (1. Advent bis zum Hochfest Christkönig Ende November). Es hat als Ankerpunkte nicht Mond oder Sonne, sondern orientiert sich an den zentralen christlichen Festen wie Weihnachten, Ostern, Pfingsten.