Die Isolation sinnvoll für sich nutzen
Paar verbringt mehr als 200 Tage allein auf hoher See – So haben sie ihren Alltag gestaltet
In der Corona-Krise machen viele Menschen die Erfahrung, viel Zeit zu Hause zu verbringen. Der gebürtige Oldenburger Robert Stolle hat das bereits hinter sich – auf einem kleinen Segelboot. In seinem Buch schreibt er über Einsamkeit und wie er den Druck von der Seele bekommen hat.
OLDENBURG – Veränderungen machen den meisten Menschen Angst. Denn Veränderungen bedeuten, die eigene Komfortzone zu verlassen, sich auf Neues einzulassen und Ungewissheit in Kauf zu nehmen. Das war auch bei Robert Stolle so, als er im Jahr 2011 seinen gut bezahlten Job aufgegeben hat, sich ein Boot kaufte und mit seiner Frau Kerstin Foell insgesamt fünf Jahre auf dem Atlantischen Ozean unterwegs war. Auf ihrer Reise haben die beiden viel Zeit miteinander auf dem Boot verbracht – ihr ständiger Begleiter: die Einsamkeit auf dem weiten Ozean.
Unfreiwillige Erfahrungen
Viele Menschen haben in den vergangenen Wochen unfreiwillig ähnliche Erfahrungen gemacht. Während der immer noch andauernden Corona-Krise stoßen vor allem Familien an ihre Grenzen, wenn Kinder nicht mehr in die Kita oder zur Schule gehen dürfen und Eltern von zu Hause aus arbeiten müssen. Denn wer permanent dieselben Menschen um sich hat, ist schneller genervt von ihnen. Die Wahrscheinlichkeit, sich in die Haare zu kriegen, steigt.
Wie haben Robert Stolle und Kerstin Foell die gemeinsame Zeit auf engstem Raum überstanden und was haben die beiden dabei über sich und das Zusammenleben unter erschwerten Bedingungen gelernt? In ihrem Buch „Pur: Das Leben ist eine Reise, kein Ziel“haben sie ihre Erkenntnisse zusammengefasst.
„Eigentlich sollte das Buch ein Reisebericht werden“, berichtet Stolle im Gespräch mit der Ð. „Doch davon gibt es schon so viele. Deshalb haben
Das Leben auf dem Schiff ist kein Urlaub: Kerstin Foell und Robert Stolle haben gemeinsam mehrere Wochen auf hoher See verbracht. Dabei mussten sie auch mit der Isolation fertig werden.
meine Frau und ich uns entschieden, den Lesern noch etwas mehr mitzugeben.“
Und mit „mehr“meint Stolle die Erfahrungen und Erkenntnisse, die das Paar in den fünf Jahren gesammelt hat. Die haben sie auf insgesamt zehn Erkenntnisse runtergebrochen, die sie erläutern und mit aktuellen Forschungsergebnissen aus der Positiven Psychologie untermauern.
Eine dieser Erkenntnisse ist
Die Positive Psychologie befasst sich mit den positiven Aspekten des Menschseins. Dazu gehören Optimismus, individuelle Stärken, Vertrauen aber auch Glück, Geborgenheit und Solidarität.
der Mut zur Veränderung. „Die Menschen brauchen meistens eine Kraft oder einen Impuls von außen, bevor sie etwas in ihrem Leben verändern. Die wenigsten machen das aus einem inneren Antrieb heraus“, sagt Stolle.
Dabei sei es sehr wichtig, in sich hineinzuhorchen, um zu erfahren, was man wirklich will und was einem guttue. Denn nur so könne man die Weichen im Leben so stellen, dass man echte Zufriedenheit erlangt.
Ebenfalls wichtig sei die Fähigkeit, loslassen zu können –
Ziel erreicht: Kerstin Foell und Robert Stolle bei der Ankunft im Hafen von New York City.
eine weitere Erkenntnis, die der 56-Jährige mit seiner Frau im gemeinsamen Buch beschreibt. „Es hört sich absurd an, wenn ich sage, dass man die Kontrolle über sein Leben erlangt, wenn man aufhört, alles kontrollieren zu wollen. Das verstehen viele Menschen nicht“, sagt Stolle und erklärt die Idee am Beispiel des verhängten Kontaktverbotes zu Beginn der Corona-Krise.
Der Kontrollverlust
„Es gibt Menschen, die in den auferlegten Regeln ein Problem sehen, das es zu bekämpfen gilt. Denn diese Regeln sind Veränderungen im Leben, die man nicht direkt beeinflussen kann – eine Form des Kontrollverlustes. Das Ergebnis ist, dass viele dieser Personen sich aufregen, den verantwortlichen Behörden
glauben oder sogar anfangen, überall Verschwörungen zu sehen. Was sie nicht merken, ist, wie sie die Kontrolle, über das, was sie tun, verlieren.“
Auf der anderen Seite würde es aber auch Menschen geben, die die Situation akzeptieren und versuchen, neue Wege zu beschreiten. „Das ist unbequem, weil man die Veränderung zulassen und mitgestalten muss.
Am Ende entwickelt man sich aber weiter, und das ist meiner Meinung nach besser, als sich an etwas abzuarbeiten, das man nicht ändern kann“, sagt Stolle.
Auch für die Menschen, die momentan die meiste Zeit in den eigenen vier Wänden verbringen, hat er Tipps, um zu verhindern, dass einem die Decke auf den Kopf fällt. Nach mehr als 200 Tagen, die Stolle
während seiner Reisen auf dem Schiff verbracht hat, weiß er, wovon er spricht.
„Unser Alltag besteht aus Routinen und ist trainierbar. Ein geregelter Tagesablauf mit festen Ritualen gibt Stabilität“, erklärt der 56-Jährige. So könne man feste Zeiten einrichten, in denen man konzentriert arbeite. In den anderen Zeitfenstern könne man dann die Hausarbeit erledigen oder Kaffeepausen machen. Wichtig sei dabei jedoch, dass man sich auch an den Plan halte.
Sich Zeit nehmen
Und auch im Zusammenleben mit dem Partner oder Kindern in der Isolation gibt es einige Verhaltensweisen, die Stolle empfehlen kann. „Man muss sich bewusst Zeit für den Partner nehmen, in der man gemeinsame positive Erlebnisse hat. Auf dem Boot haben meine Frau und ich uns zum Beispiel gegenseitig vorgelesen, Hörbücher angehört oder Yoga gemacht.“
Auf der anderen Seite sei aber auch wichtig, dass man sich Zeit für sich selbst nehme. „Es tut gut, auch mal alleine zu sein und die eigenen Interessen zu verfolgen, man muss nicht permanent aufeinander hocken“, sagt Stolle.
Um Streitereien zu vermeiden, die im schlimmsten Fall eskalieren können, empfiehlt Stolle, Gefühle offen zu komnicht