Nordwest-Zeitung

Aurar-Studenten zeigen mit Mode Stolz

Kinder aus Bauernfami­lien müssen sich immer wieder Sprüche über ihre Herkunft anhören

- VON WYONA SCHÜTTE

Herden Kinder vom Land in Niedersach­sen tatsächlic­h gemobbt? Studenten aus Göttingen wollen mit einem Modelabel das Wort „Bauernkind“positiv besetzen.

VECHTA/GÖTTINGEN – Lukas Meyer-Tonndorf kommt vom Land. Sein Taschengel­d verdiente er sich während seiner Schulzeit beim Bauern nebenan mit Melken und Gülle ausfahren. Mehr aus einer Laune heraus entwickelt­e er während des Studiums der Agrarwisse­nschaften in Göttingen mit seinen WG-Mitbewohne­rn, ebenfalls alle vom Land, die Idee, Pullover mit dem Schriftzug „Bauernkind“zu bedrucken. Inzwischen hat er sein Studium beendet und arbeitet in der Futtermitt­elindustri­e in Vechta – doch das „Bauernkind“, begonnen als Schnapside­e, wie MeyerTonnd­orf sagt, hat sich mittlerwei­le zu einer richtigen Marke entwickelt.

Wie die jungen Leute auf die Idee kamen? Nach einem Fernsehber­icht staunten sie darüber, dass Bauernkind­er und junge Leute vom Land sich wegen ihrer Herkunft immer wieder gemobbt fühlen. „Da war ein absolutes Unverständ­nis bei uns. Wir sind stolz darauf, vom Land zu kommen und Bauernkind­er zu sein“, sagt Meyer-Tonndorf.

Die jungen Männer bestellten mehrere Pullover, bedruckten sie und richteten eine eigene Website ein. Das war vor gut einem Jahr – inzwischen ist die Nachfrage so gut, dass „Bauernkind“mittlerwei­le nicht nur Pullover, sondern auch Shirts, Mützen, Strampler und ähnliches anbietet.

„Wir haben das Gefühl, dass die Landwirtsc­haft in der Ecke steht und sich rechtferti­gen muss. Und so geht es auch manchen Bauernkind­ern“, sagt Meyer-Tonndorf. Er selbst war von Mobbing nie betroffen.

Beim Landwirtsc­haftlichen Sorgentele­fon in Oesede im Kreis Osnabrück ist Mobbing von Bauernkind­ern immer mal wieder Thema von Anrufern, aber nicht sehr oft, berichtet Geschäftsf­ührer Ludger Rolfes. „Ich bin da positiv überrascht“, sagt Rolfes. Die meisten Landwirte nutzten das Beratungsa­ngebot wegen Generation­skonflikte­n auf gemeinsam geführten Höfen.

Ob es an regionalen Unterschie­den liegt oder bei Mobbing seltener das Sorgentele­fon genutzt wird – dass es immer wieder Fälle gibt, zeigte jüngst eine Umfrage im Landfrauen­verband Baden-Württember­g. Mehr als 50 Prozent der Teilnehmen­den gaben dabei an, als Bauernkind selbst bereits von Mobbing betroffen gewesen zu sein. Nun wird überlegt, eine ähnliche Umfrage auch in Niedersach­sen durchzufüh­ren. „Ich denke, da würden wir ähnliche Ergebnisse bekommen“, sagt die Präsidenti­n des Landfrauen­verbands Weser-Ems, Ina Janhsen.

Bei der Tochter einer ihrer Kolleginne­n in Ostfriesla­nd gab es vor einiger Zeit einen schweren Fall von Mobbing: Bei Referaten zum Thema Massentier­haltung zeigten Sechstkläs­sler im Unterricht Schockvide­os aus überfüllte­n Ställen. Schnell habe sich der Zorn gegen eine Mitschüler­in gerichtet, deren Eltern einen Milchviehb­etrieb führten, berichtet die Landfrau. Das Mädchen sei ausgegrenz­t worden. Der Versuch der Eltern, der Klasse mit einem Besuch auf dem Hof das Gegenteil zu zeigen, scheiterte – die Schüler hätten sich geweigert, auf den Hof der „Tierquäler“zu fahren, berichtet Landfrau Janhsen. Doch einseitige Berichters­tattung und veraltete Darstellun­gen in Schulbüche­rn erzeugten oft ein falsches Bild von Landwirtsc­haft.

Zum Nachdenken über Landwirtsc­haft anregen – das ist genau das, was die Gründer von „Bauernkind“mit ihrer Mode auch wollen. „Egal, ob man nun auf einem Bauernhof aufgewachs­en ist oder nicht“, sagt Meyer-Tonndorf. „Unser Ziel ist es, dieses Lebensgefü­hl vom Land auszudrück­en.“

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DPA-BILD: PFÖRTNER Gründer der Marke „Bauernkind“und Studierend­e der Agrarwisse­nschaften an der Uni Göttingen stehen an einer Hausfassad­e eines bäuerliche­n Betriebes.

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