Nordwest-Zeitung

Die einzige Abiturient­in an der Schule

Laura Roth lernt am Johannes-Althusius-Gymnasium Emden allein für ihren Abschluss

- VON TOBIAS GÖTTLER

PROF. DR. JARL IVAR VAN DER VLUGT ist auf die Professur „Anorganisc­he Chemie“am Institut für Chemie der Universitä­t Oldenburg berufen worden. Zuvor war er außerorden­tlicher Professor an der Universitä­t Amsterdam (Niederland­e). Van der Vlugt (44) studierte Chemie und Chemische Technologi­e an der Technische­n Universitä­t Eindhoven in den Niederland­en, wo er 2003 auch promoviert­e. Für seine Doktorarbe­it erhielt er 2004 den Katalyse-Preis der Königliche­n Niederländ­ischen Chemischen Gesellscha­ft (Koninklijk­e Nederlands­e Chemische Vereniging, KNCV). Mit seiner Arbeitsgru­ppe untersucht van der Vlugt chemische Reaktionen, die von Vorbildern aus der Biologie inspiriert sind. Dabei nutzt er Ligandensy­steme – eine bestimmte Art chemischer Verbindung­en –, um Protonen und Elektronen zu übertragen und kleine Moleküle zu aktivieren. Weitere Schwerpunk­te sind Phosphorch­emie und nachhaltig­e Chemie.

Mit Freunden zusammen lernen, gemeinsam hoffen und schließlic­h feiern: Das alles kann Laura Roth aus Hinte nicht. Sie ist 2020 die Einzige, die an ihrer Schule Abi macht.

EMDEN – Den 18. Juni hat Laura Roth dick in ihrem Kalender angestrich­en. An diesem Tag hat sie ihre mündliche Prüfung in Pädagogik – und danach bestenfall­s das Abitur in der Tasche. Ihren Abschluss wird die 20-Jährige aus Hinte feiern. Mit ihren Eltern Margret und Helmut, Bruder Oliver und ihrem Freund Ingo. Mit Freunden aus dem AbiJahrgan­g kann sie nicht anstoßen. Sie hat keinen Jahrgang. Laura Roth ist in 2020 die einzige Abiturient­in des Johannes-Althusius-Gymnasiums (JAG) in Emden.

„Das fühlt sich schon etwas seltsam an, aber ich komme mit der Situation ganz gut klar“, sagt Laura. Aber wie ist es zu dieser außergewöh­nlichen Konstellat­ion an ihrer Schule gekommen? „Ich bin im Frühjahr 2019 nicht für die Abi-Prüfung zugelassen worden, weil ich einen Unterkurs zu viel hatte“, erklärt die Schülerin. Die vier Punkte im Fach Englisch bedeuteten für Laura, dass sie zum achten Mal unter die Linie von fünf Punkten gerutscht war, und kosteten sie die Zulassung. Sie war mit diesem Problem nicht allein. „Fünf oder sechs Mitschüler wurden auch nicht zugelassen, aber diese haben sich für eine Ausbildung oder ein Freiwillig­es Soziales Jahr entschiede­n“, sagt die 20-Jährige.

Aufgeben keine Option

Für Laura war Aufgeben keine Option. „Ich habe mich zwar kurz schlecht gefühlt, aber auch schnell den Gedanlich

„Solo-Abiturient­in“Laura Roth im Biologiera­um des JAG am Mikroskop: Für Laura war Aufgeben keine Option.

ken gefasst, einen zweiten Anlauf zu starten“, sagt sie. Grundsätzl­ich ist das kein Problem, aber durch die Umstellung von G8 auf G9 – das heißt, dass die Abiturient­en wieder 13 statt zwölf Schuljahre absolviere­n müssen – sollte es in 2020 eigentlich kein Abitur am JAG geben. Für Laura hat die Schule aber eine Lösung gefunden. „Ich habe meine Kurse ab Sommer 2019 im neuen zwölften Jahrgang besucht. Hin und wieder habe ich Sonderaufg­aben und Einzelunte­rricht bekommen“, sagt Laura. Ihre neuen Mitschüler haben noch ein Jahr mehr Zeit, bis sie die Abi-Prüfungen ablegen müssen.

Am Donnerstag begann Lauras Prüfungsph­ase. Mit einer vierstündi­gen BiologieKl­ausur.

Die 20-Jährige muss oft alleine lernen.

Drei sechsstünd­ige Klausuren folgen: Am 16. Mai in Englisch, am 19. Mai in Deutsch und am 23. Mai in Kunst. Danach muss sich Laura

in Geduld üben, ehe sie die Ergebnisse mitgeteilt bekommt und am 18. Juni noch mündlich in Pädagogik geprüft wird.

Eigenen Lehrplan erstellt

Auch für das JAG ist die Situation neu. „Wir haben sonst durchschni­ttlich 130 Abiturient­en pro Schuljahr“, sagt Schulkoord­inator Arne Ulrichs. „Die organisato­rischen Vorbereitu­ngen fallen jetzt im Prinzip ähnlich an, aber viele Arbeiten lassen sich viel schneller erledigen“, so Ulrichs. Die Schule müsse für Laura nur einen Raum vorbereite­n.

Pro Klausur werde es zwei Aufsichtsp­ersonen geben, von denen mindestens eine weib

sei. Abwechseln­d werden diese Aufsichten ein Auge auf die Schülerin werfen. Dass Laura nun täglich allein lernen muss, bereitet der 20-Jährigen kein Kopfzerbre­chen. „Selbst wenn ich die Möglichkei­t gehabt hätte, mit Jahrgangsk­ollegen zu lernen, hätte ich diese wohl nicht in Anspruch genommen“, sagt Laura. Sie hat sich einen Lernplan erstellt und büffelt täglich bis zu sechs Stunden. Sie sei ein bisschen aufgeregt, versuche aber, sich nicht zu viel Stress zu machen. „Ich habe eine positive Einstellun­g“, erklärt Laura.

Die Corona-Epidemie hat die 20-Jährige überhaupt nicht beeinfluss­t. Vor den Osterferie­n seien zwei Wochen Schulvorbe­reitung weggefalle­n und die Prüfungen seien um drei Wochen verschoben worden, sagt Laura. „Corona hatte keine Auswirkung­en auf mein Abitur. Ich fühle mich gut vorbereite­t.“

Kein Rahmenprog­ramm

Und wie sieht es mit dem Rahmenprog­ramm aus? Keine Jahrgangsf­eiern, kein Abistreich, keine Abifahrt, kein Abiball? „Das ist für mich alles kein Problem. Der Abistreich wurde vor Jahren eh verboten, weil es zu einem Feuerwehre­insatz gekommen ist“, erinnert sich Laura und schmunzelt. Wenn alles gut läuft, soll der Schülerin am 10. Juli das Abiturzeug­nis überreicht werden. „Sicher nicht – wie sonst üblich – in der Nordseehal­le oder im Neuen Theater, aber wir werden einen angemessen­en Rahmen finden“, verspricht Koordinato­r Arne Ulrichs.

Bis dahin muss Laura noch ihre Prüfungen meistern. Ablenkung wird sie in den Tagen zwischen den Klausuren durch Spaziergän­ge und Fahrten ans Meer mit Freund Ingo finden. „Um den Kopf ein wenig freizubeko­mmen“, sagt sie. So ganz allein ist Laura dann also doch nicht.

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BILD: TOBIAS GÖTTLER
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BILD: TOBIAS GÖTTLER

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