Vom Künstlerleben im Ausnahmezustand
Lisa Herbolzheimer über den Spagat zwischen Familie, Karriere und Existenzsorgen
Die Oldenburgerin singt bei „Les Brünettes“und betreibt ein Musikstudio in Hamburg. Wie sie den Alltag bewältigt, und warum sie andere viel mehr bewundert, sagt sie hier.
OLDENBURG/HAMBURG – Mit den Kindern spielen, die neue CD promoten, Wäsche waschen, die Stücke einsingen, Essen kochen, mit den Kolleginnen skypen, die kommende Tour vorbereiten, Noten lernen, Buchhaltung und Büroarbeit, schnell einkaufen, und mal eben kurz die Sonne genießen – der Alltag einer Profi-Sängerin.
Verschoben und storniert
CD-Release verschieben, Konzertabsagen registrieren, die neuen Termine bei Facebook posten und Stornierungen für das eigene „Studio feuerfest“entgegennehmen – der Alltag der Musikunternehmerin im Krisenmodus.
Was vergessen? Ach ja, Hände waschen, Abstand halten und den Antrag auf „CoronaSoforthilfe für Kleinstunternehmen und Soloselbstständige“auf den Weg bringen.
Lisa Herbolzheimer atmet tief durch. Das Virus, das die Epidemie verursachte, die zur
Pandemie wurde, hat nicht nur den Kulturbetrieb weltweit lahmgelegt. Auch das Musikerleben von „Les Brünettes“wurde vollkommen auf den Kopf gestellt.
„4“lautet der Titel des neuen Albums; eine magische Zahl, denn sie bedeutet für die gebürtige Oldenburgerin derzeit alles: vier Familienmitglieder in den eigenen vier Wänden, vier Sängerinnen der A-cappella-Formation, die mit ihrem erfolgreichen „The Beatles Close-up“selbst zu „Fab Four“wurden. In rund vier Wochen, am 8. Mai, sollte die
neue CD veröffentlicht werden. Nun geschieht dies: „When this shit is over“– das haben sie auf ihren virtuellen Terminkalender gekritzelt.
„Vor drei Wochen haben wir noch für die neue Show geprobt und hatten keine Ahnung, wie radikal sich unser Leben ändern wird. Unser Kosmos, ob in Berlin, Hamburg oder Köln, ist geschrumpft auf die eigene Wohnung, den nächsten Rewe, und wenn man Glück hat, den eigenen Balkon“, teilen die Musikerinnen ihren Fans mit. „Langsam gewöhnen wir uns an diesen
Bewegungsradius. Wir kochen, gehen spazieren, verbringen viel Zeit mit unseren Lieben und genießen die Ruhe, die ein komplett leerer Terminkalender mit sich bringt.“
Unsichere Zukunft
Weiter heißt es im gemeinsamen Facebook-Auftritt von Juliette Brousset, Stephanie Neigel, Julia Pellegrini und Lisa Herbolzheimer: „Als Freischaffende bangen wir natürlich um unsere Existenz. Wir wissen nicht, was morgen ist, und wie es in unserer Branche überhaupt weitergehen soll. Konzerte werden abgesagt, die Prognosen sind wackelig, wir schwanken zwischen Hoffnung & Niedergeschlagenheit. Schreiben Anträge für Nothilfen und harren der Dinge.“
Die 33-Jährige Lisa, die mit Mann Konrad und Kindern (sechs und anderthalb Jahre) alles in allem gesund und munter über dem eigenen Studiogebäude im Hamburger Stadtteil Barmbek lebt, weiß sehr gut einzuschätzen, dass es derzeit größere Notlagen als die eigene gibt. „Ärztinnen und Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger und die Altenpflegerinnen bereiten sich auf schwere Zeiten vor, in denen es buchstäblich um Leben und Tod geht. Da tritt unsere persönliche Situation schon in den Hintergrund“, sagt Herbolzheimer.
Es gehöre seit jeher zu ihrem Selbstverständnis, dass Karriere und Familie vereinbar sein müssen. „Das kann funktionieren, wenn man gut strukturiert ist und eine respektvolle Partnerschaft pflegt“– wobei es von Vorteil ist, dass Mann Konrad als EBassist ähnlich tickt. Das im Frühjahr 2019 eröffnete „Studio feuerfest“ist ein Gästehaus für professionelle Musiker, in dem Übungsräume und Unterkünfte angemietet werden können. Künstler können also auch auf Tournee ihr gewohntes Übeprogramm fortsetzen – wenn denn Konzerte stattfinden. Noch sind die Mieter treu, aber neue kommen eben nicht herein.
Neues Album bestellbar
Eines Tages wird es draußen weitergehen mit Singen und Lachen für die Vier von Barmbek – und auch die vier Brünetten. Der Termin für die Oldenburger Kulturetage war für den 23. Mai gebongt und wurde nun auf 3. Dezember verschoben. Bis dahin ist aber erst mal virtuelles Großreinemachen angesagt: Die neue Homepage „Les Brünettes“geht an diesem Freitag online. Dann können die Fans selbst Hoffnung verbreiten und das neue Album „4“(Herzog Records) vorbestellen.
Die neue Internetseite unter @ www.lesbruenettes.de