„Anerkennung für Pflege fehlt“
Frau Dirnberger, kommen die Interessen der Senioren in der Corona-Krise zu kurz? Welchen Eindruck haben Sie? Dirnberger: Nein, ich glaube nicht, dass die Senioren zu kurz kommen. Seniorenpolitik ist Generationenpolitik. Mich stört an der ganzen Diskussion, dass wir nach Alter unterscheiden. Ich kenne 80Jährige, die fitter sind als manch ein 40-Jähriger.
Sind Sie mit der Politik denn zufrieden?
Dirnberger: Ich glaube, die Politik ist mit den Verordnungen einen richtigen Weg gegangen. Das sehen die 132 Seniorenvertretungen im Land übrigens genauso.
Welche Probleme sehen Sie? Dirnberger: Ich denke vor allem an die Arbeit in den Altenund Pflegeheimen, wo Besuchsverbote herrschen. Da höre ich etwas von Balkongesprächen, obwohl viele Einrichtungen gar keinen Balkon haben. Viele diskutieren scheinbar lieber über den Wiederanpfiff der Bundesliga als solche Themen abzuarbeiten.
Fehlt die gesellschaftliche Anerkennung? Dirnberger: Ja, die Anerkennung für die Pflegeberufe fehlt einfach. Der Personalmangel ist seit Jahrzehnten bekannt. Das fällt uns jetzt auf die Füße. Übrigens: 70 Prozent der Pflegebedürftigen werden von ihren Angehörigen im häuslichen Umfeld gepflegt. Sie spielen in der Diskussion derzeit überhaupt keine Rolle. Da gibt es viele ungeklärte Fragen: Woher bekommen sie denn die Schutzkleidung? Wie soll dort im Fall einer Infektion eine Isolierung erfolgen?
Was schlagen Sie vor? Dirnberger: Es geht nicht allein um einen Bonus für die Pflegekräfte, den Gesundheitsminister Spahn ins Spiel gebracht hat. Ich hoffe sehr, dass wir nach der Corona-Krise einen bundesweit einheitlichen Tarif für die Pflegekräfte bekommen.
■ Ilka Dirnberger (75) aus Einbeck ist Vorsitzende des Landesseniorenrates (LSR) Niedersachsen.