Kein Freibrief
Whistleblower sollen in der EU besser geschützt werden. Das ist ehrenwert und gut, sogar überfällig. Das Beispiel der LuxLeaks-Affäre, bei der Tippgeber und Journalist sich anschließend vor Gericht verantworten mussten, zeigt, dass Handlungsbedarf besteht. Nun wird es also eine mehrstufige Lösung geben, die den Hinweisgeber zunächst an die internen Beschwerdestellen bindet, ehe er sich an Behörden oder gar die Öffentlichkeit wenden darf. Nur in Fällen von äußerster Ignoranz darf er sich direkt an investigative Journalisten wenden.
Das klingt vernünftig, weil der Gesetzgeber eben auch die Betriebe schützen muss. Was in Brüssel als Kompromiss vereinbart wurde, ist nämlich kein Freibrief zum Petzen. Mehr noch: Der hohe Schutz, den der Whistleblower in Anspruch nehmen darf, ist an Enthüllungen von Straftaten gebunden, an deren Aufdeckung ein öffentliches Interesse besteht. Diese Eingrenzung war wichtig. Sie wurde nicht zuletzt aus der deutschen Diskussion um ein Whistleblower-Gesetz übernommen. Gerade weil es wichtig ist, den „wahren“Hinweisgeber von unzufriedenen und rachsüchtigen Mitarbeitern zu trennen, die sich wichtig machen wollen.
Die jetzt anvisierte Reform geht weit. Sie berührt im äußersten Fall sogar Geschäftsgeheimnisse. Aber genau genommen müsste jedes Unternehmen selbst ein großes Interesse dran haben, strafbare Handlungen oder Missstände intern aufzudecken. Dass dies gut mit bestehenden innerbetrieblichen Hotlines, Sonderabteilungen und ähnlichen Modellen funktionieren kann, belegen die Beispiele in einigen Großkonzernen.
Allerdings geht es eben auch um staatliche Apparate und deren Praktiken, die beispielsweise Edward Snowden aufgedeckt hat – unter Einsatz seiner ganzen bisherigen Existenz. Solche Whistleblower brauchen tatsächlich einen gesetzlichen Schutz. Sogar von dem Staat, dessen Behörden von den Aufdeckungen entlarvt werden. Dies durchzusetzen, in diesen Bereichen Hinweisgeber vor Repressalien aller Art zu schützen und sie dennoch ernst zu nehmen, wird die eigentliche Herausforderung.
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