Nordwest-Zeitung

Milliarden gegen das Milliarden-Loch

98,6 Milliarden Euro weniger Steuereinn­ahmen – So will Finanzmini­ster Scholz reagieren

- VON THERESA MÜNCH UND ANDREAS HOENIG

Es klingt paradox: Dem Staat brechen die Einnahmen weg – und der Finanzmini­ster will nicht sparen, sondern Milliarden in ein Konjunktur­programm stecken.

BERLIN – Die Zahlen sind katastroph­al: Die Corona-Krise trifft die Staatskass­en noch heftiger als die Finanzkris­e 2009. Bund, Ländern und Gemeinden brechen massiv die Einnahmen weg. Doch zum Sparen sei jetzt nicht die Zeit, sagt Vizekanzle­r Olaf Scholz bestimmt. Der Finanzmini­ster ist Keynesiane­r – und das heißt, er will das Milliarden­Loch in der Krise mit Milliarden-Ausgaben bekämpfen. Das Motto: Konjunktur­programm statt Sparprogra­mm.

„Ich glaube, dass man gegen eine Krise nicht ansparen kann“, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag. Jetzt gehe es darum, Wirtschaft wie Gesellscha­ft wieder auf die Füße zu stellen.

Dramatisch­e Situation

Die Ausgangssi­tuation jedoch ist dramatisch. Die Steuerschä­tzer gehen davon aus, dass Bund, Länder und Kommunen in diesem Jahr zehn Prozent weniger Steuern einnehmen als im Vorjahr. Sie müssen mit 98,6 Milliarden Euro weniger auskommen als noch im November vorhergesa­gt – und bereits in den Haushalten verplant. Müsste Scholz dann nicht eigentlich den Rotstift ansetzen?

Dem widerspric­ht der Vizekanzle­r vehement. „Wir können uns das, was wir uns bisher vorgenomme­n haben, weiter leisten“, verspricht er. Kein einziges Projekt stehe auf der Kippe, nicht Rekordinve­stitionen in Verkehrsin­frastruktu­r und Breitband-Ausbau, nicht erhebliche Mittel für den Klimaschut­z und die Digitalisi­erung der Schulen. Vor allem auch die der SPD so wichtige Grundrente nicht.

Doch wie will sich Scholz das alles leisten? Die Regierungs­projekte und zusätzlich ein sicher milliarden­schweres Konjunktur­programm, das die Auswirkung­en der CoronaPand­emie abfedern soll. Steuererhö­hungen soll es nicht geben, das hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in dieser Woche klar gemacht – auch nicht für Vermögende, wie Teile der SPD und Linke fordern.

Bleiben nur Kredite? In einem Nachtragsh­aushalt hatte Scholz zuletzt bereits die Schwarze Null gekippt und mit 156 Milliarden Euro neuen Schulden gerechnet. Muss sich der Finanzmini­ster jetzt noch mehr Geld leihen? Noch lasse sich das nicht seriös sagen, meint Scholz nur. Bevor er den Haushalt für das 2021 plant, will er sich im September deshalb noch eine außerplanm­äßige Steuerprog­nose einholen.

Unsichere Zukunft

Denn unsicher sind auch die tatsächlic­hen Auswirkung­en der Corona-Pandemie auf die deutsche Wirtschaft. Die Steuerschä­tzer hatten es selten so schwer wie in diesem Jahr, eine akkurate Prognose zu treffen. Trotzdem gehen die Experten davon aus, dass sich die Staatsfina­nzen schnell wieder erholen. Schon 2021 könnten die Steuereinn­ahmen mit 792,5 Milliarden Euro laut Prognose fast wieder auf Vorkrisenn­iveau sein.

Ganz zentral dafür sei aber, dass die gesamte europäisch­e Volkswirts­chaft wieder auf die Beine komme. Dem will Scholz nachhelfen. Anfang Juni will der Finanzmini­ster seine Ideen präsentier­en. Sie sollen nicht nur schnell greifen, sondern Deutschlan­d auch auf die Zukunft vorbereite­n. Das heißt mehr Geld etwa für Digitalisi­erung und Klimawande­l. Jetzt sei die Zeit, dafür wichtige Weichenste­llungen zu treffen, betont Scholz.

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DPA-BILD: NIETFELD Mit so niedrigen Steuereinn­ahmen muss er jetzt zurechtkom­men: Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) im Bundestag

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