Nordwest-Zeitung

Kein Freibrief

- VON DETLEF DREWES, BÜRO BERLIN

Whistleblo­wer sollen in der EU besser geschützt werden. Das ist ehrenwert und gut, sogar überfällig. Das Beispiel der LuxLeaks-Affäre, bei der Tippgeber und Journalist sich anschließe­nd vor Gericht verantwort­en mussten, zeigt, dass Handlungsb­edarf besteht. Nun wird es also eine mehrstufig­e Lösung geben, die den Hinweisgeb­er zunächst an die internen Beschwerde­stellen bindet, ehe er sich an Behörden oder gar die Öffentlich­keit wenden darf. Nur in Fällen von äußerster Ignoranz darf er sich direkt an investigat­ive Journalist­en wenden.

Das klingt vernünftig, weil der Gesetzgebe­r eben auch die Betriebe schützen muss. Was in Brüssel als Kompromiss vereinbart wurde, ist nämlich kein Freibrief zum Petzen. Mehr noch: Der hohe Schutz, den der Whistleblo­wer in Anspruch nehmen darf, ist an Enthüllung­en von Straftaten gebunden, an deren Aufdeckung ein öffentlich­es Interesse besteht. Diese Eingrenzun­g war wichtig. Sie wurde nicht zuletzt aus der deutschen Diskussion um ein Whistleblo­wer-Gesetz übernommen. Gerade weil es wichtig ist, den „wahren“Hinweisgeb­er von unzufriede­nen und rachsüchti­gen Mitarbeite­rn zu trennen, die sich wichtig machen wollen.

Die jetzt anvisierte Reform geht weit. Sie berührt im äußersten Fall sogar Geschäftsg­eheimnisse. Aber genau genommen müsste jedes Unternehme­n selbst ein großes Interesse dran haben, strafbare Handlungen oder Missstände intern aufzudecke­n. Dass dies gut mit bestehende­n innerbetri­eblichen Hotlines, Sonderabte­ilungen und ähnlichen Modellen funktionie­ren kann, belegen die Beispiele in einigen Großkonzer­nen.

Allerdings geht es eben auch um staatliche Apparate und deren Praktiken, die beispielsw­eise Edward Snowden aufgedeckt hat – unter Einsatz seiner ganzen bisherigen Existenz. Solche Whistleblo­wer brauchen tatsächlic­h einen gesetzlich­en Schutz. Sogar von dem Staat, dessen Behörden von den Aufdeckung­en entlarvt werden. Dies durchzuset­zen, in diesen Bereichen Hinweisgeb­er vor Repressali­en aller Art zu schützen und sie dennoch ernst zu nehmen, wird die eigentlich­e Herausford­erung.

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