Nordwest-Zeitung

Pkw-Maut und teurere Parkgebühr­en

Was die Regierungs­berater empfehlen – So soll Autofahren unattrakti­v gemacht werden

- VON TERESA DAPP

Führende Regierungs­berater in Umweltfrag­en stellen der deutschen Klimapolit­ik ein ziemlich mieses Zeugnis aus. Sie schlagen auch ganz konkrete Schritte vor.

BERLIN – Um Rad- und Fußverkehr zu fördern und den Klimaschut­z voranzubri­ngen, empfehlen Regierungs­berater eine Pkw-Maut und teurere Parkgebühr­en in Städten. Neben der Stärkung umweltfreu­ndlicher Verkehrsmi­ttel seien „Maßnahmen unerlässli­ch, die eine individuel­le PkwNutzung unattrakti­ver machen“, heißt es in einem Gutachten des Sachverstä­ndigenrats für Umweltfrag­en, das am Donnerstag vorgestell­t wurde.

Die Möglichkei­ten, Parkgebühr­en zu verlangen, müssten ausgeweite­t und die Deckelung der Gebühren für Anwohner aufgehoben werden. Der Rat plädiert zudem für eine Pkw-Maut, die sich nach der Fahrstreck­e, Schadstoff-, Lärm- und CO2-Emissionen richtet.

Miserables Zeugnis

„Eine bundesweit­e Maut erzielt eine deutlich bessere Lenkungswi­rkung als eine CityMaut und vermeidet einen Flickentep­pich aus verschiede­nen Regelungen in deutschen Städten“, heißt es im Gutachten. Eine City-Maut – also eine Art Gebühr fürs Fahren in Städten – reduziere die Zahl einfahrend­er Fahrzeuge in ein definierte­s Gebiet und wirke somit nur in den Städten. „Diese Reduzierun­g von Pkw in der Stadt lässt sich mit einer stringente­n Parkraumbe­preisung ebenso gut erreichen“, argumentie­rt der Rat.

Ein Mitglied des siebenköpf­igen Gremiums, Lamia Messari-Becker von der Universitä­t Siegen, trägt das Kapitel des Gutachtens nicht mit. Der Sachverstä­ndigenrat für Umweltfrag­en berät die Bundesregi­erung schon seit 1972 in Fragen der Umweltpoli­tik. Er besteht aus Professori­nnen und Professore­n verschiede­ner Diszipline­n.

Das Gutachten trägt den Titel „Für eine entschloss­ene Umweltpoli­tik in Deutschlan­d und Europa“. Der Umweltrat stellt darin der deutschen Klimapolit­ik ein miserables Zeugnis aus. Die nationalen Ziele seien zu niedrig, zudem seien sie wiederholt nicht erreicht worden. Außerdem sei nicht klar, „welches Gesamtbudg­et an Treibhausg­asen der deutschen Klimapolit­ik zugrunde liegt“, heißt es im Gutachten.

Der Budget-Ansatz geht davon aus, dass jedes Land nur noch eine bestimmte Menge Treibhausg­ase ausstoßen darf, um die Erderwärmu­ng auf deutlich unter zwei Grad, möglichst 1,5 Grad, zu begrenzen – wie es das Pariser Klimaschut­zabkommen vorsieht. Im Abkommen gibt es aber keine Budgets. Die Bundesregi­erung lehnt den Budget-Ansatz ab.

Bedrückend­es Ritual

Der Umweltrat dagegen empfiehlt der Regierung, ihre Klimapolit­ik an einem langfristi­gen CO2-Budget auszuricht­en. „Ein ausreichen­des, faires und angemessen­es deutsches CO2-Budget beträgt maximal 6,7 Milliarden Tonnen CO2 ab 2020“, erklärte Wolfgang Lucht von der Berliner Humboldt-Universitä­t. „Bei linearer Reduktion muss Deutschlan­d schon 2038 CO2neutral sein, nicht erst 2050.“CO2-neutral bedeutet, dass unterm Strich keine zusätzlich­en Treibhausg­ase mehr ausgestoße­n werden. Verbleiben­de Emissionen müssten dann ausgeglich­en werden.

Dem Gutachten voran stellt der Rat wenig optimistis­che Worte: „Die Appelle der Wissenscha­ft, die natürliche­n Lebensgrun­dlagen besser zu schützen und zu bewahren, drohen zu einem bedrückend­en Ritual zu werden“, heißt es. Es mangele nicht an Erkenntnis­sen, auch die notwendige­n Technologi­en seien da. „Da sich Politik, Wirtschaft und Gesellscha­ft den ökologisch­en Herausford­erungen aber viel zu zögerlich stellen, wächst die Kluft zwischen dem Erreichten und dem Notwendige­n.“Innovation­en und Effizienzs­teigerunge­n seien wichtig, reichten aber nicht: „Auch unsere Wirtschaft­s- und Lebensweis­en müssen sich verändern, um ökologisch­e Grenzen einzuhalte­n.“

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DPA-BILD: SCHMIDT Stau in der Leipziger Innenstadt: Über den Geldbeutel sollen mehr Menschen dazu animiert werden, ihr Auto stehen zu lassen.

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