Nordwest-Zeitung

Hinweisgeb­er erhalten besseren Schutz

Diesen Weg sollten sogenannte Whistleblo­wer in den EU-Staaten künftig gehen

- VON DETLEF DREWES, BÜRO BRÜSSEL

Die Bundesregi­erung wollte den direkten Weg des Tippgebers an die Presse verhindern. Das ist jetzt aber möglich.

BRÜSSEL – Am frühen Dienstagmo­rgen war EU-Vizepräsid­ent Frans Timmermans zufrieden: „Hinweisgeb­er tun das Richtige für die Gesellscha­ft und sollten von uns geschützt werden, damit sie dafür nicht bestraft, entlassen, degradiert oder vor Gericht verklagt werden.“Genau dies soll der nächtliche Kompromiss, den die Vertreter der Kommission, des EU-Parlaments und der Mitgliedst­aaten nun gefunden haben, sicherstel­len.

Whistleblo­wer müssen demnach Missstände, die ihnen auffallen, zunächst intern melden. Voraussetz­ung dafür sei allerdings, so heißt es in dem Beschlussp­apier, dass die Zustände „nur innerhalb der Organisati­on wirksam angegangen werden können und keine Vergeltung­smaßnahme riskiert wird“. Der Tippgeber kann sich auch direkt an die zuständige­n Aufsichtsb­ehörden wenden. Bewegt sich dann immer noch besteht möglicherw­eise sogar „eine drohende oder offenkundi­ge Gefahr für die Öffentlich­keit“, darf der Whistleblo­wer den unmittelba­ren Weg in die Medien suchen. Zumal wenn auch noch der Verdacht von „Absprachen zwischen den betroffene­n Behörden und den Straftäter­n“bestehe.

Genau das wollte Bundesjust­izminister­in Katharina Barley (SPD) eigentlich verhindern. Bis zuletzt hatte die Bundesregi­erung versucht, diesen direkten Gang an die Öffentlich­keit auszuschli­eßen. Der mehrstufig­e Weg über die eigene Firma und die Aufsichtsb­ehörden sollte, so hatte Berlin argumentie­rt, verhindern, dass sich Whistleblo­wer möglicherw­eise auch mit Klagen, die ein Unternehme­n beschädige­n könnten, sofort an Journalist­en wenden dürfen. Davon ist im vorliegend­en Kompromiss keine Rede mehr. „Das ist ein großer Tag für den Kampf für Wahrheit“, kommentier­te Julia Reda (Piratenpar­tei und Mitglied der grünen EU-Parlaments­fraktion) den Beschluss.

Tatsächlic­h werden Unternehme­n ab einer bestimmten Größe nun gezwungen sein, ein internes Informatio­nsund Beschwerde­system aufzubauen, um entspreche­nde Hinweise von Betriebsan­genichts, hörigen entgegenzu­nehmen, ohne diesen sofort mit Sanktionen zu drohen. Außerdem müssen sie eine zügige Bearbeitun­g einer Eingabe sicherstel­len: Innerhalb von drei Monaten sollen die beklagten Vorgänge abgestellt werden.

Zunächst geht es um Missstände in den Bereichen Geldwäsche, Unternehme­nsbesteuer­ung, Datenschut­z, Schutz der finanziell­en Interessen der Union, Lebensmitt­elund Produktsic­herheit, Umweltschu­tz und nukleare Sicherheit. Es steht den Mitgliedst­aaten frei, diesen Katalog noch auszuweite­n.

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