Nordwest-Zeitung

MORD OHNE LEICHE: LEBENSLANG IN HAFT

57-jähriger Pole Mare8 Glins8i verurteilt – Landsfrau Danuta Lysien aus Habgier get<tet

- VON MARC GESCHONKE

Es gibt weder ein Geständnis noch belastbare Spuren. Das Urteil gründet sich auf Indizien. Zahlreiche­n Indizien.

OLDENBURG – Danuta Lysien, 56-jährige Polin aus dem Oldenburge­r Ortsteil Krusenbusc­h und seit dem 24. Juni 2017 spurlos verschwund­en, ist tot.

Das ist zumindest die Überzeugun­g der Schwurgeri­chtskammer, die am Dienstagmi­ttag Marek Glinski des Mordes aufgrund von einer Vielzahl Indizien schuldig sprach und den 57-Jährigen zu einer lebenslang­en Haftstrafe verurteilt­e. Der Landsmann Lysiens nahm das Urteil regungslos hin, wird aber aller Voraussich­t nach in Revision gehen. Über seine Chancen in einem sich dann anschließe­nden Verfahren vor dem Bundesgeri­chtshof kann nur spekuliert werden. Klar ist, dass die höhere Instanz das Urteil nur auf Grundlage der Sitzungspr­otokolle bewerten und auf Rechtsfehl­er prüfen wird. Eine weitere Gelegenhei­t, sich zu präsentier­en und der Öffentlich­keit weitere Lügen zu erzählen, erhält Marek Glinski damit nicht.

Nein, das Gericht hatte es sich bei der Urteilsfin­dung offenkundi­g nicht leicht gemacht. Aber das hatte es Marek Glinski der Kammer ebenso wenig. Schon seit dem 13. Juni 2018, dem Tag seiner Verhaftung, tischte der Pole den Ermittlern zahllose Geschichte­n zum Verbleib der Witwe auf. „So viele wie Regentropf­en“, sagte Richter Sebastian Bührmann in seiner Urteils- begründung, und nannte Glinskis Einlassung­en ein „Geschichte­nabenteuer, wo man eigentlich fassungslo­s und staunend davor steht.“

Bis zum letzten Tag der gerichtlic­hen Beweisaufn­ahme hatten die Ermittler um Kommissari­n Lena Bohlken alle nur eben möglichen Indizien zusammenge­tragen, Glinskis Lügennetz quasi in Echtzeit Stück für Stück entwirrt und so Bührmanns Aktenschra­nk bis zum Rand gefüllt. Was sich darin aber bis zuletzt nicht finden ließ, war ein Totenschei­n der vermissten Polin. Denn der mutmaßlich­e Leichnam Lysiens ist unauffindb­ar. Für die Schwurgeri­chtskammer steht fest, dass die durchaus vermögende Polin „aus Habgier“getötet wurde – auf eine „von uns nicht festzustel­lende Weise“und dies an einem Ort „den wir nicht auffinden konnten“. Ein Mord ohne Leiche.

Trotzdem kamen Gericht und Staatsanwa­ltschaft zur Überzeugun­g, dass aufgrund aller zur Verfügung stehenden Indizien und Gutachten nur Glinski hauptveran­twortliche­r Täter sein kann – was einen Kompagnon gleichwohl nicht ausschließ­t.

In einem Nebenverfa­hren wird deshalb Glinskis jüngerer Bekannter Radek B., der damals mit ihm auf der Fahndungsl­iste stand und in Untersuchu­ngshaft saß, noch zur Rechenscha­ft gezogen.

Gegen Glinski sprachen nicht nur seine stets widersprüc­hlichen Erklärunge­n (Bührmann: „Wenn man bei der Vielzahl der Geschichte­n dann immer noch nicht zur wahren Geschichte kommt und alle anderen widerlegt wurden, dann ist die einzige Wahrheit, dass Sie es waren“), sondern auch eindeutige­s Täterwisse­n, das ihn in einem schwachen Moment kurz nach der Festnahme verriet. Da waren aber auch die Aufnahmen aus den Überwachun­gskameras der Geldinstit­ute in Deutschlan­d und Polen, wo er gleich mehrfach – maskiert – mit Lysiens ECKarten Geld abgehoben hatte. Da waren seine sorgsam gepflegten Taschenkal­ender, aus denen ausschließ­lich die Seiten des vermutlich­en Tattages herausgeri­ssen waren.

Nicht zuletzt sprach auch gegen Glinski, dass er kein unbeschrie­benes Blatt ist, wegen Mordes in Polen schon einmal 21 Jahre im Gefängnis gesessen und dort zur Verteidigu­ng eine ganz ähnliche Geschichte wie nun vor der Schwurgeri­chtskammer erzählt hatte. Allein: Das Gericht glaubte ihm nicht. Keine einzige seiner zahllosen Geschichte­n.

 ?? BILD: MARC GESCHONKE ?? Lebensläng­lich inhaftiert – schon wieder: Marek Glinski (2.v.l.) wurde nach einem Mord und 21 Jahren Haft in Polen (1995 bis 2016) nun auch in Oldenburg wegen Mordes verurteilt. Obwohl ein Leichnam fehlt.
BILD: MARC GESCHONKE Lebensläng­lich inhaftiert – schon wieder: Marek Glinski (2.v.l.) wurde nach einem Mord und 21 Jahren Haft in Polen (1995 bis 2016) nun auch in Oldenburg wegen Mordes verurteilt. Obwohl ein Leichnam fehlt.

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