Milliarden gegen das Milliarden-Loch
98,6 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen – So will Finanzminister Scholz reagieren
Es klingt paradox: Dem Staat brechen die Einnahmen weg – und der Finanzminister will nicht sparen, sondern Milliarden in ein Konjunkturprogramm stecken.
BERLIN – Die Zahlen sind katastrophal: Die Corona-Krise trifft die Staatskassen noch heftiger als die Finanzkrise 2009. Bund, Ländern und Gemeinden brechen massiv die Einnahmen weg. Doch zum Sparen sei jetzt nicht die Zeit, sagt Vizekanzler Olaf Scholz bestimmt. Der Finanzminister ist Keynesianer – und das heißt, er will das MilliardenLoch in der Krise mit Milliarden-Ausgaben bekämpfen. Das Motto: Konjunkturprogramm statt Sparprogramm.
„Ich glaube, dass man gegen eine Krise nicht ansparen kann“, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag. Jetzt gehe es darum, Wirtschaft wie Gesellschaft wieder auf die Füße zu stellen.
Dramatische Situation
Die Ausgangssituation jedoch ist dramatisch. Die Steuerschätzer gehen davon aus, dass Bund, Länder und Kommunen in diesem Jahr zehn Prozent weniger Steuern einnehmen als im Vorjahr. Sie müssen mit 98,6 Milliarden Euro weniger auskommen als noch im November vorhergesagt – und bereits in den Haushalten verplant. Müsste Scholz dann nicht eigentlich den Rotstift ansetzen?
Dem widerspricht der Vizekanzler vehement. „Wir können uns das, was wir uns bisher vorgenommen haben, weiter leisten“, verspricht er. Kein einziges Projekt stehe auf der Kippe, nicht Rekordinvestitionen in Verkehrsinfrastruktur und Breitband-Ausbau, nicht erhebliche Mittel für den Klimaschutz und die Digitalisierung der Schulen. Vor allem auch die der SPD so wichtige Grundrente nicht.
Doch wie will sich Scholz das alles leisten? Die Regierungsprojekte und zusätzlich ein sicher milliardenschweres Konjunkturprogramm, das die Auswirkungen der CoronaPandemie abfedern soll. Steuererhöhungen soll es nicht geben, das hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in dieser Woche klar gemacht – auch nicht für Vermögende, wie Teile der SPD und Linke fordern.
Bleiben nur Kredite? In einem Nachtragshaushalt hatte Scholz zuletzt bereits die Schwarze Null gekippt und mit 156 Milliarden Euro neuen Schulden gerechnet. Muss sich der Finanzminister jetzt noch mehr Geld leihen? Noch lasse sich das nicht seriös sagen, meint Scholz nur. Bevor er den Haushalt für das 2021 plant, will er sich im September deshalb noch eine außerplanmäßige Steuerprognose einholen.
Unsichere Zukunft
Denn unsicher sind auch die tatsächlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die deutsche Wirtschaft. Die Steuerschätzer hatten es selten so schwer wie in diesem Jahr, eine akkurate Prognose zu treffen. Trotzdem gehen die Experten davon aus, dass sich die Staatsfinanzen schnell wieder erholen. Schon 2021 könnten die Steuereinnahmen mit 792,5 Milliarden Euro laut Prognose fast wieder auf Vorkrisenniveau sein.
Ganz zentral dafür sei aber, dass die gesamte europäische Volkswirtschaft wieder auf die Beine komme. Dem will Scholz nachhelfen. Anfang Juni will der Finanzminister seine Ideen präsentieren. Sie sollen nicht nur schnell greifen, sondern Deutschland auch auf die Zukunft vorbereiten. Das heißt mehr Geld etwa für Digitalisierung und Klimawandel. Jetzt sei die Zeit, dafür wichtige Weichenstellungen zu treffen, betont Scholz.