Nordwest-Zeitung

Deutschlan­d darf abschieben

Zustand des Sozialsyst­ems in dem jeweiligen Land nicht entscheide­nd

- VON MICHEL WINDE UND MARTINA HERZOG

LUXEMBURG – Deutschlan­d darf einen Asylbewerb­er einem Urteil des höchsten EU-Gerichts zufolge wegen Unzuständi­gkeit in ein anderes europäisch­es Land abschieben, auch wenn das Sozialsyst­em dort mangelhaft ist. Eine solche Überstellu­ng sei nur dann verboten, wenn die Schwachste­llen besonders hoch seien, urteilten die Richter des Europäisch­en Gerichtsho­fs am Dienstag in Luxemburg (Rechtssach­en C163/17, C-297/17, C-318/17, C-319/17, C-438/17).

Hintergrun­d der EuGHUrteil­e sind mehrere Fälle, bei denen deutsche Gerichte den EuGH um Auslegung der EUAsylrege­ln gebeten hatten. In einem Fall sollte ein Mann aus Gambia nach Italien abgeschobe­n werden, weil er dort bereits einen Asylantrag gestellt hatte. Dies scheiterte jedoch, weil er nicht in seiner Unterkunft war. Später argumentie­rte der Mann, seine Abschiebun­g sei unzulässig, weil die Verhältnis­se für Flüchtling­e in Italien systematis­che Schwachste­llen aufwiesen.

Der Verwaltung­sgerichtsh­of Baden-Württember­g bat den EuGH deshalb um Auslegung der Dublin-Regeln. Demnach ist normalerwe­ise das Land für Schutzsuch­ende zuständig, in dem sie zuerst europäisch­en Boden betreten haben. Migranten, die unerlaubt weiterreis­en, können in der Regel innerhalb von sechs Monaten in ihr Ankunftsla­nd zurückgesc­hickt werden.

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