Grausame Geschichte
Grausames Geschehen in Osternburg wenige Tag vor Ende des Zweiten Weltkriegs
In den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges wurden im April 1945 zur Abschreckung Deserteure hingerichtet und an Laternen aufgehängt...
Die Männer wurden erhängt bzw. erschossen. Die Darstellungen gehen zum Teil auseinander.
OSTERNBURG – Sie gehören zu den schwärzesten Stunden, die die Stadt in ihrer Geschichte erlebt hat. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges wurden am 25. April 1945 zur Abschreckung und als mahnende Beispiele von den Nazis vermeintliche Deserteure hingerichtet und an die Laternen an der Kreuzung Bremer Straße/Stedinger Straße/Cloppenburger Straße gehängt.
Einige Oldenburger erinnern sich gut daran. Der orthopädische Schumacher Kurt Döding (84) beispielsweise, der beim Jungvolk auf dem Schlossplatz, an dem auch sein Elternhaus steht, gedrillt wurde: „Eines Tages wurden wir zu der Kreuzung nach Osternburg geführt, um uns die Toten anzuschauen. Den Anblick habe ich mein ganzes Leben lang nie vergessen.“
Sonderstandgericht
Eingerichtet und besetzt wurde damals ein Sonderstandgericht am Kielweg in Bümmerstede von der im Großraum Oldenburg befehlführenden 1. Fallschirm-Armee, schreibt der mittlerweile verstorbene Historiker HansPeter Klausch. Nachzulesen ist das im Brieftagebuch von Anneliese Ebel: „Es ist ein Standgericht von drei Fallschirmoffizieren zusammengetreten und hat dies Urteil wegen Feigheit vor dem Feind gefällt und vollstreckt“, heißt es darin.
Es gibt noch eine weitere Zeitzeugin, die das Geschehen beobachtet hat. Beteiligt gewesen sind demnach auch SS-Angehörige. Der Bericht stammt von Wilma Fricke, die im Alter von 27 Jahren unmittelbare Augenzeugin wurde. Sie beob
das Grauen aus dem Küchenfenster der elterlichen Wohnung im Obergeschoss des Hauses Cloppenburger Straße 6 heraus. Nach ihrem Bericht, der in einem zeitlichen Abstand von rund 45 Jahren abgefasst wurde, begann das grausame Geschehen gegen 19 Uhr, als die Bremer und die Stedinger Straße von Uniformierten abgesperrt wurde: „Vor unserem Haus hielt ein großer LKW mit Soldaten, SS und Fallschirmjägern, welche die Absperrung machten. Dann wurde auch unsere Straße gesperrt. Zwei junge Mädchen mit Fahrrädern, die von Bümmerstede kamen, wollten in die Innenstadt nach Hause. Sie mussten die Cloppenburger Straße wieder zurückfahren. ( .... ) An dem Laternenmast bei der alten Pastorei (Bremer Straße 25)
Erinnert sich: Margot Wittmann (90)
wurde ein dickes Seil befestigt. Warum und weshalb war mir schleierhaft. Dann sah ich, wie die Soldaten mit den Gewehren von dem LKW einen Obergefreiten und einen Unteroffizier in der Mitte hatten (...). Es wurde eine Leiter an den Mast gestellt, und der Unteroffizier
sollte raufklettern, er weigert sich, dann hörte ich einen Knall und sah, wie der Mann zur Erde fiel – also erschossen. Dann kam der Obergefreite dran, er musste seinen Kopf durch die Schlinge stecken und wurde erhängt.“
Es gibt auch eine Version, in der der Unteroffizier erschossen wurde, weil der Strick gerissen war. Wieder andere behaupten, dass der Mann erschossen und dann gehängt wurde, der Strick aber riss. Wie so oft gehen die Erinnerungen auseinander. Fakt ist, dass sich an der Kreuzung grausame Szenen abgespielt haben.
Von zwei Erhängten berichtet auch Inge Johnsen (Jahrgang 1931), die mit einer Nachbarin als Radfahrerin unterwegs war: „Wir gingen hin und lasen die Schilder, die an ihrer Uniform befestigt waren: Naachtete
men, Alter, Daten etc. Sie wurden hingerichtet und der Bevölkerung zur Abschreckung zur Schau gestellt. Auf den Schildern stand (in etwa): Sie wollten nicht mehr für das Vaterland kämpfen, sie waren Deserteure.“
Verantwortlichkeiten
Augenzeugin ist auch Margot Wittmann (geborene Ehlers). Die 90-Jährige wuchs als Tochter des Hausmeisterehepaares der Turnhalle von „Glück auf“am Uhlenweg in Osternburg auf. Sechs Wochen vor Kriegsausbruch wurde ihr Vater eingezogen, erst sechs Jahre später sollte er endgültig wiederkommen. Den häufigen Fliegeralarm hat sie in Erinnerung, Einquartierungen von Soldaten, Bombardierungen, aber auch und vor allem den schrecklichen Anblick der gehängten Soldaten. Das Kriegsende hat sie mit ihrer Familie im Keller erlebt: „Als nichts geschah, kamen wir wieder raus – der Krieg war Gott sei Dank für uns vorbei.“Später hat sie als Lebensmittelverkäuferin in einem kleinen Geschäft neben Horten (heute Galeria) gearbeitet.
Die Berichte werfen die Frage nach den Verantwortlichen auf. Nach einer Mitteilung des mittlerweile ebenfalls verstorbenen Stadtarchivars Joachim Schrape wird der NSDAP-Ortsgruppenleiter von Osternburg, Emil Hofmann, von etlichen Oldenburgern als treibende Kraft bei den Erhängungen bezeichnet. Tatsächlich waren zum Ende des Krieges deutsche Einheiten unterwegs, um Deserteur aufzuspüren. Erzählungen zufolge, soll einer der später an der Kreuzung Erhängten im Moor vor den Toren der Stadt gefunden worden sein. Er hatte sich in Anbetracht der vorrückenden Kanadier versteckt. Wohl wissend, dass weiterer Widerstand zwecklos war.
Sinnloses Sterben
Der Tod der beiden Männer war wie der von vielen Millionen im Zweiten Weltkrieg getöteten Menschen auch völlig sinnlos. Die deutschen Truppen hatten den Alliierten nichts mehr entgegenzusetzen. Zum Glück für die Stadt wurde am 2. Mai 1945 der Kanal und damit auch Oldenburg als Hauptkampflinie aufgegeben. Die Deutschen zogen sich Richtung Wilhelmshaven zurück, um den strategisch wichtigen Reichskriegshafen zu verteidigen – auch das war ein aufgrund der militärischen Übermacht der Alliierten aussichtsloser Plan. Nach dramatischen Stunden wurde Oldenburg am 3. Mai 1945 den Kanadiern kampflos übergeben. Der völligen Zerstörung war die Stadt im letzten Moment entkommen.