So nutzen Rechtsextreme die Proteste
Sicherheitsbehörden warnen vor Instrumentalisierung zu Propagandazwecken
Immer mehr Beschränkungen werden zurückgenommen, dennoch demonstrierten erneut Tausende auf den Straßen gegen Auflagen. Sicherheitsbehörden sind besorgt darüber, wer da so mitläuft.
BERLIN – Rechtsextremisten versuchen nach Erkenntnissen der deutschen Sicherheitsbehörden, die Proteste gegen Corona-Auflagen für sich zu nutzen. „Wir sehen einen Trend, dass Extremisten, insbesondere Rechtsextremisten, das Demonstrationsgeschehen instrumentalisieren“, sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, der
„Welt am Sonntag“. Eine Sprecherin des Bundeskriminalamtes betonte in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ebenfalls, das rechte Lager fühle sich zunehmend von den Demonstrationen angesprochen.
Tausende protestieren
Am Samstag waren in zahlreichen deutschen Städten Tausende Menschen gegen Beschränkungen in der CoronaKrise auf die Straße gegangen. Auch in Niedersachsen und Bremen protestierten einige Hundert Menschen. Es gab auch Gegendemonstrationen.
Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden ist nur ein Bruchteil der Demonstranten dem rechtsextremistischen Spektrum zuzuordnen. Rechtsextremistische Parteien wie Die Rechte und Der Dritte Weg rufen ihre Anhänger dazu auf, sich an den sogenannten Hygiene-Demos zu beteiligen.
Im Osten Deutschlands hatte auch die AfD in den vergangenen Wochen teilweise eigene Kundgebungen organisiert. In Prenzlau nahm am Samstag an einer Kundgebung der mittlerweile wegen rechtsextremer Kontakte aus der AfD ausgeschlossene bisherige brandenburgische Landeschef Andreas Kalbitz teil.
Haldenwang sagte, Rechtsextremisten suchten Anschluss an bürgerliche Spektren und riefen Anhänger auf, sich aktiv in die Proteste einzubringen. „Es besteht die Gefahr, dass Rechtsextremisten sich mit ihren Feindbildern und staatszersetzenden Zielen an die Spitze der CoronaDemonstrationen stellen, die aktuell mehrheitlich von verfassungstreuen Bürgern durchgeführt werden.“Es gebe derzeit aber keinen Schulterschluss
des heterogenen Protestpublikums.
Der BKA-Sprecherin zufolge liegen dem Bundeskriminalamt noch keine Erkenntnisse über eine „koordinierte Unterwanderung durch Rechtsextreme“vor. Doch sei zu erkennen, dass diese versuchten, die „aktuelle Situation für ihre Propagandazwecke zu instrumentalisieren“.
Minister besorgt
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte, viele Menschen sorgten sich um ihre Existenz. Daher sei schnelles Handeln nötig. „Damit verhindern wir auch, dass Rechtsradikale und Verschwörungstheoretiker den Ton setzen“, betonte er. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte der „Welt am Sonntag“: „Da sind gerade jede Menge Wölfe im Schafspelz unterwegs, die versuchen, sich mit ihren antidemokratischen Parolen in die Mitte der Gesellschaft zu schleichen.“
Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Thüringens Ressortchef Georg Maier (SPD), sagte: „Wir stellen fest, dass es ein gewisses extremistisches Mobilisierungspotenzial gibt und den Versuch, die Corona-Proteste zu unterwandern.“Es gebe aber auch legitime Proteste. „Es ist schwierig, alle Proteste in Bausch und Bogen zu verdammen“, sagte er.
Die Vorsitzende der Justizministerkonferenz, Bremens Senatorin Claudia Schilling (SPD), sagte, die Bürger hätten das Recht, ihre Sorgen auszudrücken und auch staatliches Handeln zu kritisieren. Die im Grundgesetz verankerte Versammlungsfreiheit sei ein hohes Gut. „Es muss gewahrt bleiben.“