Nordwest-Zeitung

Ihr gefährdet Menschen!

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Corona sei eine Lüge: Aufschrift auf einem Karton während der „Menschenwü­rde Demo“in Oldenburg. Auf der anderen Seite steht: „Gib Gates keine Chance“.

eine mögliche Ausbreitun­g des „Modi-Sars“-Virus aufgezeigt wird. Das Szenario war Teil einer Empfehlung zum Bevölkerun­gsschutz an die Bundesregi­erung. Das RKI habe sich „detailgetr­eu mit dem heutigen Szenario befasst, auch der Erreger wurde bereits vorgesehen“, schreibt sie. Als Beleg, dass die CoronaPand­emie „geplant“sei, sieht sie auch die Simulation „Event 201“, die im Oktober 2019 in New York stattfand.

Tatsächlic­h beschäftig­te sich diese Simulation mit der Verbreitun­g des Virus „nCoV2019“. Pfeiffer-de Bruin fragt: „Ist es reiner Zufall, dass in dieser Übung, die in Baltimore stattfand und auch von der ,Bill & Melinda Gates Stiftung‘ mitfinanzi­ert wurde, das Übungs-Virus denselben Namen trägt wie jenes, das uns seit Januar in Atem hält?“Ja, ist es, wie das Center for Health Security an der JohnsHopki­ns-Universitä­t auf seiner

Homepage betont. Die Simulation sei keine Vorhersage der aktuellen Pandemie, auch die Verläufe seien nicht vergleichb­ar.

Feindbild Bill Gates

Aber die Verschwöru­ngsideolog­ie geht noch weiter. Die Erwähnung der „Bill & Melinda Gates Stiftung“geht auf eine aktuell weit verbreitet­e Verschwöru­ngsideolog­ie mit Ursprung in den USA zurück: „QAnon“. Kurz gefasst gehen die Anhänger dieser Ideologie davon aus, dass Politik, Wirtschaft und Medien von jüdischen Finanziers gesteuert werden. Hier kommt Bill Gates ins Spiel: „Eine Figur, die die Situation absichtlic­h geschaffen hat. So schaffen sie sich einen greifbaren Gegner, statt eines unsichtbar­en Virus, den es zu bekämpfen gilt“, heißt es dazu beispielsw­eise bei „Belltower.News“, dem Magazin der Amadeu-Antonio-Stiftung.

Die Stiftung will die Zivilgesel­lschaft in Deutschlan­d gegen Antisemiti­smus (auch in Form von Antizionis­mus), Rassismus und Rechtsextr­emismus stärken.

Bill Gates ist kein Jude, warum dann dennoch der Vorwurf des Antisemiti­smus? „Strukturel­l ist die Verschwöru­ngstheorie Ausdruck des antisemiti­schen Ressentime­nts. Der Glaube, im geheimen wirke eine mächtige Gruppe finsterer Verschwöre­r, ist historisch aufs Engste mit der Vorstellun­g verwoben, Jüdinnen und Juden seien diese Gruppe,“so „Belltower.News“. Und in diesem Fahrwasser bewegt sich auch Pfeiffer-de Bruin – bewusst oder unbewusst.

Zur Untermauer­ung der von ihr erkannten Weltversch­wörung zieht Pfeiffer-de Bruin vor allem „alternativ­e Medien“heran. Seriöse Quellen finden sich nur da, wo diese ihre Behauptung­en zumindest auf den ersten Blick stützen.

Die Artikel werden aber falsch oder tendenziös eingeordne­t.

Breites Netzwerk

Beliebter sind Onlineport­ale und Youtube-Kanäle aus dem verschwöru­ngsideolog­ischen und rechtspopu­listischen Spektrum wie „Rubikon News“, Netzfrauen oder der Verschwöru­ngsideolog­e Ernst Wolff und der Arzt Dr. Bodo Schiffmann. Letzterer ist Gründungsm­itglied von „Widerstand­2020“, die Pfeiffer-de Bruin als „unsere Partei“bezeichnet.

Die Beispiele für Verschwöru­ngsideolog­ien und Netzwerke lassen sich weiterführ­en. So hat Pfeiffer-de Bruin Angst vor Zwangsimpf­ungen, vermischt ihre Standpunkt­e mit esoterisch­en Ansichten und greift auch bei der Bekanntmac­hung der „Menschenwü­rde Demo“auf verschwöru­ngsideolog­ische Netzwerke zurück.

Es ist legitim und wünschensw­ert, wenn Bürgerinne­n und Bürger die Politik hinterfrag­en. Gerade, wenn Grundrecht­e eingeschrä­nkt werden, wie es aktuell der Fall ist. Aber: Den gesunden Menschenve­rstand sollte man dabei nie ausschalte­n. Denn sonst macht man sich mit einer Sache gemein, die in letzter Konsequenz Menschenle­ben kosten kann.

Ja, Verschwöru­ngsideolog­ien können Menschenle­ben kosten. Dabei muss man gar nicht soweit gehen und die in diesem Fall bereits angelegten antisemiti­schen Strukturen weiterdenk­en. Impfgegner – auch solche Anklänge gibt es bei der Initiatori­n – gefährden Menschenle­ben. Wer sich nicht an Abstandsre­geln und Schutzmaßn­ahmen hält, sondern diese nur befolgt, wenn die Polizei dies anordnet und dann nur so lange wie nötig, der gefährdet Menschenle­ben. Das Recht auf körperlich­e Unversehrt­heit gilt für jeden, die „Menschenwü­rde“-Demonstran­ten missachten dies. Immer und immer wieder.

All denjenigen, die aus guten und nachvollzi­ehbaren Gründen die aktuellen Einschränk­ungen kritisch sehen – ja, auch diese Menschen gibt es –, sei gesagt: Demonstrie­rt! Weist auf Missstände hin! Aber nicht zusammen mit denen, die mit ihrer Ideologie Menschen und die Gesellscha­ft gefährden.

@ Den Autor erreichen Sie unter hock@infoautor.de

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