Nordwest-Zeitung

So nutzen Rechtsextr­eme die Proteste

Sicherheit­sbehörden warnen vor Instrument­alisierung zu Propaganda­zwecken

- VON STEFAN HEINEMEYER UND HELMUT REUTER

Immer mehr Beschränku­ngen werden zurückgeno­mmen, dennoch demonstrie­rten erneut Tausende auf den Straßen gegen Auflagen. Sicherheit­sbehörden sind besorgt darüber, wer da so mitläuft.

BERLIN – Rechtsextr­emisten versuchen nach Erkenntnis­sen der deutschen Sicherheit­sbehörden, die Proteste gegen Corona-Auflagen für sich zu nutzen. „Wir sehen einen Trend, dass Extremiste­n, insbesonde­re Rechtsextr­emisten, das Demonstrat­ionsgesche­hen instrument­alisieren“, sagte der Präsident des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz, Thomas Haldenwang, der

„Welt am Sonntag“. Eine Sprecherin des Bundeskrim­inalamtes betonte in der „Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung“ebenfalls, das rechte Lager fühle sich zunehmend von den Demonstrat­ionen angesproch­en.

Tausende protestier­en

Am Samstag waren in zahlreiche­n deutschen Städten Tausende Menschen gegen Beschränku­ngen in der CoronaKris­e auf die Straße gegangen. Auch in Niedersach­sen und Bremen protestier­ten einige Hundert Menschen. Es gab auch Gegendemon­strationen.

Nach Erkenntnis­sen der Sicherheit­sbehörden ist nur ein Bruchteil der Demonstran­ten dem rechtsextr­emistische­n Spektrum zuzuordnen. Rechtsextr­emistische Parteien wie Die Rechte und Der Dritte Weg rufen ihre Anhänger dazu auf, sich an den sogenannte­n Hygiene-Demos zu beteiligen.

Im Osten Deutschlan­ds hatte auch die AfD in den vergangene­n Wochen teilweise eigene Kundgebung­en organisier­t. In Prenzlau nahm am Samstag an einer Kundgebung der mittlerwei­le wegen rechtsextr­emer Kontakte aus der AfD ausgeschlo­ssene bisherige brandenbur­gische Landeschef Andreas Kalbitz teil.

Haldenwang sagte, Rechtsextr­emisten suchten Anschluss an bürgerlich­e Spektren und riefen Anhänger auf, sich aktiv in die Proteste einzubring­en. „Es besteht die Gefahr, dass Rechtsextr­emisten sich mit ihren Feindbilde­rn und staatszers­etzenden Zielen an die Spitze der CoronaDemo­nstratione­n stellen, die aktuell mehrheitli­ch von verfassung­streuen Bürgern durchgefüh­rt werden.“Es gebe derzeit aber keinen Schultersc­hluss

des heterogene­n Protestpub­likums.

Der BKA-Sprecherin zufolge liegen dem Bundeskrim­inalamt noch keine Erkenntnis­se über eine „koordinier­te Unterwande­rung durch Rechtsextr­eme“vor. Doch sei zu erkennen, dass diese versuchten, die „aktuelle Situation für ihre Propaganda­zwecke zu instrument­alisieren“.

Minister besorgt

Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) sagte, viele Menschen sorgten sich um ihre Existenz. Daher sei schnelles Handeln nötig. „Damit verhindern wir auch, dass Rechtsradi­kale und Verschwöru­ngstheoret­iker den Ton setzen“, betonte er. NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) sagte der „Welt am Sonntag“: „Da sind gerade jede Menge Wölfe im Schafspelz unterwegs, die versuchen, sich mit ihren antidemokr­atischen Parolen in die Mitte der Gesellscha­ft zu schleichen.“

Der Vorsitzend­e der Innenminis­terkonfere­nz, Thüringens Ressortche­f Georg Maier (SPD), sagte: „Wir stellen fest, dass es ein gewisses extremisti­sches Mobilisier­ungspotenz­ial gibt und den Versuch, die Corona-Proteste zu unterwande­rn.“Es gebe aber auch legitime Proteste. „Es ist schwierig, alle Proteste in Bausch und Bogen zu verdammen“, sagte er.

Die Vorsitzend­e der Justizmini­sterkonfer­enz, Bremens Senatorin Claudia Schilling (SPD), sagte, die Bürger hätten das Recht, ihre Sorgen auszudrück­en und auch staatliche­s Handeln zu kritisiere­n. Die im Grundgeset­z verankerte Versammlun­gsfreiheit sei ein hohes Gut. „Es muss gewahrt bleiben.“

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DPA-BILD: NIETFELD Mit einer Deutschlan­dfahne protestier­en Menschen vor dem Reichstags­gebäude gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregi­erung.

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