Legendärer Meister des Orgelklangs
2019 jährt sich der 300. Todestag von Arp Schnitger – Exzellenter Handwerker und gewiefter Geschäftsmann
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73. Jahrgang
Ein Aufsteiger des Jahres – im wahrsten Sinne des Wortes – ist Astronaut Alexander Gerst. Dagegen lief es für andere Promis nicht so gut.
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Die Arp-Schnitger-Gesellschaft in Brake erinnert 2019 mit einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm an den genialen Instrumentenbauer. Er bekam Aufträge aus der ganzen Welt.
IM NORDWESTEN – Er war schon zu Lebzeiten eine Legende, und der faszinierende Klang seiner Orgeln zieht heute noch Menschen in aller Welt in den Bann. Der Orgelbaumeister Arp Schnitger (1648–1719) erhielt Aufträge für Neubauten und Umbauten aus aller Welt, viele seiner Instrumente sind vor allem im Nordwesten Deutschlands und in den Niederlanden erhalten geblieben.
Die Arp-Schnitger-Gesellschaft in Brake (Kreis Wesermarsch) erinnert 2019 anlässlich des 300. Todestages mit einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm an den genialen Instrumentenbauer und weitsichtigen Geschäftsmann, der über ein weitgespanntes Netz an Kontakten verfügte.
Tischlerlehre beim Vater
In einer Zeit, als man nur mit Pferdekutschen und Segelschiffen große Entfernungen überwinden konnte, war Schnitger ein Global Player. „Er war ökumenisch ausgerichtet“, betont Helmut Bahlmann, Vorsitzender der ArpSchnitger-Gesellschaft. „Er baute Orgeln nicht nur in protestantischen Ländern, sondern auch im anglikanischen London, im katholischen Lissabon und im russisch-orthodoxen St. Petersburg.“
Der verheerende Dreißigjährige Krieg ist erst wenige Monate zu Ende, als Arp Schnitger im Juli 1648 in dem kleinen Dorf Schmalenfleth bei Brake zur Welt kommt. Sein genaues Geburtsdatum Imposant: die ArpSchnitger-Orgel in der Ludgerikirche in Norden Experten sind sich sicher: Der Mann mit der Schriftrolle (2.v.r.) auf einem Bild in der Golzwarder Kirche ist Arp Schnitger.
ist nicht belegt, wohl aber sein Taufdatum am 9. Juli 1648 in der St.-Bartholomäuskirche in Golzwarden, heute ein Ortsteil
Zum 300. Todestag
SEITE 3 von Brake. Er besucht die Lateinschule in Ovelgönne und beginnt mit 14 Jahren eine Tischlerlehre in der Werkstatt seines Vaters, einem angesehenen Handwerksmeister.
Als 18-Jähriger verlässt Schnitger Schmalenfleth und geht bei seinem Onkel Berendt Hus in Glückstadt in die Orgelbauerlehre. Dort bleibt er bis zum Tod des Meisters 1676. Bereits mit 29 Jahren arbeitet Schnitger als selbstständiger Orgelbaumeister von Stade aus und genießt einen so guten Ruf, dass er einen auch für die damalige Zeit ungewöhnlichen Auftrag in Hamburg erhält.
In der St.-Nicolai-Kirche entsteht von 1682 bis 1687
von Arp Schnitger gibt es eine Reihe von Veranstaltungen mit Konzerten, Vorträgen und Ausstellungen in Norddeutschland. Die Hansestadt Hamburg ist zum Beispiel Ende Juli Gastgeberin einer großen Orgelbauer-Tagung. In Brake (Kreis Wesermarsch) findet vom 12. bis 15. September ein internationales Orgelbauer-Symposium statt. In der St.-BartholomäusKirche in Golzwarden wird es am 6. Juli einen Festakt geben, bei dem auch die unter seiner Regie ein Orgelneubau mit 67 Registern, vier Manualen und mehr als 4000 Pfeifen. Die größte Pfeife – das 32-füßige C – soll 860 Pfund gewogen haben.
Die damals größte Orgel der Welt begründet Schnitgers internationalen Ruhm. Komponisten wie Dietrich Buxtehude (1637–1707) und Johann Sebastian Bach (1685–1750) unternehmen Pilgerfahrten nach Hamburg, um das Instrument in St. Nicolai zu bestaunen und zu spielen. Beim Hamburger Brand 1842 wird die Orgel zerstört.
Der Auftrag in St. Nicolai ist ein Grund, dass Schnitger Werkstatt und Wohnsitz von
Die Arp-Schnitger-Gesellschaft
@ www.arp-schnitgergesellschaft.de Stade nach Hamburg verlegt. Ein weiterer dürfte gewesen, dass er seine Verlobung mit Margarethe Papier gelöst hat und mit gerichtlichen Konsequenzen rechnen muss. Zwei Jahre lässt sich Schnitger in den Herzogtümern Bremen und Verden nicht mehr blicken. Geschenk des portugiesisches Königs: Schnitger-Orgel in der Kathedrale von Mariana in Brasilien
1684 heiratet Schnitger Gertrud Otte, eine Hamburger Kaufmannstochter. Das Paar bekommt zwei Töchter und vier Söhne. Der zweite Sohn, Hans, ertrinkt 1702 in der Elbe, der älteste Sohn Arp stirbt 1712 an der Pest. Allein die Söhne Johann Jürgen und Franz Caspar setzen die Werkstatt-Tradition ihres Vaters fort.
Durch die Ehe mit Gertrud Otte kommt Schnitger in den Besitz eines Hauses in der Nähe der St.-Katharinen-Kirche in Hamburg und eines ansehnlichen Hofes in Neuenfelde in der Nähe der Hansestadt, dem heutigen Orgelbauerhof. Gertrud Otte stirbt bereits im Jahr 1707.
Arp Schnitger heiratet 1712 Anna Elisabeth Koch aus Abbehausen (Wesermarsch). Auf einer Reise im Winter 1718/19 zu Verhandlungen über einen großen Orgelneubau in Zwolle (Niederlande) erkrankt er an einer Lungenentzündung und stirbt. Am 28. Juli 1719 wird er in der Neuenfelder Kirche beigesetzt.
Arbeit zum halben Preis
Für seine Werkstatt mit mindestens 50 Gesellen haben Wissenschaftler über 170 Arbeiten (Neu- und Umbauten) nachweisen können. Schnitger und seine Gesellen arbeiten hauptsächlich in den Herzogtümern Bremen und Verden mit Stade und dem Alten Land, im Oldenburger Land, in Ostfriesland, in Stadt und Provinz Groningen, in den Städten Hamburg, Bremen, Magdeburg, Berlin sowie in Schleswig-Holstein. Daneben gehen Orgeln nach England, Portugal, Russland und Spanien.
Schnitger ist nicht nur ein exzellenter Handwerker, sondern auch ein gewiefter Geschäftsmann. Sein erstes Orgelbauprivileg erhält er 1699 von der dänischen Regierung für Oldenburg und Delmenhorst unter der Bedingung, dass er die Oldenburger Lambertiorgel zum halben Preis liefert. Schnitger lässt sich darauf ein und kann sich weiterer Aufträge sicher sein. So verfährt er auch beim Orgelneubau im Bremer Dom und beim Neubau in der Altonaer Hauptkirche.
Der Meister hat aber auch ein Herz für finanzschwache Gemeinden – vor allem in seiner Oldenburger Heimat. Zum Orgelbau 1698 in seiner Taufkirche in Golzwarden notiert er: „Da ich in diesem Dorf geboren und getauft bin, habe ich für die Arbeit nicht mehr genommen, als ich selbst dafür bezahlt habe, nämlich 380 Reichstaler.“