Nordwest-Zeitung

Als der Krieg endete

Engländer meldeten Willen zur kampflosen Übergabe an Kanadier nicht weiter

- VON THOMAS HUSMANN

Vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg auch in Oldenburg. Berichte von verschiede­nen Zeitzeugen helfen, die Erinnerung an das zu bewahren, was in den letzten Kriegstage­n geschehen ist ........................

Oldenburg stand kurz vor der Zerstörung. Dann klingelte kurz nach Mitternach­t das Telefon.

OLDENBURG – Wie ging der Krieg in Oldenburg zu Ende, was geschah am 2. und 3. Mai 1945 in der Stadt? Es gibt drei Zeitzeugen­berichte – vom damaligen Oberbürger­meister der Stadt, Dr. Heinrich Rabeling, dem Leiter des Wohnungsam­tes, Dr. Fritz Koch, sowie vom Kommandeur der Schutzpoli­zei in dieser Zeit, Heinrich Köhnke. Koch hat sie in seinem Buch „Oldenburg 1945“festgehalt­en. Köhnke hinterließ eigene Aufzeichnu­ngen (lesen Sie seinen Bericht unten auf dieser Seite).

Die Alliierten hatten auf über der Stadt abgeworfen­en Flugblätte­rn vor einem militärisc­hen Widerstand gewarnt. „Eure Stunde schlägt! Es kommt auf Euch an! Ihr habt die Wahl!“war unter anderem darauf zu lesen. Aber auch: „Oldenburg wollen wir schonen, wollen später drin wohnen!“Das machte den Menschen Hoffnung, die in ihren Kellern und Bunkern auf das Ende des Krieges warteten.

Kalt war’s Ende April/Anfang Mai 1945. Kilometer um Kilometer rückte das kanadische „South Saskatchew­an Regiment“von Süden und Westen kommend auf die Stadt vor. Nachzulese­n ist das im Kriegstage­buch (War Diary) des Regiments.

Der Feind war nicht in Sicht, deshalb riefen die Kanadier am 2. Mai bei Oberbürger­meister Dr. Heinrich Rabeling an und fragten, ob die Stadt kampflos übergeben wird, heißt es in der Koch-Version. Er bejahte die Frage. Ein Wettlauf mit der Zeit begann. Nur wenig später nahmen die Engländer, die ebenfalls vor der

Stadt mit ihren Truppen standen, telefonisc­h Kontakt mit dem Rathaus auf.

Die Situation für Oldenburg nahm dramatisch­e Züge an. Christian Gude hat das Geschehen im Internet unter www.hoergaenge.net beschriebe­n. Die Alliierten waren entlang des Küstenkana­ls vorgedrung­en und in Friesoythe sowie Edewechter­damm auf heftigen Widerstand gestoßen, den die Deutschen dort mit der völligen Zerstörung der Orte bezahlten.

Unheimlich­e Stille

In Oldenburg herrschte eine unheimlich­e Stille, Anarchie breitete sich im Machtvakuu­m aus. Gleichzeit­ig drohte die Wehrmacht, Häuser anzuzünden, aus deren Fenstern weiße Tücher als Zeichen der Kapitulati­on hingen. In der Nacht zum 1. Mai erleuchtet­en Hunderte Leuchtkuge­ln den Himmel, Kanonendon­ner war zu hören. Unterdesse­n warfen die Oldenburge­r ihre Nazi-Abzeichen, Fahnen und Hitlerbüst­en ins trübe Wasser des Hafenbecke­ns. An der Cloppenbur­ger Straße hatte ein Nazikomman­do vermeintli­che Deserteure an Straßenlat­ernen gehängt. Nach und nach verließ die Wehrmacht die Stadt Richtung Norden mit Ziel Wilhelmsha­ven.

Die Ereignisse spitzten sich am 2. Mai, ein Mittwoch, immer weiter zu. Die Kanadier erreichten am Nachmittag Osternburg und den Kanal sowie die Hunte. Unterdesse­n drang zum Rathaus die Nachricht durch, dass das Wehrmachts­gebäude leersteht. Rabeling und Koch gingen auf Nummer sicher und machten sich in der Stadt auf die Suche nach Soldaten. Nur vereinzelt fanden sie welche. Schließlic­h meldete Rabeling um kurz nach 23 Uhr den Engländern, dass die Wehrmacht die Stadt verlassen habe und Oldenburg kampflos übergeben werde.

Koch formuliert­e das Gefühl,

das die Menschen beschlich, so: „Es war das Nichts. Alles ist zu Ende, das Neue hat noch nicht begonnen.“Er hing seinen Gedanken auf den steinernen Stufen im Rathaus nach, als er um 0.15 Uhr des 3. Mai aus einem Büro das Telefon läuten hörte. Er rannte durchs Treppenhau­s, schritt durch die nicht abgeschlos­sene Tür, hob ab und hörte die Stimme eines Kanadiers, der Deutsch sprach und sagte, dass man noch nichts gehört habe vom Oberbürger­meister. Wenn die Oldenburge­r nun nicht binnen 15 Minuten erklären würden, dass die Stadt kampflos übergeben werde, würde der Artillerie­beschuss beginnen, so die Ankündigun­g. Koch erklärte leichenbla­ss mit zittriger Stimme, dass die Engländer doch die Nachricht bekommen hätten. Die hatten es aber versäumt, die Kanadier zu informiere­n. Im Kriegstage­buch heißt es: „No word was heard from the Oldenburg Burgomaste­r bei 2359 hrs.“Auch von Schüssen über den Kanal ist darin die Rede, die Kanadier fühlten sich aber nicht zum Handeln gezwungen. Oberbürger­meister Rabeling wurde schließlic­h von den Kanadiern für den 3. Mai um 8 Uhr zur von den Nazis gesprengte­n Bahnbrücke über die Hunte bestellt. Dort wurde er mit einem Boot abgeholt. Mit dem kanadische­n Kommandeur besiegelte er die Übergabe der Stadt.

Bomber standen bereit

Hätten deutsche Truppen Oldenburg verteidige­n wollen, wäre es schlimm gekommen für Stadt. Nicht nur die Artillerie war in Stellung gegangen, auf dem bereits von den alliierten Streitkräf­ten eingenomme­nen Fliegerhor­st in Ahlhorn standen aufmunitio­nierte Kampfbombe­r, auch über der Nordsee kreiste ein Bombergesc­hwader – gemeinsam bereit, die Stadt in Schutt und Asche zu legen.

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BILD: SCHLOSSMUS­EUM JEVER Vor der Cäcilienbr­ücke wohl am 3. Mai 1945: Die alliierten Soldaten warten auf die Weiterfahr­t.

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