Kampfkommandant war nicht zu erreichen
Chef der Oldenburger Schutzpolizei zeichnet Erinnerungen ein Jahr später auf
OLDENBURG – Die Berichte über das Kriegsende vor 75 Jahren werden auch im Emsland gelesen. Bei der Ð hat sich Dr. Rolf Schmauz aus Papenburg gemeldet. Der 80-Jährige ist der Neffe von Oberstleutnant Hans-Heinrich Sander, der am 2./3. Mai 1945 an der kampflosen Übergabe der Stadt an die Kanadier und Engländer beteiligt war. Die Erzählungen seines längst verstorbenen Onkels decken sich zum Teil mit den Aufzeichnungen von Heinrich Köhnke, dem damaligen Oberstleutnant und Kommandeur der Schutzpolizei Oldenburg. Der Bericht tauchte erst 1983 auf. Er wirft ein neues Licht auf das Kriegsende in Oldenburg.
Köhnke schrieb am 13. Mai 1946: Am 2. 5. 1945, gegen 19 Uhr, erhielt ich in der Befehlsstelle der örtlichen Luftschutzleitung folgenden Anruf: „Es spricht mit Ihnen ein Offizier der vor der Stadt liegenden kanadischen Division. Mein Kommandeur, dem bekannt ist, daß sich in Oldenburg zahlreiche Lazarette befinden und daß die Stadt vom Luftkriege bisher nur wenig betroffen wurde, möchte diese schöne Stadt auch ferner schonen und daher wissen, ob sie verteidigt werden soll oder nicht.“(...)
Trotz meiner sofortigen, wiederholten Bemühungen war der Kampfkommandant von Oldenburg, Oberstleutnant Sander, oder sein Vertreter nicht zu erreichen. Schließlich gelang es mir aber, das Wehrmachtstandortkommando zu bewegen, die Anfrage des kanadischen Offiziers an den zuständigen Kampfkommandanten zu übermitteln. Inzwischen hatte der kanadische Offizier noch mehrmals bei mir angerufen und um beschleunigte Beantwortung seiner Anfrage gebeten, da sein Kommandeur nicht länger warten könne, und erklärt, daß bei Ausbleiben einer Ant
wort bis zum Einbruch der Dunkelheit die Waffen sprechen müßten. (...) Inzwischen, es kann gegen 20 Uhr gewesen sein, erhielt ich von der für Oldenburg zuständigen Division unter dem Decknamen „Reichsgraf“oder „Reichsgau“folgenden Anruf: „Sie haben mit einem kanadischen Offizier gesprochen, wiederholen Sie mir das Gespräch.“Ich tat dies und fragte zugleich nach dem Namen des Anrufers. Dieser nannte sich Oberleutnant Bartels, bezeichnete sich als Ia-Offizier der zuständigen Kampfgruppe und verbot mir im Auftrage seines Kommandeurs, irgendwelche weitere Verbindung mit dem kanadischen Offizier aufzunehmen (...). Gleichzeitig erklärte er mir in barschem Tone, daß der kanadische Offizier von ihm direkt Antwort erhalten würde. Nach diesem Ferngespräch war mir aber klar, daß dies nie geschehen würde.
Da ich inzwischen zuverlässig in Erfahrung gebracht hatte, daß die deutschen Truppen die HKL [Hauptkampflinie] am Küstenkanal aufgegeben hatten und daß der Rest der Widerstandsnester bis 24 Uhr geräumt sein mußte, (...) teilte ich, entgegen dem Befehl des Kampfgruppenkommandeurs, dem kanadischen Offizier (...) mit, daß nach meinen Feststellungen die Stadt Oldenburg nicht verteidigt würde. Zugleich benachrichtigte ich Oberbürgermeister Dr. Rabeling fernmündlich über das mit dem kanadischen Offizier und auch über das mit dem IaOffizier der deutschen Kampfgruppe geführte Ferngespräch sowie über meine inzwischen gemachten Feststellungen.
Ferner stellte ich ihm vor, daß (...) bei ihm als Oberbürgermeister jetzt allein die Verantwortung für die Erhaltung der Stadt liege, und bat ihn, zur Abwendung einer Zerstörung Oldenburgs durch feindliche Artillerie und Flugzeuge in letzter Stunde umgehend mit dem kanadischen Offizier (...) Verbindung aufzunehmen. (...) Nach kurzer Überlegung entschloß sich Oberbürgermeister Dr. Rabeling, auf meinen Vorschlag einzugehen (...). Nach erfolgter einwandfreier Feststellung des Abrückens aller deutschen Truppen aus der Stadt traf Oberbürgermeister Dr. Rabeling in den frühen Morgenstunden des 3. 5. 45 mit beauftragten Offizieren der kanadischen Division an einem verabredeten Orte am Küstenkanal zwecks Übergabe der Stadt zusammen.