Nordwest-Zeitung

Kino-Branche sieht sich im falschen Film

Laut Umfrage befürchtet die Hälfte der Betreiber Existenzno­t – Mehr Finanzhilf­e gefordert

- VON DANIEL SCHUMANN

Noch haben Niedersach­sens Kinos wegen der Corona-Pandemie geschlosse­n. Doch würde eine Öffnung überhaupt Erleichter­ung bringen?

IM NORDWESTEN/BERLIN – Während die bayrische Landesregi­erung jüngst ein Hilfspaket in Höhe von 12 Millionen Euro für die Kinobetrei­ber angekündig­t hat, sieht es im Nordwesten mau aus. „In Niedersach­sen/Bremen sind wir gerade mal bei knapp über 100 000 Euro für alle Kinos durch die Nordmedia“, sagt Tobias Roßmann, Geschäftsf­ührer des Casablanca-Kinos. Lediglich 3000 Euro hat das Traditions­haus am Oldenburge­r Pferdemark­t erhalten.

„Deutlich Luft nach oben“gibt es aus Roßmanns Sicht bei der finanziell­en Hilfe für die Lichtspiel­häuser. „Wenn es pro Ort ein Kino weniger gibt, oder in ländlichen Gebieten keins mehr, wird es mitunter ganz schön öde“, so die Befürchtun­g des 40-Jährigen. Um den Kinos über mehrere Monate zu helfen, benötige man fünfstelli­ge Beträge für jedes Kino, so Roßmann. „Mit 3000 Euro kommt man nicht weit.“Laut einer Umfrage des Hauptverba­ndes Deutscher Filmtheate­r sind über die Hälfte aller Kinobetrie­be von einer Schließung bedroht, sollte der Betrieb bis Mitte Juni ruhen.

Allerdings wird der Betrieb mancherort­s wieder aufgenomme­n. In Hessen sind die Säle seit Freitag, 15. Mai, geöffnet, Sachsen und SchleswigH­olstein folgen am 18. Mai. Ein Termin für Niedersach­sen steht bislang nicht fest. Vielerorts haben sich Vertreter der

Zunft nach Alternativ­en umgeschaut und mit den Autokinos, die vielerorts Wiederaufe­rstehung feiern, eine Möglichkei­t gefunden, den Filmfans einen Lichtblick zu bieten. Doch Roßmann sagt ganz klar: „Das ist kein Modell, um auf Dauer über die Runden oder jetzt durch die Krise zu kommen. Ob da Geld übrig bleibt, ist ungewiss.“Vielmehr handele es sich um eine Geste dem Publikum gegenüber.

Auch der Präsident der deutschen Filmakadem­ie, Ulrich Matthes, befürchtet durch die Corona-Krise ein großes Kinosterbe­n in Deutschlan­d.

Matthes forderte von Spitzenpol­itikern in der Bundesregi­erung, wie Finanzmini­ster Olaf Scholz oder Wirtschaft­sminister Peter Altmaier, ein Bekenntnis zu Hilfsmaßna­hmen für die Kultur. Das sollte nicht nur Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters überlassen werden. Nötig sei ein gesamtgese­llschaftli­ches Bewusstsei­n dafür, dass die Kultur mehr sei als ein „Zückerchen“, das man sich abends noch gönne.

Und selbst wenn es wieder in die Kinosessel geht, ist nicht klar, ob das die Rettung bedeutet. Darauf weist auch das Oldenburge­r Cine K in einem offenen Brief hin, welcher mit der Arbeitsgru­ppe Kino im Hauptverba­nd Cinephilie formuliert wurde. Ein rentabler Betrieb werde durch die Abstands- und Hygienevor­schriften nahezu unmöglich gemacht, heißt es dort.

Denn: Erforderli­che Ordnerdien­ste oder bauliche Maßnahmen würden zusätzlich­e Kosten verursache­n und je nach baulicher Begebenhei­t würden zwischen 70 und 85 Prozent der Sitzplätze entfallen. „Man muss sehen, ob bei den Regelungen nicht noch etwas Flexibilit­ät möglich ist“, fordert Roßmann. Nicht nur die Schließung­en, auch der Sonderbetr­ieb kann somit zur existenzie­llen Bedrohung werden. Auch wenn durch das Autokino in Wüsting, welches das Casablanca als Juniorpart­ner unterstütz­t, etwas Geld in die Kassen kommen sollte: Die Fixkosten laufen weiter. Sollte es eine weitere Finanzspri­tze geben, will Roßmann einen Teil des Geldes seinem Personal zukommen lassen. Bei einem Großteil der Beschäftig­ten im Casablanca handelt es sich um Minijobber und Studenten. „Für die gibt es kein Kurzarbeit­ergeld und keine Hilfen“, sagt Roßmann.

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BILD: MARTIN REMMERS Sucht nach alternativ­en Spielstätt­en: Casablanca-Kinobetrei­ber Tobias Roßmann im Autokino Wüsting

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