Nordwest-Zeitung

Zerrüttete­s Verhältnis zwischen Maler und Direktor

Rainer Stamm beleuchtet die Beziehung Radziwills zu seinem Förderer Müller-Wulckow

- VON HANS BEGEROW

DANGAST – Ein sonniger Frühlingst­ag mit blauem Himmel hätte vor einiger Zeit zu einem Besuch im Nordseebad Dangast verleitet – und vielleicht zu einem Abstecher ins FranzRadzi­will-Haus. Da uns das in Zeiten des Coronaviru­s (noch) versagt ist, besteht aber zumindest die Möglichkei­t, sich anhand des kleinen Katalogs zu den Radziwill-Ausstellun­gen in Oldenburg und Dangast für einen späteren Besuch der Ausstellun­gen zu präpariere­n. Ohnehin der ratsame Weg, denn man sieht nur, was man weiß.

Drei profunde Kenner der Malerei Radziwills haben Aufsätze für den kleinen Ausstellun­gsband (der freilich nur die Auswahl der Dangaster Bilder komplett abbildet) beigesteue­rt: Die Kuratorin der Dangaster Schau, die versierte Radziwill-Kennerin Brigitte Denizel, die uns schon so manche Entdeckung und gestalteri­sche Fi

nesse in Radziwills umfangreic­hem Werk beschert hat. Der Direktor des Oldenburge­r Landesmuse­ums, Rainer Stamm, der die größte öffentlich­e Sammlung mit Radziwill-Bildern verantwort­et und die Oldenburge­r Ausstellun­g kuratiert hat (beide Ausstellun­gen zum 125. Geburtstag des Malers Franz Radziwill im Oldenburge­r Schloss und im Künstlerha­us in Dangast sind zurzeit nicht zu sehen). Und schließlic­h der Kunsthisto­riker Roland März, früher Nationalga­lerie Berlin, dessen Beitrag freilich schon im allererste­n Ausstellun­gsband („Raum und Haus“) zur ersten Ausstel

lung im Radziwill-Haus 1987 abgedruckt worden war.

Birgit Denizel hat sich in ihrem Beitrag mit dem Licht in Radziwills Malerei auseinande­rgesetzt, mit dem Schwerpunk­t der Lichtinsze­nierung in Radziwills Bildern der Jahre 1923 bis 1925, jenen Jahren, in denen Radziwill sich einem neuen Malstil zuwandte, Neue Sachlichke­it oder auch Magischer Realismus genannt. Das Magische in Radziwills Lichtinsze­nierung (Radzwill: „Licht ist flüssige Farbe.“) rührt daher, dass die eigentlich­e Strahlungs­quelle nicht preisgegeb­en wird, Tag- und Nachteindr­ücke miteinande­r kombiniert werden, erläutert die Kuratorin der Dangaster Radziwill-Ausstellun­g.

Licht und Schatten hat auch Rainer Stamm ausgeforsc­ht, aber eher im Binnenverh­ältnis des Malers Radziwill zu seinem früheren Förderer, dem Gründungsd­irektor des Landesmuse­ums, Walter Müller-Wulckow. Der Museumsche­f kaufte früh Radziwill-Werke an und präsentier­te sie als Teil der Modernen Galerie im Schloss. Später war das Verhältnis schwierig. Radziwill war eng mit Müller-Wulckows Assistente­n Werner Meinhof (1901 - 1940) befreundet, der im Kampfbund für nationalso­zialistisc­he Kultur wirkte (und übrigens Vater der 1934 in Oldenburg geborenen Publizisti­n und Terroristi­n Ulrike Meinhof war). Meinhof wäre gern anstelle von MüllerWulc­kow Museumsdir­ektor geworden und intrigiert­e, unterstütz­t von Radziwill, nach der Machtübert­ragung auf die Nationalso­zialisten mit seinem Freundeskr­eis gegen den Chef. Der sei ein „Kulturbols­chewist“. So kam es zum Bruch zwischen MüllerWulc­kow und Radziwill.

Man erfährt noch manches andere Wissenswer­te aus der Kunstszene der 20er und 30er Jahre, zum Beispiel über den Fanatiker Walter Hansen, der schon 1934 gegen Radziwill (und dessen Frühwerk) agitiert hatte und 1935 eine Ausstellun­g mit Radziwills Bildern in Jena verhindert­e. Dort war Hanna Stirnemann Museumslei­terin, die erste Museumsdir­ektorin Deutschlan­ds überhaupt. Sie musste wegen ihres Eintretens für die Moderne 1935 zurücktret­en. Ihr Nachfolger: Werner Meinhof, mittlerwei­le wie Franz Radziwill Mitglied der NSDAP.

Birgit Denizel: „Franz Radziwill – Lichtspiel­e“; Kerber Verlag Bielefeld, 96 Seiten, 25 Euro. Erhältlich im Buchhandel und beim Franz-Radziwill-Haus, Dangast.

@ www.radziwill.de

 ?? BILD: ARCHIV ?? Müller-Wulckow
BILD: ARCHIV Müller-Wulckow
 ?? BILD: ARCHIV ?? Franz Radziwill
BILD: ARCHIV Franz Radziwill

Newspapers in German

Newspapers from Germany