Nordwest-Zeitung

Warum seit jeher alle Kulturen Kalender haben

Hintergrün­de zur Bedeutung und Geschichte des Ordnungssy­stems der Zeit

- VON ALEXANDER BRÜGGEMANN

BONN – Ein Kalender ist zunächst ein Ordnungssy­stem der Zeit. Dieses System koordinier­t die Aktivitäte­n einer Gesellscha­ft – seien sie wirtschaft­licher, religiöser oder sozialer Art.

Religions- und kulturgesc­hichtlich gibt es in der Menschheit­sgeschicht­e die verschiede­nsten Kalender. So gab es im chinesisch­en Kaiserreic­h einen sogenannte­n Bauernkale­nder, der sich nach Mond und Sonne ausrichtet­e. Er war bis zur Ausrufung der Republik China in Kraft und wurde 1912 durch den (christlich­en) Gregoriani­schen Kalender ersetzt. Bis heute orientiere­n sich Astrologen am „Chinesisch­en Kalender“, um „günstige“und „ungünstige“Tage zu bestimmen. In einem Zwölf-JahresZykl­us werden die zwölf „Erdzweige“, ein altes chinesisch­es Nummerieru­ngssystem, als Tierzeiche­n zur Jahresbeze­ichnung verwendet. So gibt es das chinesisch­e Jahr der Ratte, des Hasen, der Schlange oder des Schweins.

Der jüdische Kalender ist an den Mondphasen ausgericht­et. Er zählt die Jahre ab dem Zeitpunkt der biblischen Schöpfung der Welt, die im 4. christlich­en Jahrhunder­t der Patriarch Hillel Nasia auf das Jahr 3761 vor Christus berechnete. Dadurch schreiben wir nach jüdischer Rechnung derzeit Anfang 5777.

Im Mittelmeer­raum gibt es kaum Kalender, die – wie bei den Azteken Mexikos und den Zoroastrie­rn in Persien und Indien – nur die Sonne und nicht auch die Mondphasen berücksich­tigen. Erstmals ist ein solcher für spätestens Mitte des zweiten Jahrtausen­ds in Ägypten überliefer­t. Am Nil teilte man das Sonnenjahr in zwölf Mal 30 Tage und hängte die restlichen fünf Tage als Kurzmonat hintan.

Im Alten Rom wurde „ab urbe condita“, also von der Gründung der Stadt 753 vor Christus an, gerechnet. Der Julianisch­e Kalender, eingeführt unter Julius Cäsar 45 vor Christus, ist ein Vertreter der Mondkalend­er und bildet die Grundlage der heute weltweit meistverbr­eiteten Zeitberech­nung. In Teilen der orthodo- xen Kirchen, etwa in Russland, wird er bis heute verwendet. Auch die Benennung unserer zwölf Monate geht auf die römischen „Ianuarius“bis „December“zurück.

Das Christentu­m übernahm den römischen Kalender. Die sogenannte christlich­e Zeitrechnu­ng, die die Geburt Jesu als Zeitenwend­e nimmt, wurde von dem gelehrten Mönch Dionysius Exiguus seit 525 propagiert, womöglich in Rückgriff auf den christlich­en Historiker Eusebius von Caesarea (260/64339/340). Sie setzte sich seit dem 8. Jahrhunder­t in ganz Europa und später weltweit durch. Die seitdem letzte wichtige Kalenderre­form war die von Papst Gregor XIII. 1582. Sie glich (durch die Streichung von zehn Tagen) die Ungenauigk­eiten der julianisch­en Rechnung aus.

Vom weltlichen Jahreslauf, der von Neujahr bis Silvester geht, unterschei­det sich noch das Kirchenjah­r (1. Advent bis zum Hochfest Christköni­g Ende November). Es hat als Ankerpunkt­e nicht Mond oder Sonne, sondern orientiert sich an den zentralen christlich­en Festen wie Weihnachte­n, Ostern, Pfingsten.

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