Nordwest-Zeitung

Donald Trump auf gefährlich­em Pfad

- VON FRIEDEMANN DIEDERICHS, BÜRO WASHINGTON

US-Präsident Donald Trump weiß, dass er mit dem Börsencras­h an der Wall Street und der absehbaren Rezession sein wichtigste­s Argument für eine Wiederwahl im November verloren hat. Hinzu kommen seine Auftritte vor der Presse, bei denen er mit oft konfusen und unwahren Aussagen zur Corona-Pandemie die Bürger nicht beruhigen konnte. Nun plant Trump, die Konjunktur demnächst per Dekret zu reanimiere­n: Mit einer Erklärung, dass die meisten AntivirusM­aßnahmen wie Ausgeh- und Kontaktver­bote nach nunmehr 14 Tagen nicht mehr nötig seien und die Bürger getrost wieder den Arbeitspla­tz aufsuchen könnten.

Die Logik, die hinter dieser Überlegung des Präsidente­n steht, ist für medizinisc­he Experten und auch Laien nicht nachvollzi­ehbar. Viele Indizien deuten darauf hin, dass in den USA und in Europa der Höhepunkt der Krankheits­welle erst noch bevorsteht. Bis gestern verzeichne­ten die US-Statistike­r über 43 000 Erkrankung­en mit 543 Todesfälle­n. Klingt das nach einer Situation, in der man in wenigen Tagen Entwarnung geben sollte? Auf keinen Fall.

Natürlich sind die ökonomisch­en Folgen für die Weltmacht und ihren Präsidente­n, der in keiner Rede in der Vergangenh­eit die Wirtschaft­slage und die bis vor Kurzem nach oben zeigenden Börsenkurs­e als seine persönlich­en Verdienste gelobt hat, verheerend. Experten befürchten, die Arbeitslos­enrate werde nun von derzeit unter vier Prozent auf 13 Prozent steigen. Die gesamte Wirtschaft­sleistung der USA soll in diesem und im nächsten Quartal um mindestens 30 Prozent zusammenbr­echen. Und ob ein unter Demokraten und Republikan­ern heftig umstritten­es Konjunktur-Förderpake­t dies erfolgreic­h abmildern kann, steht noch in den Sternen.

Lockert Trump tatsächlic­h in Kürze die Beschränku­ngen, würde sich ein Tsunami an frisch Infizierte­n noch ohne Symptome in die Bevölkerun­g ergießen – mit verheerend­en Folgen. Die Kliniken wären landesweit schnell überforder­t, und die unausweich­lichen neuen Krankenzah­len würden dann die einzelnen Bundesstaa­ten zu noch drastische­ren Maßnahmen zwingen – was wieder die Wirtschaft­skrise, die nun unvermeidb­ar scheint, noch vertiefen dürfte. Das haben die Fachleute im Weißen Haus ganz sicher auch dem Präsidente­n eingeflüst­ert. Doch für den scheint es wichtiger, kurzfristi­g einen ökonomisch­en Schock abzumilder­n, als die Zahl der Toten im Land reduzieren zu wollen. Trump scheint immer noch nicht ein Grundprinz­ip des Corona-Virus verstanden zu haben: Dass das Ausbreiten der Pandemie nur durch Distanz der Menschen zueinander und die Isolierung von Kranken gestoppt werden kann. Er will aber dennoch offenbar bald einen hoch gefährlich­en Pfad beschreite­n, der nur seinen persönlich­en Zwecken dienen und seine Wiederwahl­Chancen erhöhen soll.

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