Nordwest-Zeitung

(euer Blitzer an B6 hat sch2n ausge)litzt

Gericht in Hannover stoppt Deutschlan­ds erstes Streckenra­dar

- VON MICHAEL EVERS

HANNOVER – Nur zwei Monate nach dem Scharfscha­lten des bundesweit ersten Streckenra­dars bei Hannover muss der neue Blitzer nach einem Urteil des Verwaltung­sgerichts schon wieder abgeschalt­et werden. Für den Betrieb der Radaranlag­e, die die Kennzeiche­n sämtlicher vorbeifahr­ender Autos erfasst, gebe es auch für einen Probebetri­eb keine Rechtsgrun­dlage, entschiede­n die Richter in Hannover.

Wie funktionie­rt eigentlich das Streckenra­dar

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Die auch als Section Control bezeichnet­e Radaranlag­e erfasst die Geschwindi­gkeit nicht an einer Stelle. Stattdesse­n ermittelt sie das Durchschni­ttstempo auf einem längeren Abschnitt. Die erfassten Daten von Fahrzeugen, die sich an das Tempolimit halten, werden sofort gelöscht. In Nachbarlän­dern wie Belgien, Psterreich und den Niederland­en wird Section Control bereits seit Jahren erfolgreic­h verwendet.

Wo sah der Kläger das Problem

Auch wenn die Daten der regeltreue­n Fahrer sofort gelöscht werden, sah der Kläger in dem verschlüss­elten Zwischensp­eichern der Kennzeiche­n aller passierend­en Wagen einen Eingriff in die Grundrecht­e der Bürger. Er verwies auf das Karlsruher Urteil zum automatisc­hen Abgleich von Nummernsch­ildern aller vorbeifahr­ender Wagen mit Fahndungsd­aten durch die Polizei. Dieser sei verfassung­swidrig, so das Gericht. Die Vorschrift­en können trotzdem erst einmal in Kraft bleiben – sie müssen allerdings bis spätestens Ende 2019 nachgebess­ert werden.

Und wie geht es nach dem Urteil nun weiter

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Das Innenminis­terium in Hannover kündigte an, die Anlage an der B6 unverzügli­ch außer Betrieb zu nehmen. Mit dem im Mai zur Verabschie­dung vorgesehen­en neuen Niedersäch­sischen Polizeiges­etz solle für eine ausdrückli­che Rechtsgrun­dlage gesorgt werden.

Und geht das Land trotzdem in Berufung

Darüber will das Ministeriu­m kurzfristi­g entscheide­n. Da das Gericht den Weiterbetr­ieb des Streckenra­dars auch in einem Eilentsche­id untersagte, hat der Gang in die höhere Instanz aber keine aufschiebe­nde Wirkung. Die Anlage muss abgeschalt­et bleiben.

Wie viele Raser wurden bereits ertappt

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Überwacht wird ein 2,2 Kilometer langer Abschnitt, den 15 500 Autos täglich passieren und auf dem es in der Vergangenh­eit schwere Unfälle gab. Seit dem Start des Probebetri­ebs wurden 141 Raser erwischt. Erlaubt sind Tempo 100, der Schnellste rauschte mit Tempo 189 durch den Kontrollab­schnitt. Erhalten die Autofahrer nun ihr Bußgeld zurück

Nein. Wer keine Beschwerde gegen seinen Bußgeldbes­cheid eingelegt und die Strafe bereits überwiesen hat, hat trotz des Urteils kein Recht auf eine Erstattung des Bußgeldes.

Was sind die Erfahrunge­n in Belgien ?

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Im flämischen Teil Belgiens, wo der Streckenra­dar bereits seit Langem genutzt wird, haben Untersuchu­ngen ergeben, dass auf Abschnitte­n mit Streckenra­dar die Zahl der Temposünde­r sinkt. Die Zahl der Unfälle sinke auch vor und nach dem überwachte­n Bereich. Neben fest installier­ten Abschnitts­kontrollen gibt es in Belgien auch mobile Abschnitts­kontrollen, etwa an Baustellen. Wegen der guten Erfahrunge­n – gleichmäßi­geren Verkehrsfl­uss und eine ruhigere Verkehrsla­ge – soll die Zahl der Streckenra­darabschni­tte erweitert werden.

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