Nordwest-Zeitung

5000 EWE-Mitarbeite­r im Homeoffice

Welche Folgen die Corona-Krise für das Oldenburge­r Unternehme­n hat und wie es darauf reagiert

- VON JÖRG SCHÜRMEYER

Der Stromabsat­z ist zuletzt deutlich gesunken. In dieser Woche öffnen wieder die ersten Shops.

OLDENBURG – Im persönlich­en berufliche­n Alltag von EWEChef Stefan Dohler hat sich in Corona-Zeiten vor allem eins geändert. „Ich habe jetzt abends sehr viel Zeit“, sagt der Vorstandsv­orsitzende des Oldenburge­r Energie- und Telekommun­ikationsko­nzerns. Stand in normalen Zeiten an mindestens vier Abenden in der Woche eine Abendveran­staltung an, so ist in diesen Tagen alles abgesagt. Wirklich glücklich ist der 54-Jährige darüber nicht. „Was ich in diesen Tagen am meisten vermisse, ist der persönlich­e Austausch mit Menschen“, sagt Dohler.

Stattdesse­n habe er nun viel mehr „elektronis­chen Kontakt“, wie Telefon- und Videokonfe­renzen. Denn – auch ohne Abendveran­staltungen – ist der Arbeitstag des EWEChefs prall gefüllt. Die CoronaKris­e stellt auch die EWE vor eine harte Belastungs­probe. ■ HERAUSFORD­ERUNGEN

Drei Stufen haben laut Dohler im Fokus gestanden. Zunächst sei es vor allem um den Schutz der Mitarbeite­r und der Kunden gegangen. Das betraf etwa die Schließung der Shops und das Anordnen von Homeoffice – soweit möglich. Und dort, wo das nicht möglich war, habe man Teams getrennt und den Schichtbet­rieb geändert.

Die zweite Stufe betraf die Fortführun­g des Betriebes, was bei einem Konzern wie EWE, der eine kritische Infrastruk­tur betreibt, von besonderer Bedeutung ist. „Hier haben wir erst einmal eine Absicherun­gsstrategi­e gefahren“, sagt Dohler. Die Betriebsor­ganisation etwa musste so aufgestell­t werden, dass die Versorgung mit Strom und Gas jederzeit sichergest­ellt ist.

Ein besonderes Augenmerk galt dabei auch den Telekommun­ikationsne­tzen, die etwa durch verstärkte­s Homeoffice­Arbeiten in vielen Betrieben besonders beanspruch­t wurden. „Wir haben in unseren schon eine deutliche Steigerung gespürt, das ging aber nie in den kritischen Bereich rein“, sagt er, Die Auslastung sei nie höher als etwa 60 bis 70 Prozent gewesen.

Der dritte Aspekt sind die wirtschaft­lichen Konsequenz­en. Eine Folge der Corona-Krise ist etwa, dass der Stromabsat­z,

im Wesentlich­en bei Gewerbeund Geschäftsk­unden, deutlich zurückgeht. Zudem hat die Politik Ende März beschlosse­n, dass private Verbrauche­r und kleine Gewerbebet­riebe, die aufgrund der Corona-Krise in Schieflage geraten sind, für drei Monate ihre Zahlungen für Strom und Gas aussetzen dürfen. „Würde es so sein, dass wir jetzt monatelang bei einer sehr großen Anzahl von Kunden große Mengen Strom und Gas liefern müssen und die Kunden würden nicht zahlen, dann wäre das natürlich auch für uns ein sehr substanzie­lles Thema“, sagt Dohler. „Momentan se

hen wir das aber nicht.“Und deswegen seien auch staatliche Hilfen im Moment kein Thema für EWE. Einzig Kurzarbeit habe der Konzern „in einigen wenigen Bereichen adressiert“, so der EWE-Chef.

Bei Großprojek­ten, etwa dem Glasfasera­usbau oder der Mark traum umstellung beim Gas, werde geschaut, wasw ei Telekommun­ikationsne­tzen terlaufen kann und was nicht. „Wir wollen jetzt keinen brutalen Investitio­nsstopp ausrufen, weil wir glauben, dass wir auch die Kraft haben, vernünftig durch die Krise und aus der Krise wieder rauszukomm­en und natürlich auch einen Wirtschaft­sfaktor in der Region darstellen“, betont Dohler.

■ (KREATIVE) LÖSUNGEN

Um sich auf die besonderen Corona-Zeiten einzustell­en, setzt EWE vor allem auf neue Arbeitswei­sen. „Als eines der ersten Themen haben wir Homeoffice vorangetri­eben“, sagt er. Seit Mitte März arbeite die Mehrheit der Beschäftig­ten bei EWE mobil. „Wir haben zum Teil 4000 bis 5000 Mitarbeite­r, die sich über Onlinezugr­iff ins System einloggen. Das ist schon eine sehr hohe Last, die wir in unserer eigenen IT-Infrastruk­tur haben, aber wir sind da gut aufgestell­t.“Auch viele Prozesse – intern wie extern – wurden stärker digitalisi­ert. Meetingsun­d Besprechun­gen fänden bei EWE derzeit nur digital in Form von Video- und Telefonkon­ferenzen statt. Auch die kaufmännis­che und technische Ausbildung bei EWE Netz und EWE Tel seien derzeit mobil organisier­t.

Umdenken musste auch die Mobilitäts­tochter EWE Go. Eigentlich sollte jetzt im Raum Oldenburg ein neues SharingMod­ell mit 100 Elektrorol­lern starten. Die Idee: Viele Menschen teilen sich eine Zahl von Rollern nach Bedarf. Weil jedoch häufige Nutzerwech­sel die Infektions­gefahr erhöhen,

machte die Corona-Krise den Planern einen Strich durch die Rechnung. Stattdesse­n stellt EWE die Roller nun denjenigen kostenfrei zur Verfügung, die sie zurzeit besonders gut gebrauchen können, wie Apotheken, die Medikament­e ausliefern, oder Lieferdien­sten. „Statt die Roller einfach in die Garage zu sperren, können wir so ein Stück auch denen helfen, die durch die Krise vor besonderen Herausford­erungen stehen“, sagt er.

„Diese Zeit bringt auch ein paar gute Erkenntnis­se, die wir mit Sicherheit in die ,neue Normalität’ auch rübertrans­ferieren wollen“, sagt Dohler etwa mit Blick auf digitales Arbeiten, aber auch hinsichtli­ch des Zulassens von mehr Eigenveran­twortung. „Umgekehrt zeigt sich aber auch: Alles digital geht auch nicht.“Ohne persönlich­e soziale Kontakte gehe es auf Dauer nicht – weder im Unternehme­n noch gegenüber Kunden.

■ WIEDERHOCH­FAHREN

„Wir haben einen Stufenplan entwickelt, eingeteilt in drei Stufen, über den wir wieder hochfahren können“, sagt Dohler. In der ersten Stufe, die ab dieser Woche greift, gehe es nur um eine „sehr vorsichtig­e Lockerung“. Dies beinhalte etwa, dass ab Donnerstag 20 EWE-Shops, und damit etwa die Hälfte aller Läden, wieder öffnen würden. Zudem dürfe etwa maximal ein Drittel der Mitarbeite­r wieder zurück ins Büro. „Mehr nicht, weil wir sonst eine zu hohe Belegungsd­ichte bekommen würden“, sagt Dohler. „Wir lassen nur das zu, was notwendig ist.“

Mit dieser ersten Stufe will EWE erst einmal zwei Wochen fahren und dann schauen, ob die Regierung weitere Lockerunge­n möglich macht. In einem zweiten Schritt könne es etwa darum gehen, Kantinenbe­trieb und Dienstreis­en wieder zuzulassen. Bis aber etwa auch wieder Großverans­taltungen stattfinde­n, dürfte es noch ein weiter Weg sein. „Wir gehen davon aus, dass wir durch das, was wir ,neue Normalität’ nennen, noch längere Zeit mit vielen Regeln, etwa besonderen Hygienevor­schriften, arbeiten werden“, sagt er.

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BILD: MARTIN REMMERS Werden jetzt von Apotheken genutzt: EWE-Chef Stefan Dohler auf einem Elektrorol­ler von EWE Go

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