Weniger Straftaten – mehr Unsicherheit
Was Bundesinnenminister Seehofer zur Polizeilichen Kriminalstatistik sagt
Die Polizeiliche Kriminalstatistik bildet immer nur das sogenannte Hellfeld ab. Das sollte man vor allem nicht vergessen, wenn man auf Verbrechen wie sexuellen Missbrauch schaut. Denn der wird oft nicht zur Anzeige gebracht.
BERLIN – Es ist ein Widerspruch, den Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auflösen will. Zwar wächst die Angst der Menschen, Opfer von Gewalt und Verbrechen zu werden. Jeder fünfte Deutsche fühlt sich laut einer Studie in seiner Wohngegend nachts unsicher
Tatsächlich sieht es aber ganz anders aus: Die Zahl der Straftaten ist in Deutschland weiter zurückgegangen. Das geht aus der Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für 2019 hervor. „Deutschland ist wieder ein Stück sicherer geworden“, verkündet der Bundesinnenminister in Berlin die gute Nachricht in schwierigen Zeiten – per Pressemitteilung. Die ursprünglich geplante Pressekonferenz musste wegen der Corona-Gefahr abgesagt werden.
Von Jahr zu Jahr verzeichne die Polizei weniger Straftaten. Zum dritten Mal in Folge gingen diese auch 2019 zurück. Waren es 2009 noch fast 6 Millionen Straftaten, wurden im vergangenen Jahr kaum mehr als 5,4 Millionen gezählt – und dies, obwohl die Bevölkerung gewachsen ist.
■ Überblick über die Straftaten: Die Polizei hat im vergangenen Jahr bundesweit exakt 5435401 Straftaten aufgenommen. Ohne die Berücksichtigung von ausländerrechtlichen Verstößen waren es weniger als 5,3 Millionen.
Das entspricht einem Rückgang zum Vorjahr um 2,3 Prozent. Laut Bundesinnenministerium liegt die Aufklärungsquote bei 56,2 Prozent und damit nur knapp unter dem bisherigen Höchstwert von 56,5 Prozent im Jahr 2018. Drei von vier der 1,8 Millionen Tatverdächtigen sind männlich. Etwa 30 Prozent sind Ausländer.
Hier ging die Zahl der mutmaßlichen Täter von 589200 auf 577 241 zurück.
■ Weniger Mord und Totschlag: Die Zahl der Morde und Totschlagsdelikte lag bei 2315 und ging um 156 (minus 6,3 Prozent) gegenüber 2018 zurück. Allerdings sind in der Statistik nicht die politisch motivierten Straftaten wie der
Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und dem Attentat von Halle enthalten. Diese werden in einem eigenen Bericht behandelt. Auch die Gewaltkriminalität hat abgenommen, ist um 2,3 Prozent auf 185 377 gesunken. Alarmierend: Die Zahl der Angriffe auf Polizisten, die sich um 27,5 Prozent dramatisch erhöht hat. Das sei „Ausdruck der stetigen Aggressivität gegen die Polizei“, beklagte Jörg Radek, Vizechef der Gewerkschaft der Polizei. Die Große Koalition hatte die Strafen für Angriffe auf Polizei und Rettungskräfte verschärft, die erhoffte Wirkung blieb allerdings bislang aus.
■ Niedriger Stand an Diebstahlsdelikten: Die Zahl der Diebstähle in Deutschland ist im vergangenen Jahr auf 1,82 Millionen zurückgegangen. Das ist ein Rückgang um 5,9 Prozent und damit der der niedrigste Stand seit 33 Jahren. Auffällig: Vor allem die Zahl der Wohnungseinbrüche ist erneut deutlich zurückgegangen von 167 000 auf 87 000. Hier sei die Prävention deutlich verstärkt worden, viele Wohnungen auch besser gesichert, begründete der Bundesinnenminister.
■ Deutlicher Anstieg im Bereich der Kinderpornografie: Dort ist die Zahl der registrierten Delikte um mehr als 60 Prozent auf 13 670 angestiegen. Laut Polizeistatistik gab es hier im vergangenen Jahr 11 700 Tatverdächtige, 2018 waren es 6500. „Das ist dramatisch“, erklärte Seehofer. Durch die verstärkten Ermittlungen seien hier mehr Straftaten im Dunkelfeld aufgedeckt worden. Dabei hat sich die Zahl der Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch um knapp elf Prozent erhöht. Inzwischen würden mehr Hinweise eingehen, die konsequent verfolgt würden, so der Bundesinnenminister. Kinder und Jugendliche müssten deutlich besser geschützt und mehr für die Aufklärung getan werden.
Der Bundesinnenminister beklagte zudem „die zunehmende Verrohung in unserer Gesellschaft“, die sich zwar nicht in der Kriminalstatistik widerspiegele, aber zwingend dazugehöre. „Es beginnt mit der Verrohung der Sprache und endet in konkreten Straftaten“, sagte Seehofer.