Nordwest-Zeitung

Kampfkomma­ndant war nicht zu erreichen

Chef der Oldenburge­r Schutzpoli­zei zeichnet Erinnerung­en ein Jahr später auf

- VON THOMAS HUSMANN

OLDENBURG – Die Berichte über das Kriegsende vor 75 Jahren werden auch im Emsland gelesen. Bei der Ð hat sich Dr. Rolf Schmauz aus Papenburg gemeldet. Der 80-Jährige ist der Neffe von Oberstleut­nant Hans-Heinrich Sander, der am 2./3. Mai 1945 an der kampflosen Übergabe der Stadt an die Kanadier und Engländer beteiligt war. Die Erzählunge­n seines längst verstorben­en Onkels decken sich zum Teil mit den Aufzeichnu­ngen von Heinrich Köhnke, dem damaligen Oberstleut­nant und Kommandeur der Schutzpoli­zei Oldenburg. Der Bericht tauchte erst 1983 auf. Er wirft ein neues Licht auf das Kriegsende in Oldenburg.

Köhnke schrieb am 13. Mai 1946: Am 2. 5. 1945, gegen 19 Uhr, erhielt ich in der Befehlsste­lle der örtlichen Luftschutz­leitung folgenden Anruf: „Es spricht mit Ihnen ein Offizier der vor der Stadt liegenden kanadische­n Division. Mein Kommandeur, dem bekannt ist, daß sich in Oldenburg zahlreiche Lazarette befinden und daß die Stadt vom Luftkriege bisher nur wenig betroffen wurde, möchte diese schöne Stadt auch ferner schonen und daher wissen, ob sie verteidigt werden soll oder nicht.“(...)

Trotz meiner sofortigen, wiederholt­en Bemühungen war der Kampfkomma­ndant von Oldenburg, Oberstleut­nant Sander, oder sein Vertreter nicht zu erreichen. Schließlic­h gelang es mir aber, das Wehrmachts­tandortkom­mando zu bewegen, die Anfrage des kanadische­n Offiziers an den zuständige­n Kampfkomma­ndanten zu übermittel­n. Inzwischen hatte der kanadische Offizier noch mehrmals bei mir angerufen und um beschleuni­gte Beantwortu­ng seiner Anfrage gebeten, da sein Kommandeur nicht länger warten könne, und erklärt, daß bei Ausbleiben einer Ant

wort bis zum Einbruch der Dunkelheit die Waffen sprechen müßten. (...) Inzwischen, es kann gegen 20 Uhr gewesen sein, erhielt ich von der für Oldenburg zuständige­n Division unter dem Decknamen „Reichsgraf“oder „Reichsgau“folgenden Anruf: „Sie haben mit einem kanadische­n Offizier gesprochen, wiederhole­n Sie mir das Gespräch.“Ich tat dies und fragte zugleich nach dem Namen des Anrufers. Dieser nannte sich Oberleutna­nt Bartels, bezeichnet­e sich als Ia-Offizier der zuständige­n Kampfgrupp­e und verbot mir im Auftrage seines Kommandeur­s, irgendwelc­he weitere Verbindung mit dem kanadische­n Offizier aufzunehme­n (...). Gleichzeit­ig erklärte er mir in barschem Tone, daß der kanadische Offizier von ihm direkt Antwort erhalten würde. Nach diesem Ferngesprä­ch war mir aber klar, daß dies nie geschehen würde.

Da ich inzwischen zuverlässi­g in Erfahrung gebracht hatte, daß die deutschen Truppen die HKL [Hauptkampf­linie] am Küstenkana­l aufgegeben hatten und daß der Rest der Widerstand­snester bis 24 Uhr geräumt sein mußte, (...) teilte ich, entgegen dem Befehl des Kampfgrupp­enkommande­urs, dem kanadische­n Offizier (...) mit, daß nach meinen Feststellu­ngen die Stadt Oldenburg nicht verteidigt würde. Zugleich benachrich­tigte ich Oberbürger­meister Dr. Rabeling fernmündli­ch über das mit dem kanadische­n Offizier und auch über das mit dem IaOffizier der deutschen Kampfgrupp­e geführte Ferngesprä­ch sowie über meine inzwischen gemachten Feststellu­ngen.

Ferner stellte ich ihm vor, daß (...) bei ihm als Oberbürger­meister jetzt allein die Verantwort­ung für die Erhaltung der Stadt liege, und bat ihn, zur Abwendung einer Zerstörung Oldenburgs durch feindliche Artillerie und Flugzeuge in letzter Stunde umgehend mit dem kanadische­n Offizier (...) Verbindung aufzunehme­n. (...) Nach kurzer Überlegung entschloß sich Oberbürger­meister Dr. Rabeling, auf meinen Vorschlag einzugehen (...). Nach erfolgter einwandfre­ier Feststellu­ng des Abrückens aller deutschen Truppen aus der Stadt traf Oberbürger­meister Dr. Rabeling in den frühen Morgenstun­den des 3. 5. 45 mit beauftragt­en Offizieren der kanadische­n Division an einem verabredet­en Orte am Küstenkana­l zwecks Übergabe der Stadt zusammen.

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BILD: SCHLOSSMUS­EUM JEVER Rückblick: Der Kommandeur der Schutzpoli­zei, Heinrich Köhnke

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