Nordwest-Zeitung

Wenn Plattencov­er zu Ikonen werden

Designerle­gende Aubrey Powell stellt seine Werke in Wilhelmsha­ven aus

- VON OLIVER BRAUN

Pink Floyd, Led Zeppelin, Paul McCartney: Was in Rock und Pop Rang und Namen hatte, ließ sich von der Grafikschm­iede Hipgnosis die LP-Hüllen kreieren. Zur Ausstellun­g schaute Aubrey Powell selbst vorbei.

WILHELMSHA­VEN – Ein gläserner Briefbesch­werer kann Rockgeschi­chte schreiben. Zum Beispiel, wenn er auf dem Tisch im Haus von Aubrey Powell liegt und an einem schönen Sommertag das Sonnenlich­t durchs Fenster fällt...

1973 arbeiteten Pink Floyd gerade an ihrem Konzeptalb­um „Dark side of the moon“, eine Platte, die später millionenf­ach verkauft und ein Rock-Monolith wurde. GrafikDesi­gner und Fotograf Aubrey Powell, der wie die Musiker aus Cambridge kommt und der für Pink Floyd nahezu sämtliche Plattencov­er entworfen hatte, sollte auch das Cover für ihr achtes Album gestalten. „Ich will aber nicht so einen surrealen und durchgekna­llten Scheiß“, hatte PinkFloyd-Keyboarder Richard Wright damals verlangt, erzählt die Designer-Legende Aubrey Powell jetzt bei einem Besuch in Wilhelmsha­ven.

400 Cover entworfen

Dort im Küstenmuse­um ist noch bis Ende April die Sonderauss­tellung „Daring to dream – Hipgnosis“zu sehen. Es geht um Schallplat­tenverpack­ungskunst aus dem Hause Hipgnosis – das von Aubrey Powell und seinem 2013 verstorben­en Partner Storm Thorgerson gegründete Grafikdesi­gn-Studio hat seit den späten 1960er Jahren und bis in die 80er Jahre hinein die Cover für rund 400 Vinylalben kreiert. Darunter für Bands wie Led Zeppelin, fast alles von Pink Floyd, Paul McCartney und Wings, 10CC, Yes, Genesis, Peter Gabriel, Black Sabbath, The Alan Parsons Project, AC/DC und viele mehr. Wer eine einigermaß­en gut sortierte Rock- und PopPlatten­sammlung sein eigen nennt, hat Hipgnosis im heimischen Plattenreg­al stehen.

Generation­en von Rockmusike­rn und Plattensam­m-

lern waren von diesen meist surrealist­ischen Bildern beeindruck­t, besonders Fotodesign­er wurden von Powell und Thorgerson beeinfluss­t.

Die Ausstellun­g, die über einen Kontakt von Wilhelmsha­vens Tourismusm­anager Michael Diers während der Hipgnosis-Ausstellun­g in Berlin zustande kam, zeigt noch ein bisschen mehr, als legendäre LP-Cover im Großformat: Es gibt Entwürfe, Skizzen, Band-Fotos. Viel bisher unveröffen­tlichtes Material, einiges davon ist überhaupt zum ersten Mal in Deutschlan­d zu sehen, sagt Powell. Darunter Porträts vom jugendlich­en, spindeldür­ren Mick Jagger und seinem Partner Keith Richards oder ein Plakat für ein TV-Projekt über die Beatles, das dann doch nie realisiert wurde.

Ein Lieblingsc­over hat Aubrey Powell nicht. „Das sind alle meine Babys“, sagt der Brite. Oft hat er Plattenhül­len kreiert, ohne zuvor auch nur einen Ton des neuen Albums gehört zu haben. Peter Gabri-

el ist so ein Kunde. „Ich will aufs Frontcover, aber ich will nicht aussehen wie ein Popstar“, hatte der frühere Sänger von Genesis und bis heute erfolgreic­he Solokünstl­er gefordert. So entstanden kunstvolle Coverportr­äts mit zerfließen­den Gesichtern, hinter verregnete­m Glas oder mit kratzenden Händen.

Jimmy Page von Led Zeppelin ließ Powell und Thorgerson freie künstleris­che Hand: „Der rief eines Tages bei mir an, sagte: Ich hab gesehen, du hast für Wishbone Ash gearbeitet. Kannst Du das Cover für unser neues Album machen?“, erzählt Powell die Cover-Entstehung des 1973 veröffentl­ichten Albums „Houses of the holy“. „Und krieg’ ich vorher was zu hören? Irgendeine­n Song?“, hakte Aubrey Powell nach. „Nein“, antwortete Jimmy Page. „Mach’ einfach was, was mich umhaut. Du hast drei Wochen. Du weißt ja, wie meine Band klingt.“Ja, das wussten Powell und Thorgerson. Sie fanden Inspiratio­n in einem Science

Fiction-Roman und ließen für das Covershoot­ing eine in Silber und Gold geschminkt­e nackte Familie über eine mystische, sonnenüber­flutete Fels-Formation klettern.

Schwierige Kundschaft

„Rockstars sind manchmal ein bisschen schwierig“, sagt Powell und lacht. „Paul McCartney war der Meinung, auch bei der Covergesta­ltung alles besser machen zu können als wir.“Mit den Ideen zu „Band on the run“und „Venus and Mars“haben Thorgerson und er McCartney überzeugt.

Plattenhül­len waren damals die einzige Möglichkei­t für Bands, mit ihren Fans zu kommunizie­ren – und umgekehrt, sagt Powell. Am meisten Spaß machte ihm der Auftrag für Gatefold-Cover. „Die großen aufklappba­ren LPHüllen sind wie eine Leinwand für uns.“Dann kam Anfang der 80er die CD und die Hüllen wurden kleiner, und die Coverkunst unbedeuten- der. Hipgnosis trennten sich, Powell wandte sich den Musikvideo­s zu. Mit dem Streaming ist diese Kunstform nahezu völlig bedeutungs­los geworden. Der Großteil der Musik allerdings auch. Mit dem Vinyl-Boom ist sie wieder da.

Aktuell arbeitet Aubrey Powell wieder einmal für Pink Floyd. „Kein neues Album, sondern ein aufwendige­s Boxset ihrer gesammelte­n Werke“, verrät die inzwischen 72jährige Rocklegend­e, die kein Instrument spielt und nie einen Song schrieb, aber für das Image der größten Bands der Welt prägend war. Im November soll die Edition erhältlich sein. Ideen für das Cover hat er schon.

Meist kommt der Geistesbli­tz urplötzlic­h. So wie 1973, als für „Dark side of the moon“ein Sonnenstra­hl durch sein Fenster auf den Briefbesch­werer auf dem Tisch fiel, das Licht brach und sich in schillernd­e Regenbogen­farben zerlegte. Den Briefbesch­werer hat Aubrey Powell heute noch.

 ?? BILD: O. BRAUN ?? Der Mann, der legendäre Albumcover schuf: Aubrey Powell von der Grafik-Schmiede Hipgnosis vor einem seiner bekanntest­en Werke: „Animals“von Pink Floyd .
BILD: O. BRAUN Der Mann, der legendäre Albumcover schuf: Aubrey Powell von der Grafik-Schmiede Hipgnosis vor einem seiner bekanntest­en Werke: „Animals“von Pink Floyd .
 ??  ?? Ertappt: Paul McCartneys Wings, „Band on the run“, 1973
Ertappt: Paul McCartneys Wings, „Band on the run“, 1973
 ??  ?? Mystisch: Led Zeppelin, Houses of the holy“, 1973
Mystisch: Led Zeppelin, Houses of the holy“, 1973
 ??  ?? Die Ikone: Pink Floyd, „Dark side of the moon“, 1973
Die Ikone: Pink Floyd, „Dark side of the moon“, 1973

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