Nordwest-Zeitung

Leiser Protest gegen Gottesdien­stverbot

Amtskirche­n nehmen staatliche Regelung hin, Traditiona­listen grummeln

- VON CARSTEN HOEFER

Für die Kirchen hat die Corona-Krise paradoxe Folgen: Erstmals in der Geschichte des Abendlands gibt es weitreiche­nde Gottesdien­stverbote in mehreren europäisch­en Ländern. Das ist eine historisch­e Abkehr von der Tradition. Gleichzeit­ig steigt aber das Interesse an Religion.

In Mittelalte­r und früher Neuzeit kamen todbringen­de Seuchen nahezu regelmäßig vor. Die große Pestepidem­ie – der „Schwarze Tod“1348/49 – löschte mancherort­s große Teile der Bevölkerun­g aus. Doch war es selbstvers­tändlich, dass sich Christen gerade in Epidemieze­iten versammelt­en. Um göttliche Hilfe zu erbitten, um Sühne zu leisten und auch um Trost zu suchen.

„In vormoderne­n Gesellscha­ften haben religiöse Traditione­n die gesamte Kultur überwölbt“, sagt Religionss­oziologe Detlef Pollack von der Uni Münster. „Immer spielte die Religion die alles entscheide­nde Rolle.“Heute gälten verschiede­ne Logiken. „Etwa eine Logik der Religion, eine Logik des Rechts, eine Logik der Wirtschaft, eine Logik des Gesundheit­swesens – und dabei kommt es zu Konflikten.“Das ist in der Corona-Krise sichtbar. „Medizinisc­he Notwendigk­eiten können in Widerspruc­h zu dem menschlich­en Bedürfnis nach Trost und Zuspruch treten, wie es in der Religion seinen Ausdruck findet“, sagt Pollack.

Gottesdien­ste fielen damals manchmal aus, wenn die Priester selbst einer Epidemie zum Opfer fielen. Doch Verbote wären allein deshalb schwer vorstellba­r gewesen, weil Europas Herrscherh­äuser sich zur Legitimati­on ihrer Herrschaft auf Gott beriefen.

Für traditiona­listisch eingestell­te Katholiken ist – ebenso wie für evangelika­le Protestant­en – auch heute noch eine

Oberhoheit des Staats über den Glauben nicht akzeptabel. Nachzulese­n ist das im Internet-Forum kath.net: „Wäre noch ein Glaube vorhanden, wäre die Heilige Messe gegenüber dem Staat verteidigt worden“, schreibt ein Nutzer namens Diadochus dort in einem Kommentar.

Zu den „Rebellen“zählt auch Franz Xaver Brandmayr, Rektor des Päpstliche­n Instituts Collegio Teutonico in Rom. Wenn ein Gläubiger die Kommunion empfangen wolle, werde er das nicht verweigern, so der Geistliche zu den „Vatican News“. „Da hört für mich der Gehorsam auf.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany