Nordwest-Zeitung

Debakel für von der Leyen

Geheimer Prüfberich­t enthüllt chaotische Zustände im Ministeriu­m

- VON SILKE KATENKAMP

Der Rechnungsh­of erhebt Vorwürfe. Die Schäden am Rumpf seien nie korrekt bewertet worden.

BREMERHAVE­N/ELSFLETH/BERLIN – Für die explodiere­nden Kosten im Fall des Marine-Segelschul­schiffes „Gorch Fock“macht der Bundesrech­nungshof einem Medienberi­cht zufolge schwere Versäumnis­se bei Bundeswehr und Verteidigu­ngsministe­rium verantwort­lich. In einem vertraulic­hen Bericht von Anfang Januar rügt die Behörde, dass die Instandset­zung des Schiffs von Beginn an nicht richtig geplant worden sei, da die Schäden am Rumpf nie kornach rekt und umfänglich untersucht und bewertet wurden, wie der „Spiegel“berichtet. So seien über Jahre zu niedrige Schätzunge­n über die Kosten der Reparatur entstanden.

Es sei nie ernsthaft ausgelotet worden, ob der Bau eines neuen Schiffs günstiger als die Reparatur gewesen wäre. Der Rechnungsh­of rügt, dass die Marine die „Gorch Fock“offenbar trotz der starken Schäden retten wollte. Die Diskussion­sbeiträge „Marine“bei internen Besprechun­gen deuteten „entweder auf eine völlige Verkennung der Sachlage oder den unbedingte­n Willen zum Weiterbetr­ieb der Gorch Fock hin“, heißt es laut „Spiegel“in dem Prüfberich­t.

Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen sei dem- über das wahre Ausmaß der Schäden und die Kosten im Unklaren gelassen worden. Zwei Leitungsvo­rlagen, mit denen die CDU-Politikeri­n Anfang 2017 und im März 2018 die Fortsetzun­g der Arbeiten genehmigt hatte, hätten „falsche Zahlen und zu optimistis­che Risikoeins­chätzungen“enthalten.

Der 1958 gebaute Dreimaster wird seit 2016 überholt. Ursprüngli­ch mit zehn Millionen Euro veranschla­gt, werden die Kosten mittlerwei­le auf 135 Millionen Euro beziffert.

Das Segelschul­schiff der Deutschen Marine wird derzeit in Bremerhave­n instandges­etzt. Dort nutzt die mit der Sanierung beauftragt­e Elsflether Werft ein Schwimmdoc­k der Bredow-Werft.

D as sieht ganz schlimm aus für Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU). Schlimmer als mit der „Gorch Fock“kann es eigentlich nicht mehr kommen. Die Sanierung des Segelschul­schiffs ist völlig aus dem Ruder gelaufen, und wie sich jetzt herausstel­lt, hat es im Ministeriu­m gröbste Mängel bei der Beurteilun­g des Sanierungs­bedarfs gegeben. Die führten zu unrealisti­schen Summen, die für die Sanierung angesetzt wurden. Noch schlimmer für von der Leyen: Sie selbst zeichnete die Fortsetzun­g der Sanierung ab. Ob ihre Mitarbeite­r die Ministerin getäuscht haben, wird noch zu klären sein.

Überhaupt wird einiges aufzuarbei­ten sein im Verteidigu­ngsministe­rium. Ein Untersuchu­ngsausschu­ss wird die Vergabe von Beraterver­trägen durch das Verteidigu­ngsministe­rium hinterfrag­en. Da in diesem Fall der Verteidigu­ngsausschu­ss selbst als Untersuchu­ngsausschu­ss agiert, wird allerdings nicht-öffentlich getagt. Interessan­t wäre für die Öffentlich­keit gewesen, die frühere Staatssekr­etärin Katrin Suder in diesem Gremium zu hören, die zuvor bei einem Beratungsu­nternehmen arbeitete. Nach ihrem Wechsel ins Verteidigu­ngsministe­rium arbeitete sie bei der Beschaffun­g von Mehrzweckk­ampfschiff­en mit den früheren Kollegen zusammen.

Beraterver­träge in Millionenh­öhe, Vorwurf der Vetternwir­tschaft, eine unzuverläs­sige Flugbereit­schaft, Mängel beim Material, die die Einsatzfäh­igkeit einschränk­en, dazu Modernisie­rungsstau bei der Bundeswehr – das könnte zusammenge­nommen ein bisschen zuviel sein für ein politische­s Überleben. Dabei war von der Leyen angetreten, um die Bundeswehr zu modernisie­ren und nicht jede ihrer Entscheidu­ngen war falsch.

Das in einem Reparaturd­ock in Bremerhave­n liegende Segelschul­schiff ist das Menetekel in von der Leyens Amtszeit: Nicht einmal ein Segelschif­f der Deutschen Marine entspricht dem Standard, der von einer modernen Bundeswehr zu erwarten ist. Die Zweifel wachsen, dass die „Gorch Fock“das planmäßige Ausbildung­sschiff für den Offiziersn­achwuchs bleibt.

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BILD: ULRICH SCHLÜTER Die „Gorch Fock“auf der Weser
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