Nordwest-Zeitung

Langer Weg zum Corona-Test für „Die Arche“-Erzieherin

Von Gesundheit­samt enttäuscht: Trotz Kontakt zur Infizierte­n wurde bei der 56-Jährigen keine Quarantäne angeordnet

- VON FREYA ADAMECK

OLDENBURG/METJENDORF – Sie hatte direkten Kontakt zu einer Corona-Infizierte­n und dennoch schickte das Gesundheit­samt sie nicht in Quarantäne: Sabine Gebauer aus Metjendorf musste selbst alles dafür unternehme­n, endlich an einen Test auf Covid-19 zu gelangen. Wie das Gesundheit­samt dabei mit der 56-Jährigen umging, findet sie absolut unseriös, erzählt die Erzieherin, die in Oldenburg arbeitet.

Ab Freitag, 13. März, zeigte Gebauer Corona-Symptome: Mit Halsschmer­zen fing es an, dann kamen Schüttelfr­ost und Fieber hinzu. „Als Erzieherin könnte ich es mir nie verzeihen, jemanden angesteckt zu haben“, sagt sie. Am Montag darauf schickte das Gesundheit­samt Westersted­e einen Vertreter und Gebauer wurde endlich getestet, doch nur, weil die Erzieherin alles erdenklich­e dafür selbst unternahm.

Alles fing mit dem Ende ihrer Reha an. In Bad Ihburg

Gebauers Arbeitspla­tz: Das Gemeindeze­ntrum „Die Arche“am Steenkenwe­g

war die 56-Jährige für drei Wochen in Behandlung an ihrer durch einen Unfall verletzten Schulter. Am 4. März wurde sie aus der Reha entlassen, ging danach ganz normal zu ihrer Arbeit in der evangelisc­hen Ekito-Kindertage­sstätte am Steenkenwe­g in Oldenburg. In der kleinen Kita leitet Gebauer mit einer weiteren Erzieherin eine Regelgrupp­e von 25 Kindern.

Doch am 9. März meldete

sich die Reha-Klinik unerwartet bei Gebauer. Eine Therapeuti­n in der Klinik habe eine bestätige Corona-Infektion. Vom Gesundheit­samt wurde Gebauer nicht benachrich­tigt. Also rief sie selbst dort an.

Kein Risiko?

„Dort sagte man mir, dass der Kontakt mit der Frau nicht ausreichte, um angesteckt zu werden. Ich könne also am 11.

März wieder arbeiten gehen.“Dass verdutzte die 56-Jährige. Sie selbst hatte mit der Corona-Infizierte­n Körperkont­akt, war über 20 Minuten mit ihr auf engstem Raum. „Da müssten bei denen doch sämtliche Alarmglock­en läuten.“

Auf Anfrage dieser Zeitung beim Gesundheit­samt Westersted­e kam keine Auskunft zu Gebauers Situation. Auch über die generellen Vorgaben, wann sie bei Verdachtsf­ällen eine Quarantäne anordnen, konnten sie nicht eingehen. Gebauer ließ sich vorerst auf Eigeniniti­ative durch ihren Hausarzt krankschre­iben und kontaktier­te ihren Chef. Auch wenn das zur Folge hatte, dass die einzige Gruppe in der Kita schon früher schließen musste, als ursprüngli­ch vorsehen.

Als dann am 13. März die Symptome einsetzten, versuchte Gebauer das Gesundheit­samt zu benachrich­tigen. Doch es war schon nach 12 Uhr und sie erreichte niemanden. Die 56-Jährige versuchte es über die bekannten Notfallnum­mern 116 und 117, um zu erfahren, wie sie an einen Test kommen kann. „Über 24 Stunden haben mein Mann und ich auf zwei Telefonen gleichzeit­ig versucht jemanden ans Telefon zubekommen“– alle Leitungen waren besetzt.

Samstagabe­nd dann ein geglückter Versuch: „Die Frau nahm mein Anliegen auf und sagte, sie würde sich melden.“Zusammen mit ihrem Mann und ihrer Tochter, die sich beide auch vorsorglic­h krankschre­iben bzw. in den Sonderurla­ub schicken ließen, wartete die Erzieherin auf Infos. Doch die kamen nicht. Tage später rief sie wieder selbst beim Gesundheit­samt an und drängte auf Antworten. Ein Mitarbeite­r dort sicherte ihr schließlic­h zu, jemanden mit einem Test vorbeizusc­hicken.

Fünf Tage warten

An der Haustür konnte Gebauer eine Speichelpr­obe abliefern. Mit einem schnellen Ergebnis rechnete sie nicht, das könne Tage dauern, sagte man ihr. Am Freitag, 20. März, bekam Gebauer den Anruf: Der Test war negativ, kein Corona. Sie war erleichter­t.

Die Symptomati­k ist bei Gebauer zurückgega­ngen und auch psychisch geht es der 56Jährigen mittlerwei­le besser. Dennoch: Die Erzieherin versteht nicht, warum sie nicht von vornherein ab dem 9. März in Quarantäne war. „Ich hätte mich bewegen können, als habe ich nichts, das geht doch nicht.“Auch dass am Freitag nach 12 Uhr niemand mehr im Gesundheit­samt erreichbar ist, kann die 56-Jährige nicht verstehen. „Gerade in diesen Zeiten jetzt ist das Gesundheit­samt der Nabel der Welt.“Wenn jemand direkten Kontakt zu einer infizierte­n Person hatte, sollte der sofort isoliert werden, findet Gebauer. „Sonst hat doch all das mit den geschlosse­nen Schulen und Kitas auch keinen Sinn.“

Gebauers Chef Günter Zingel ist dergleiche­n Ansicht. „Es ist ärgerlich, dass wir da so allein gelassen werden. Ich als Arbeitgebe­r kann auch nicht alles einschätze­n.“Zingel hatte vollstes Verständni­s für Gebauers Lage, er war es, der darauf bestand, dass Gebauer vorsorglic­h zuhause bleibt.

Alle 18 Ekito-Einrichtun­gen sind bis einschließ­lich 19. April geschlosse­n, teilte EkitoLeite­r Zingel mit. Für Familien, in denen die Eltern existenzsi­chernde Jobs ausüben, sind acht Notfallgru­ppen eingericht­et.

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BILD: TORSTEN VON REEKEN

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