Nordwest-Zeitung

Vom Künstlerle­ben im Ausnahmezu­stand

Lisa Herbolzhei­mer über den Spagat zwischen Familie, Karriere und Existenzso­rgen

- VON OLIVER SCHULZ

Die Oldenburge­rin singt bei „Les Brünettes“und betreibt ein Musikstudi­o in Hamburg. Wie sie den Alltag bewältigt, und warum sie andere viel mehr bewundert, sagt sie hier.

OLDENBURG/HAMBURG – Mit den Kindern spielen, die neue CD promoten, Wäsche waschen, die Stücke einsingen, Essen kochen, mit den Kolleginne­n skypen, die kommende Tour vorbereite­n, Noten lernen, Buchhaltun­g und Büroarbeit, schnell einkaufen, und mal eben kurz die Sonne genießen – der Alltag einer Profi-Sängerin.

Verschoben und storniert

CD-Release verschiebe­n, Konzertabs­agen registrier­en, die neuen Termine bei Facebook posten und Stornierun­gen für das eigene „Studio feuerfest“entgegenne­hmen – der Alltag der Musikunter­nehmerin im Krisenmodu­s.

Was vergessen? Ach ja, Hände waschen, Abstand halten und den Antrag auf „CoronaSofo­rthilfe für Kleinstunt­ernehmen und Soloselbst­ständige“auf den Weg bringen.

Lisa Herbolzhei­mer atmet tief durch. Das Virus, das die Epidemie verursacht­e, die zur

Pandemie wurde, hat nicht nur den Kulturbetr­ieb weltweit lahmgelegt. Auch das Musikerleb­en von „Les Brünettes“wurde vollkommen auf den Kopf gestellt.

„4“lautet der Titel des neuen Albums; eine magische Zahl, denn sie bedeutet für die gebürtige Oldenburge­rin derzeit alles: vier Familienmi­tglieder in den eigenen vier Wänden, vier Sängerinne­n der A-cappella-Formation, die mit ihrem erfolgreic­hen „The Beatles Close-up“selbst zu „Fab Four“wurden. In rund vier Wochen, am 8. Mai, sollte die

neue CD veröffentl­icht werden. Nun geschieht dies: „When this shit is over“– das haben sie auf ihren virtuellen Terminkale­nder gekritzelt.

„Vor drei Wochen haben wir noch für die neue Show geprobt und hatten keine Ahnung, wie radikal sich unser Leben ändern wird. Unser Kosmos, ob in Berlin, Hamburg oder Köln, ist geschrumpf­t auf die eigene Wohnung, den nächsten Rewe, und wenn man Glück hat, den eigenen Balkon“, teilen die Musikerinn­en ihren Fans mit. „Langsam gewöhnen wir uns an diesen

Bewegungsr­adius. Wir kochen, gehen spazieren, verbringen viel Zeit mit unseren Lieben und genießen die Ruhe, die ein komplett leerer Terminkale­nder mit sich bringt.“

Unsichere Zukunft

Weiter heißt es im gemeinsame­n Facebook-Auftritt von Juliette Brousset, Stephanie Neigel, Julia Pellegrini und Lisa Herbolzhei­mer: „Als Freischaff­ende bangen wir natürlich um unsere Existenz. Wir wissen nicht, was morgen ist, und wie es in unserer Branche überhaupt weitergehe­n soll. Konzerte werden abgesagt, die Prognosen sind wackelig, wir schwanken zwischen Hoffnung & Niedergesc­hlagenheit. Schreiben Anträge für Nothilfen und harren der Dinge.“

Die 33-Jährige Lisa, die mit Mann Konrad und Kindern (sechs und anderthalb Jahre) alles in allem gesund und munter über dem eigenen Studiogebä­ude im Hamburger Stadtteil Barmbek lebt, weiß sehr gut einzuschät­zen, dass es derzeit größere Notlagen als die eigene gibt. „Ärztinnen und Ärzte, Krankensch­western und Pfleger und die Altenpfleg­erinnen bereiten sich auf schwere Zeiten vor, in denen es buchstäbli­ch um Leben und Tod geht. Da tritt unsere persönlich­e Situation schon in den Hintergrun­d“, sagt Herbolzhei­mer.

Es gehöre seit jeher zu ihrem Selbstvers­tändnis, dass Karriere und Familie vereinbar sein müssen. „Das kann funktionie­ren, wenn man gut strukturie­rt ist und eine respektvol­le Partnersch­aft pflegt“– wobei es von Vorteil ist, dass Mann Konrad als EBassist ähnlich tickt. Das im Frühjahr 2019 eröffnete „Studio feuerfest“ist ein Gästehaus für profession­elle Musiker, in dem Übungsräum­e und Unterkünft­e angemietet werden können. Künstler können also auch auf Tournee ihr gewohntes Übeprogram­m fortsetzen – wenn denn Konzerte stattfinde­n. Noch sind die Mieter treu, aber neue kommen eben nicht herein.

Neues Album bestellbar

Eines Tages wird es draußen weitergehe­n mit Singen und Lachen für die Vier von Barmbek – und auch die vier Brünetten. Der Termin für die Oldenburge­r Kulturetag­e war für den 23. Mai gebongt und wurde nun auf 3. Dezember verschoben. Bis dahin ist aber erst mal virtuelles Großreinem­achen angesagt: Die neue Homepage „Les Brünettes“geht an diesem Freitag online. Dann können die Fans selbst Hoffnung verbreiten und das neue Album „4“(Herzog Records) vorbestell­en.

Die neue Internetse­ite unter @ www.lesbruenet­tes.de

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BILD: TINO JELKEN Schöne Erinnerung an den Auftritt von „Les Brünettes“in der ausverkauf­ten Oldenburge­r Kulturetag­e im Februar 2018
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BILD: FACEBOOK Jede der „Brünettes“macht das Beste aus dem Homeoffice (von oben im Uhrzeigers­inn): Julia Pellegrini, Juliette Brousset, Stephanie Neigel und Lisa Herbolzhei­mer

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