21. Titel ist der erste ohne Feier
THW Kiel nach Saisonabbruch erstmals seit 2015 deutscher Meister
Wegen der Corona-Krise sahen die Clubs keine bessere Alternative als den Abbruch. Für viele geht der Kampf um Existenzen in den kommenden Monaten weiter.
KÖLN – Die Coronavirus-Pandemie hat die Handball-Bundesliga (HBL) zum Saisonabbruch gezwungen und Rekordmeister THW Kiel den ungewöhnlichsten Titel seiner Vereinsgeschichte beschert. Mit großer Mehrheit beschlossen die 36 Clubs der 1. und 2. Liga am Dienstag das vorzeitige Ende der Spielzeit. HBL-Präsident Uwe Schwenker bezeichnete den Abbruch als „sehr bitter, aber alternativlos“.
Kurz darauf bescherte das HBL-Präsidium mit seiner Festlegung auf die sogenannte Quotientenregelung dem THW die erste Meisterschaft seit 2015 und die insgesamt 21. in seiner Historie. „Wir freuen uns. Es ist eine große Bestätigung, eine große Anerkennung für das Geleistete“, sagte Kiels Sport-Geschäftsführer Viktor Szilagyi. Eine Party mit den Fans bleibt allerdings aus.
Die Quotientenregelung wertet die Abschlusstabelle nach einem Modus: Bei jedem Team wurde die Anzahl der Pluspunkte durch die Anzahl der absolvierten Spiele geteilt und anschließend mit 100 multipliziert. „Sie ist von allen Szenarien die gerechteste Lösung“, sagte Schwenker. Absteiger gibt es keine.
Die weiteren internationalen Startplätze gehen an Vizemeister SG Flensburg-Handewitt, der wie Kiel in der Champions League starten wird, sowie den SC Magdeburg, die TSV Hannover-Burgdorf und die Rhein-Neckar Löwen (Euro League). Der HSC Coburg und TuSEM Essen steigen aus der 2. Liga auf, so dass die neue Erstliga-Saison mit 20 Mannschaften bestritten wird. Wann wieder gespielt werden kann, ist unklar. „Im Moment ist der 31.8. der Fixpunkt, bis zu dem Großveranstaltungen verboten sind. Das ist ein gutes Datum für uns“, so Schwenker.
Auch in der 3. Liga und in der Jugend-Bundesliga sind die Spielzeiten wegen der Corona-Krise abgebrochen worden. Dagegen kämpft die HBL weiter um die Austragung der Pokal-Endrunde. Für das Final4-Turnier in Hamburg soll ein neuer Termin gefunden werden. Die Endrunde war wegen der Coronavirus-Pandemie bereits auf den 27./28. Juni verlegt worden. Weil in Deutschland alle Großveranstaltungen bis Ende August untersagt sind, kommt es nun zu einer weiteren Verschiebung.
„Existentiell entscheidend wird es nun sein, wann wir wieder in unseren Arenen vor Zuschauern spielen können“, sagte HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann (55). „Wir tun daher alles uns Mögliche, um die Corona-Krise in den Griff zu bekommen, damit die Politik möglichst zeitnah eine für uns praktikable Neubewertung vornimmt.“Auch für Schwenker beginnt die wirkliche Arbeit erst jetzt. „Jetzt müssen wir ins Agieren kommen, was die nächste Saison betrifft“, sagte der 61-Jährige.
Bei der Ermittlung der Abschlusstabelle gab es einen
Härtefall. Wegen der Quotientenregelung rutschen die Füchse Berlin vom fünften auf den sechsten Platz ab und verpassen die Teilnahme am Europapokal. Der Tabellenletzte HSG Nordhorn-Lingen bleibt erstklassig. „So traurig die Begleitumstände draußen natürlich sind: Ein klein bisschen Freude ist schon dabei“, sagte HSG-Geschäftsführer Matthias Stroot. „Wir werden die Chance auf jeden Fall annehmen, in der Ersten Liga zu spielen und haben ja auch schon unsere Lizenzunterlagen dementsprechend eingereicht“, sagte Stroot.
Insgesamt trifft der Abbruch die Liga hart. Die HBL rechnet mit Verlusten von rund 25 Millionen Euro. Anders als im Fußball hätte es den Clubs aus finanzieller Sicht nicht viel gebracht, die Saison mit Geisterspielen zu Ende zu bringen. Dann wären die Partien im TV zu sehen gewesen, allerdings macht das Fernsehgeld nur einen geringen Anteil im Budget der Vereine aus. Am meisten verdienen die Bundesligisten mit Ticketing und Sponsoring.