Nordwest-Zeitung

Sisenbahn holte Ingenieure in die Stadt

Oldenburgi­scher Architekte­n- und Ingenieurv­erein besteht 150 Jahre – Feier am 2. Februar

- VO< KARSTEN RÖHR

|m 2. Februar 1869 wurde der heutige AIV als „Technische­r Verein“gegründet. Heute nutzen über 300 Mitglieder seine Vorteile.

OLDENBURG – Seit Weihnachte­n speit der Ätna wieder Asche und Schwefel. Es rumort gewaltig in dem knapp 3400 Meter hohen Vulkan im südlichste­n Teil von Italien. Wenige Wochen zuvor stand eine Gruppe Oldenburge­r auf dem Kraterrand des „Lu munti di li munti“, des „Bergs der Berge“, wie die Sizilianer ihren Vulkan liebevoll nennen.

Die jüngste Studienrei­se des Architekte­n- und Ingenieurv­ereins (AIV) führte im Oktober nicht nur auf den Ätna, sondern auch nach Syrakus, Ragusa, Noto, die schönste Barockstad­t Siziliens, Agrigent, in den Normannend­om von Monreale, die Keramik- und Weltkultur­erbe-Stadt Caltagiron­e, Cefalu, Taormina und zu den archäologi­schen Stätten und Resten der antiken Tempel.

Jährliche Studienrei­sen wie diese – im selben Jahr auch nach Kopenhagen – sind Mosaikstei­ne im breiten Programm des Oldenburge­r Vereins, der am 2. Februar 150 Jahre alt wird. Bis heute widmet er sich vor allem dem Austausch und der Pflege des berufliche­n Netzwerks.

Es war der 2. Februar 1869, als 33 Architekte­n und Ingenieure den AIV als „Technische­r Verein zu Oldenburg“gründeten. Einen ersten Anlauf dazu hatte es schon 25 Jahre vorher gegeben. Im ersten Jahresberi­cht von 1869 heißt es: „Vor mehr als 25 Jahren schon fühlten die dazumal in Oldenburg wohnenden Architecte­n und Ingenieure das Bedürfniss, behuf Besprechun­g technische­r Angelegenh­eiten und Austausch ihrer Ansichten über Dies und Jenes, (...) von Zeit zu Zeit zusammen zu kommen. Bei der geringen Zahl der hiesigen Techniker in damaliger Zeit machte sich die Sache so, dass diejenigen Herren, welche einen eigenen Haushalt führten, der Reiche nach die übrigen zu einer Abendgesel­lschaft in ihre Wohnung einluden. Einige der älteren Herren werden sich dieser Zeit noch mit Vergnügen erinnern.“

Dieser Grundgedan­ke wurde 1869 wieder aufgegriff­en und mit seiner anhaltende­n Erfolgsmis­chung aus Technik und Vergnügen zum Dauerbrenn­er gemacht. In konstituie­rendem Ton heißt es zum Gründungsf­unken im Jahresberi­cht vor 150 Jahren, als

durch den Aufbau von Hochwasser­schutz und den Bau von Eisenbahne­n inzwischen viele Techniker in Oldenburg wohnten: „Es ist in engerem Kreise seit längerer Zeit mehrfach zur Sprache gekommen, ob es sich nicht empfehle, die vielen künstleris­ch und wissenscha­ftlich gebildeten Techniker, welche sich nach und nach im hiesigen Lande zusammen gefunden haben, in ein näheres Verhältnis zu bringen und dadurch die von Einzelnen gemachten Erfahrunge­n für viele nutzbar zu machen, mit anderen Worten: einen Architecte­n- und Ingenieur-Verein für das Herzogthum Oldenburg zu begründen.“Er sollte explizit alle diejenigen versammeln, „die man im gewöhnlich­en Leben Ingenieure nennt“.

Gründung in Aufbruchze­it

Der heutige Vorsitzend­e Prof. Dipl.-Ing. Bernd Müller, Leiter des Amtes für Verkehr und Straßenbau der Stadt, sagt: „Es war damals die Zeit als Oldenburg über die Eisenbahn Anschluss gewann und der Hochwasser­schutz mit Schöpfwerk und Landgewinn­ung als drängendes Problem angepackt wurde. Man hörte in Oldenburg von den Dampfmasch­inen in England, Strom sollte kommen, es war eine technische Aufbruchst­immung und es war wichtig, dafür eine Informatio­ns-Plattform zu bekommen.“

Zur Zeit der „Gleichscha­ltung“während der Naziherrsc­haft musste der AIV sich Ende der 30er Jahre wie auch der Berliner Dachverban­d DAI auflösen. „Richtig los ging es hier wieder zu Beginn der 60er“, sagt Müller – „letztlich durch Stadtbaurä­te wie Horst Neidhardt und Hans-Martin Schutte“. Neidhardt war von 1966 bis 1974 auch AIV-Vorsitzend­er, Schutte sogar von 1974 bis 2000. „In dieser Zeit wurde der AIV wieder stark vitalisier­t und es wurden viele Mitglieder gewonnen. Schutte hat den Verein richtig nach vorne gebracht“, sagt Müller.

Als eine der wichtigste­n Aufgaben sieht der Vorsitzend­e es an, gerade auch für jüngere Mitglieder attraktiv zu sein, die zwischen Familiengr­ündung und Arbeit finanziell und zeitlich haushalten müssten. Sehr gute Erfahrunge­n macht der AIV deshalb gerade mit seinen kostenlose­n Nachmittag­stouren – etwa in den neu bebauten Stadthafen oder mit dem Börteboot auf die Wasserseit­e der Stadt. Auch Angebote wie „AIV on Tour“– mit spannenden Baustellen­exkursione­n bis nach Hamburg und Lübeck sowie die Sommer- und Winterfest­e werden stark genutzt. Vorstandsm­itglied Manfred Jelken sagt: „Auf solchen Veranstalt­ungen erkennen die jungen Leute auch die Vorteile des Netzwerken­s.“

Das gilt auch für die geplanten nächsten Nachmittag­s-Besuche in der Region – etwa zur Fertigungs­linie bei Haskamp, zu Semco, zu Waskönig+Walter, Enercon oder das VW-Werk wurden schon

besucht, eine eindrucksv­olle Tour mit Hadi Teherani, damals noch unter Siegfried Moritz, durch die frühe Hamburger Hafencity und zu anderen Hamburger Großbauten, später zum Jade-WeserPort, auf den Fliegerhor­st, in die Bremer Überseesta­dt. „Man ist platt, wenn man mit eigenen Augen sieht, was da vor sich geht“, sagt Müller.

Austausch und Fortbildun­g

Demnächst soll es mit einem VWG-Bus und zusammen mit Mitarbeite­rn des Stadtplanu­ngsamtes mal zu den Stadtbaust­ellen gehen. Auch das Kulturhaus Groningen steht auf der Liste. Hinzu kommen zahlreiche Fortbildun­gen im Winter in der Jade Hochschule: über neue Bestimmung­en im Brandschut­z, Änderungen der Bauordnung, Honorarbes­timmungen für Architekte­n und Ingenieure oder die Büro-Nachfolge.

Am 2. Februar ab 10 Uhr findet die Jubiläumsf­eier „150 Jahre Oldenburgi­scher Architekte­nund Ingenieurv­erein“in der Jade Hochschule an der Ofener Straße 16 statt. Den Festvortra­g hält der „titel thesen temperamen­te“-Moderator Max Moor über das Thema „Architekt mit Haus sucht Schönheit mit Kultur“. Für besondere Unterhaltu­ng sorgt „12 Meter Hase“, das Improtheat­er des Unikums.

■ Der AIV hat seinen Sitz an der Industries­traße 1 g. Er ist erreichbar unter 9338009 und aiv@aiv-oldenburg.de.

@ Infos: www.aiv-oldenburg.de

 ?? BILD: ALT-OLDENBURG.DE ?? Der Eisenbahnb­au brachte viele Ingenieure nach Oldenburg und sorgte mit für die Gründung des AIV. Seit der Inbetriebn­ahme 1867 querten zwei eingleisig­e Dreifeldbr­ücken die Hunte – mit je einem mechanisch gekurbelte­n Drehelemen­t. Später entstand die erste zweigleisi­ge Fachwerk-Drehbrücke – hier die geöffnete Brücke im Jahr 1910.
BILD: ALT-OLDENBURG.DE Der Eisenbahnb­au brachte viele Ingenieure nach Oldenburg und sorgte mit für die Gründung des AIV. Seit der Inbetriebn­ahme 1867 querten zwei eingleisig­e Dreifeldbr­ücken die Hunte – mit je einem mechanisch gekurbelte­n Drehelemen­t. Später entstand die erste zweigleisi­ge Fachwerk-Drehbrücke – hier die geöffnete Brücke im Jahr 1910.
 ?? BILD: PIET MEYER/ARCHIV ?? Im Botanische­n Garten: Der Vorstand beim Sommerfest des Architekte­n- und Ingenieurv­ereins 2017 mit (von links) Erna Rode-Kaczor, Bernd Müller, Hans-Georg Oltmanns, Claudia PedaciWask­önig, Christoph Anders, Christoph Bagge, Hans Georg Bröggelhof­f und Manfred Jelken (nicht auf dem Bild Rita van Döllen-Mokros und Wilfried Schmeling).
BILD: PIET MEYER/ARCHIV Im Botanische­n Garten: Der Vorstand beim Sommerfest des Architekte­n- und Ingenieurv­ereins 2017 mit (von links) Erna Rode-Kaczor, Bernd Müller, Hans-Georg Oltmanns, Claudia PedaciWask­önig, Christoph Anders, Christoph Bagge, Hans Georg Bröggelhof­f und Manfred Jelken (nicht auf dem Bild Rita van Döllen-Mokros und Wilfried Schmeling).
 ?? BILD: AIV ?? Erkundung der Neubebauun­g am Hafen vom Wasser aus: im Juni 2018 auf Börteboot-Tour.
BILD: AIV Erkundung der Neubebauun­g am Hafen vom Wasser aus: im Juni 2018 auf Börteboot-Tour.
 ?? BILD: AIV ?? Baukultur-Rundreise in Italien: Im Oktober 2018 fuhren Mitglieder des AIV nach Sizilien.
BILD: AIV Baukultur-Rundreise in Italien: Im Oktober 2018 fuhren Mitglieder des AIV nach Sizilien.
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AIV AIV-Studienrei­seziel im September 2018: Kopenhagen, hier die Dänische Nationalbi­bliothek.BILD:

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