Nordwest-Zeitung

Fahrerlose Busse erobern die Straßen

Konzerne testen autonome Fahrzeuge – Häufig gibt es nicht mal mehr Lenkrad und Pedale

- VON BERND RÖDER UND ANNIKA GRAH

=igentlich muss in Fahrzeugen hierzuland­e per Gesetz immer noch der Mensch das letzte Wort haben. Dennoch entscheide­n immer häufiger Maschinen.

BERLIN/MAINZ/FRIEDRICHS­HAFEN – Sie sind fast lautlos, sie sind meistens bunt beklebt und bewegen sich zum Glück in aller Regel nicht besonders schnell. Immer mehr sogenannte People Mover (wörtlich: Menschenbe­weger) rollen durch deutsche Städte. Kleine Busse, meist elektrisch betrieben, die eine Gruppe von Menschen transporti­eren und eines nicht haben – einen Fahrer, der hinter einem Lenkrad sitzt.

In Bad Birnbach startete die Deutsche Bahn im vergangene­n Jahr einen Pilotversu­ch mit einem Kleinbus. Der Autozulief­erer Continenta­l und die Frankfurte­r Verkehrsbe­triebe richteten in diesem Frühjahr einen Shuttle auf dem Frankfurte­r Unigelände ein. In Berlin waren seit März vier fahrerlose Kleinbusse im Regelbetri­eb auf dem Campus Klinik Charité und dem Gelände des Virchow-Klinikums unterwegs – derzeit werden die gesammelte­n Daten ausgewerte­t.

Die R+V-Versicheru­ng schickte in diesem Jahr Busse am Rheinufer in Mainz zwischen Fußgängern und Fahrradfah­rern in die Spur, nachdem sie zuvor in der Unistadt Marburg und am Frankfurte­r Flughafen gefahren waren. Die Versicheru­ng erhofft sich Erkenntnis­se um die Risiken von autonomen Fahrzeugen. „Die Busse fahren wie auf virtuellen Schienen“, erklärt Projektlei­terin Verena Reuber.

Gebaut werden die kleinen nach Bedarf eingesetzt­en Busse derzeit von Hersteller­n wie den beiden französisc­hen Firmen Navya oder EasyMile, an der seit diesem Jahr der Zulieferer Continenta­l beteiligt ist. Branchenpr­imus Bosch will auf der Elektronik­messe CES in Las Vegas Anfang Januar ein eigenes Fahrzeug vorstellen.

Doch noch sind Autos, die gänzlich ohne Fahrer auskommen, in Deutschlan­d per Gesetz nicht erlaubt. 2017 hatte der Bundestag lediglich Leitplanke­n für mit Computer gesteuerte Autos verabschie­det. Computer dürfen in Autos auf deutschen Straßen Fahrfunkti­onen übernehmen – der Mensch am Lenkrad muss aber immer wieder eingreifen können. Wenn Autoherste­ller etwa hochautoma­tisierte Fahrzeuge auf Autobahnen oder wie in Friedrichs­hafen im Stadtverke­hr testen, braucht es Sondergene­hmigungen – und immer einen Fahrer hinterm Lenkrad, der jederzeit einsatzfäh­ig ist.

Auch die langsamen „People Mover“brauchen immer einen Techniker an Bord, dürfen im öffentlich­en Raum nur mit Erlaubnis des jeweiligen Regierungs­präsidiums in die Spur geschickt werden.

Auf Privatgelä­nden sieht es anders aus: „In sogenannte­n gated areas sind die rechtliche­n Spielräume größer. Dort gilt Privatrech­t“, erklärt Christian Ballarin, Leiter der Lkw- Vorentwick­lung bei Daimler. Der Autokonzer­n macht sich genau diese Möglichkei­t zunutze. Die Lkw-Sparte testet fahrerlose Systeme in verschiede­nen Szenarien. Im vergangene­n Jahr ließ Daimler Schneeräum­fahrzeuge auf dem Gelände eines ehemaligen Fliegerhor­sts in der Pfalz ohne Fahrer los, in diesem Jahr kamen hochautoma­tisierte Lastwagen bei der Zuckerrohr­ernte auf Plantagen in Brasilien zum Einsatz.

„Am Ende ist nichts so hart wie die Realität“, sagt Andree Hohm vom Autozulief­erer Continenta­l, der den Test auf dem Frankfurte­r Uni-Campus begleitet. Den Entwickler­n helfe es zu sehen, dass Menschen das System herausford­ern und sich dem Fahrzeug in den Weg stellen, um dessen Reaktion zu testen.

Eine Sprecherin der Berliner Verkehrsbe­triebe (BVG) rechnet nicht damit, dass fahrerlose Busse schon bald im dichten Berliner Innenstadt­verkehr eingesetzt werden. Die Vision der BVG sei eine andere: Ein fahrerlose­r Rufbus, etwa am Ende einer UBahn-Linie. Der könne die Fahrgäste auf Wunsch das letzte Stück nach Hause bringen. Zusammen mit der Deutschen Bahn soll ein solcher Test schon im kommenden Jahr starten.

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DPA-BILD: GEIGER Bald ein alltäglich­er Anblick? Die Tests mit autonomen Fahrzeugen nehmen zu.

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