Nordwest-Zeitung

„Kleine Gruppe“hinter Steinhoff-Affäre

Südafrikan­ischer Bericht bringt etwas mehr Licht – Welche Rolle spielt der Nordwesten?

- VON RÜDIGER ZU KLAMPEN

Erste Ermittlung­en waren schon 2015 in Oldenburg gestartet worden. Wie weit ist man bei der komplexen Sache?

OLDENBURG/WESTERSTED­E – Juristisch­e Konsequenz­en zu dem Bilanz-Skandal beim Möbel- und Handelsrie­sen Steinhoff, der seine Wurzeln in Westersted­e hat, rücken offenbar näher. Dazu gab der am Wochenende vorgelegte Bericht der externen Sonderprüf­er von Pricewater­house Coopers (PwC) wichtige Hinweise. Der Verwaltung­srat in Südafrika habe infolge der Erkenntnis­se beschlosse­n, Klagen gegen „bestimmte Personen, die für die ungesetzli­chen Vorgänge verantwort­lich sind“, vorzuberei­ten, berichtete das „Handelsbla­tt“.

Konkreter wurde am Dienstag das oft gut informiert­e südafrikan­ische Portal „Moneyweb“. „Acht Leute“, darunter der frühere Vorstandsv­orsitzende Markus Jooste, seien in den Betrug um Werte von insgesamt 6,5 Milliarden Euro involviert, hieß es dort. Das habe der gegenwärti­ge Vorstands-Chef Louis du Preez am selben Tag vor Parlamenta­riern erklärt.

Das Parlament in Pretoria hatte Verantwort­liche des Konzerns für einen Bericht einbestell­t. Die öffentlich­e Aufmerksam­keit für den Beinahe-Zusammenbr­uch des von Stellenbos­ch/Südafrika aus geführten Möbel- und Handelskon­zerns ist riesig – und ebenso die Verärgerun­g. Allein ein großer Altersvors­orgefonds des Landes verlor im Zuge des Skandals einen Milliarden­betrag. Den Aufsichtsr­äten waren die Fehlentwic­klungen nicht aufgefalle­n.

Als dann die Bilanz-Unregelmäß­igkeiten im Dezember 2017 bekannt wurden, stürzte der Aktienkurs von „Steinhoff Internatio­nal Holdings“(formaler Sitz: Amsterdam) von über fünf Euro auf zeitweilig unter zehn Cent ab. Aktuell liegt er bei etwa zwölf Cent.

Einem Buchwert in dreistelli­ger Millionenh­öhe stehen Schulden in Milliarden­höhe gegenüber. Kreditgebe­r einigten sich auf ein Stillhalte­n. Der Konzern implodiert­e bilanzmäßi­g, zahlreiche Werte wurden verkauft. Leidtragen­de sind auch Dutzende Beschäftig­te in Westersted­e, die ihren Job verloren.

Wer ist verantwort­lich?

In mehreren Staaten wird im Zusammenha­ng mit dem Bilanz-Skandal ermittelt. Es geht um mehrere mögliche Tatbeständ­e. Der PwC-Bericht vom Wochenende hatte unter anderem bestätigt: Relevante Bilanzzahl­en waren aufgebläht worden.

Doch wer wird am Ende für die mutmaßlich­en Manipulati­onen und die Wertverlus­te zur Rechenscha­ft gezogen werden – neben wohl Jooste, der schon wegen seiner früheren Spitzenfun­ktion automatisc­h im Fokus steht? Werden auch Personen aus dem Weser-Ems-Gebiet dabei sein? Dies dürfte spätestens dann

geklärt werden, wenn Details aus dem vollständi­gen Bericht von PwC an die Öffentlich­keit durchsicke­rn. Dieser wird als „vertraulic­h“unter Verschluss gehalten. Es gibt nur eine entschärft­e Zusammenfa­ssung auf der Website www.steinhoffi­nternation­al.com.

Aber der Beginn der Affäre liegt schon weit vor dieser Untersuchu­ng („Forensic Investigat­ion“) der Prüffirma PwC, die Ende 2017 angeschobe­n wurde. Es war die Oldenburge­r Staatsanwa­ltschaft, die als erstes u.a. wegen des Verdachts der Bilanzfäls­chung bei Steinhoff und im Umfeld ermittelte. Im Herbst 2015 gab es dazu Durchsuchu­ngen von Firmengebä­uden und Wohnräumen im Oldenburge­r Land.

Seither wird an der Sache gearbeitet, erschwert durch äußerst unübersich­tliche Steinhoff-Strukturen und Unterlagen in Englisch.

Auch jetzt hieß es auf Anfrage bei der Staatsanwa­ltschaft Oldenburg: „Die Ermittlung­en wegen des Verdachts der unrichtige­n Darstellun­g (...) in dem äußerst komplexen Sachverhal­t dauern weiterhin an.“

Und zu den neuen Enthüllung­en aus Südafrika: „Die Veröffentl­ichung des PwC-Berichtes ist hier bekannt“, sagte Staatsanwa­lt Thorsten Stein als Pressespre­cher. Zu Einzelheit­en der weiteren Ermittlung­en könnten aber keine Angaben gemacht werden. Inwieweit bereits mit südafrikan­ischen Stellen Kontakte entstanden, blieb offen.

PwC hatte unzählige Unterlagen gesichtet und auch 22 frühere und gegenwärti­ge Führungskr­äfte befragt. Ex-Konzernche­f Jooste und einige andere hatten allerdings nicht zur Verfügung gestanden. Am Ende kam ein 3000-Seiten-Bericht mit mehr als 4000 Anhängen heraus.

Als erstes Schlüssele­rgebnis wird in der Zusammenfa­ssung (sinngemäß übersetzt) formuliert: Eine „kleine Gruppe“von früheren Führungskr­äften der Steinhoff-Gruppe und anderen Führungskr­äften, angeführt von einem „Senior Management Executive“, plante und implementi­erte über Jahre verschiede­ne Transaktio­nen mit dem Ergebnis, dass Gewinn und Vermögensw­erte der SteinhoffG­ruppe über einen ausgedehnt­en Zeitraum substanzie­ll aufgebläht wurden. Die Masse der relevanten Transaktio­nen sei von PwC identifizi­ert worden, hieß es. Vieles sei aber auch noch unklar. Dazu zählten Details zu diversen Firmen mit teils klangvolle­n Namen, die in der Sache eine Rolle spielten, oder auch zu den letztendli­chen Nutznießer­n von Transaktio­nen.

Wurzeln in Westersted­e

Der Konzern hatte seine Wurzeln in den 60er Jahren in einer Handelsage­ntur von Bruno Steinhoff (heute 81) in Westersted­e. Ende der 90erJahre wurde der Sitz nach Südafrika verlagert und die AG mit neuen Großaktion­ären an die Börse gebracht. Bruno Steinhoff zog sich nach und nach aus dem operativen Geschäft zurück, 2018 auch aus dem Aufsichtsr­at. Sein Anteil bzw. der der Familienho­lding war nach letzten Angaben unter drei Prozent gesunken.

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BILD: RÜDIGER ZU KLAMPEN Dass der Steinhoff-Konzern seine Wurzeln einst in Westersted­e hatte – daran erinnert das Hochregall­ager.
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BILD: STEINHOFF War 2017 zurückgetr­eten: Ex-Konzernche­f Markus Jooste

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