Glasklarer Auftrag für Oldenburger
Erinnerungsstücke von ehemaliger Fabrik gesucht – Museum und Firma rufen auf
Wo einst am Fließband geschuftet wurde, treffen sich heute Jungunternehmer. Die ehemalige Oldenburger Glashütte soll Bestandteil moderner Arbeitskultur werden.
OSTERNBURG – Ein Palmenstrandpanorama an der Wand, Colakisten als Hocker, freies WLAN, Tischkicker, mobile Arbeitsplätze, dänisches Design. Wer die Räume der Emsstraße 18 betritt, fühlt sich willkommen in der Zukunft. Dabei weht vom Hafen ein starker Wind der Vergangenheit herein. Heute unsichtbar.
Seit letztem Herbst ist Marcel Schwarting hier mit seinem Co-Working-Konzept angesiedelt. Es läuft gut: alle 13 Büros sind an freie Mieter – Unternehmen, Selbstständige, Start-ups – vermietet. Die Lufthansa hat hier auf den 1500 Quadratmetern ebenso Räume, wie eine Schneiderin für nachhaltige Mode oder ein App-Entwickler, auf den Freiflächen sitzen Studenten mit
Laptop und Latte Macchiato. Ob die wissen, das dort, wo sie gerade an ihrer BachelorArbeit schreiben mal hunderte Menschen am Fließband gestanden haben? An die ehemalige Fabrik, die Oldenburger Glashütte, erinnert wenig.
Sichtbar hingegen der Nachlass des Vormieters, einem Fitnessstudio. Marcel Schwarting hat die Duschen einfach dringelassen. Konferiert wird zwischen Fliesen und Wasserhähnen. Ungewöhnlich, aber charmant. Dabei will es der Office-Manager nicht belassen: Auf den großzügigen Freiflächen soll eine Ausstellung entstehen, die Vergangenheit mit Gegenwart kombiniert. Gerne würde er Originalobjekte und Bilder der Anfang der 80er geschlossenen
Straßenkampf: 1983 berichtete die NWZ über Demonstration gegen geplante Schließung der Glashütte Oldenburg – über 400 Menschen und Geschäftsleute umzu verloren ihre Existenzgrundlage. Glasfabrik zeigen – leider verfügt er über kein einziges Erinnerungsstück. Ein Anruf beim Stadtmuseum brachte ihn zumindest weiter. Franziska Boegehold-Gude, die das Museumsarchiv betreut, hat sich auf die Pirsch gemacht, Filmmaterial, Fotos, Werbeplakate und sogar ein Logo als Außenbeleuchtung gefunden.
Einiges sei in keinem allzu guten Zustand, sagt sie. Marcel Schwartings Augen glänzen trotzdem. Von den in 130 Jahren produzierten Flaschen, Schnapspullen oder Weckgläsern allerdings, ist wenig im städtischen Bestand zu finden. „Vielleicht haben ja die Oldenburger was auf dem Dachboden?“, hat sich der GlasfabrikChef überlegt. Auch persönliche Erinnerungen, etwa an die Proteste der Arbeiterverbände zur Schließung, können helfen ein Stück Stadtgeschichte zu bewahren. „Nicht nur viele hundert Menschen haben ihren Arbeitsplatz verloren – mit der Stilllegung sind auch etliche Osternburger Betriebe, die sich ringsherum angesiedelt hatten, untergegangen“, weiß Franziska Boegehold-Gude und lässt ihren Blick durch den modernen Café-Bereich schweifen. „Interessant wäre auch anhand von historischen Innenaufnahmen aufzuzeigen, wo man sich heute befindet“, regt die Archivverwalterin an. Marcel Schwarting ist Begeistert. Platz gibt es genug für Exponate, Bilder, Filmsequenzen, Zeitungsartikel.
„Wer meint, ein Glasobjekt der Fabrik zu besitzen, erkennt es am Stempel – einer Art Krone, mit dem Kürzel ,OGA’“, sagt Franziska Boegehold-Gude. Leihgaben und Anfragen nimmt sie im Stadtmuseum entgegen und freut sich mit Marcel Schwarting zwischen Palmenpanorama-Tapete, Tischkickern und mobilen Arbeitsplätzen bald ein Stück Stadtgeschichte aufleben lassen zu können.
Zeichen der Zeit: Reklame aus den 50ern