Cäcilienbrücke dilettantisch gesprengt
Deutsche Soldaten drängten sich Ende April durch die Stadt Richtung Wilhelmshaven
Für die Kinder brach eine Welt zusammen. Die Niederlage wurde ihnen nur langsam bewusst.
OLDENBURG – Der 3. Mai 1945 – für Oldenburg ein einschneidendes Datum, das die Weichen für die Zukunft stellen sollte. Die Stadt blieb vergleichsweise unzerstört und wurde den anrückenden alliierten Truppen kampflos übergeben.
Das Geschehen kurz vor dem Kriegsende ist Ernst Georg Lühring lebhaft im Gedächtnis geblieben. Er war ein kleiner zehn Jahre alter Junge, der an der Dammbleiche 7 aufwuchs. Heute wohnt er in Huntlosen im Landkreis Oldenburg. In seinem Buch „Von St. Lamberti zu St. Briccius“hält er das damals Erlebte fest:
„Ganz wenige Tage vor der Kapitulation der Stadt Oldenburg am 2./3. Mai 1945 drängten sich Teile der zurückweichenden, versprengten, deutschen Kampfverbände durch die Stadt, was wir Jungen natürlich wachen Auges und spitzen Ohres verfolgten, kamen wir doch nur so in direkten Kontakt mit allerlei Kriegsgerät, als da waren MPs, Karabiner, Handgranaten und dergleichen mehr. Dass „das dicke Ende“unmittelbar bevorstand, hatten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht realisiert, zumal Goebbels gegen Ende April noch getönt hatte, dass „Berlin deutsch bliebe und Wien wieder deutsch würde“!
Zunächst nur Gerüchte
Hartnäckig hielt sich die Meldung in der Straße, in Osternburg seien deutsche Soldaten wegen „Feigheit vor dem Feinde“aufgehängt worden, desgleichen am Pferdemarkt. Das Gerücht erwies sich bald als brutale Wahrheit: An den Laternenmasten im Kreuzungsbereich der Bremer-, Stedinger- und Cloppenburger Straße hatte man Soldaten aufgehängt, ihre Uniformen waren zerrissen, einer der Exekutierten war offenbar abgestürzt, er lag mit blutigem Schädel unter einer Laterne. Solche Eindrücke vergehen nie!
Damals war meine Einstellung zum Geschehen in erheblichen Zwiespalt geraten! Der ist heute längst beseitigt, geblieben ist jedoch das Bild! Die Henker sind meines Wissens nie zur Verantwortung gezogen worden, in ähnlich gelagerten Fällen hat man allerdings von den Verantwortlichen Rechenschaft verlangt (z.B. im Prozess „Esterwegen“!).
Unklar war einige Tage vor Kriegsschluss, ob die Stadt Oldenburg verteidigt, also zur Festung erklärt, oder kampflos an die Kanadier übergeben werden sollte. Prophylaktisch
Ein Freudentag: Die Aufnahme zeigt vor der Jahnturnhalle an der Straße Lindenhofsgarten die Befreiung französischer Kriegsgefangener am 3. Mai 1945. ordnete unsere Kreisleitung jedenfalls an, dass alle Bürger ihre Sport- und Jagdgewehre, sofern sie denn welche im Hause hätten, abgeben sollten, da der Feind nach „Kriegsrecht“jeden Zivilisten standrechtlich erschießen würde, fände man Waffen bei ihm! Deswegen beauftragte eine besorgte Nachbarin an der Dammbleiche Heinz Gerritzen und mich damit, die Doppelflinte ihres Mannes samt Munition zur Sammelstelle am Stau zu bringen.
„Natürlich“war das die Gelegenheit für uns, zuvor auf dem Kleingartengelände an der Nordstraße eine „Holzbude mit Herz“unter Beschuss zu nehmen! Das konnte nicht lange gut gehen! Schon nahte das Geschick in Gestalt eines Uniformierten vom nahen Gefangenenlager an der Stedinger Straße: Es setzte ein paar kräftige Ohrfeigen, und damit waren Gewehr und Munition „abgegeben“!
Von Haus zu Haus
Andern Tags gingen Soldaten von Haus zu Haus und warnten uns Bewohner, dass
Georg Lühring
Ernst in Kürze die beiden Brücken (Amalien- und Cäcilienbrücke) gesprengt würden, wir sollten daher alle Fenster aufstellen, damit diese durch den Explosionsdruck nicht herausflögen! Ich hatte am Tag zuvor schon gesehen, dass Pioniere zur Vorbereitung der Aktion Dynamitladungen und auch Fliegerbomben unter den beiden Brücken angebracht hatten.
Um 12 Uhr knallte es dann gehörig! Wie verdutzt waren wir aber, als wir nachmittags „zur Inspektion“bei den Brücken erschienen: Die Wucht der Explosion hatte man gerade die Brückenkörper etwas angehoben und angebrochen, die Türme waren weitgehend unversehrt geblieben. Natürlich konnte ein Panzer oder ein Lkw nicht mehr darüberfahren, in unseren Augen war das aber „schlechte Arbeit“gewesen, auf Grund der gewaltigen Donnerschläge hatten wir jedenfalls eine andere Wirkung erwartet!
Hitler hatte besonders uns Jungen der NAPOLAs, der Adolf-Hitler-Schulen und der Ordensburgen zu „Garanten der Zukunft Großdeutschlands“erklärt, ohne Zweifel also ein Prädikat, auf das wir ungemein stolz sein durften! Die Wirkung dieser Auszeichnung war denn auch so nachhaltig, dass – als am 3. Mai 1945 in Oldenburg „alles vorbei“war – den Nachbarn der Schrecken in die Glieder fuhr, wenn Jungmann Lühring sie zackig mit erhobenem rechten Arm und vernehmlichem „Heil Hitler“grüßte! Nachdem das einige Male passiert und mir eine entsprechende „Vergatterung“zuteilgeworden war, ging auch mir schließlich ein - wenn auch noch etwas flackerndes Licht auf! (...)
Reichlich Lebensmittel
Kurz vor Kriegsschluss konnten wir uns mit Lebensmitteln noch reichlich eindecken: Die Vorratslager waren großzügig unter der Bevölkerung aufgeteilt worden, die Butter in den Fässern wurde mit dem Spaten auf- und den Familien eimerweise zugeteilt, Konserven, Tabak und auch Alkohol rundeten die Sonderzuteilungen ab. Kartoffeln und Gemüse lieferte der eigene Garten vorläufig noch in genügender Menge.
In unserer Familie hatte dieser verdammte Krieg aber alles durcheinandergebracht: Mein Vater Hinrich war am 21. April 1945 abends gegen 18 Uhr infolge eines Luftangriffes alliierter Jagdbomber vom Typ „Mitchell B-25“auf dem Oldenburger Hauptbahnhof zu Tode gekommen, als er dort in Vertretung für einen Kollegen Dienst tat. Von Bruder Hermann, der sich zuletzt Anfang März 1945 mit Geburtstagsgrüßen an seine Eltern Else und Hinrich unter einer Feldpostnummer „60813 MAR P.A. Wien“gemeldet hatte, war schon länger kein Lebenszeichen mehr eingetroffen, so dass besonders meine Mutter Else, in schlimmer Erinnerung an die Meldung des Kriegsministeriums 1918, dass ihr Schwager Hermann Lühring „als vermisst gemeldet“werden müsse, schon ein gleiches Schicksal für ihren Sohn befürchtete. (...)“Hermann stand dann im Spätsommer 1945 unerwartet und gesund vor der Tür.