Jetzt geht’s für Werder um alles
Mit Spiel gegen Leverkusen startet Sechs-Wochen-Kampf um Ligaverbleib
Zehn Spiele in 41 Tagen: Das Bremer Programm ist straff. Allen äußeren Widrigkeiten zum Trotz müssen die Spieler nun liefern, um den zweiten Abstieg der Vereinsgeschichte zu verhindern.
BREMEN – Über das Sportliche wird in Bremen seit zwei Monaten kaum mehr geredet. Natürlich hat die Corona-Krise, die daraus resultierende Bundesliga-Pause sowie die heftigen Debatte um die Sinnhaftigkeit eines Neustarts der Fußballprofis alles das überlagert, was vorher Bedeutung hatte. Jetzt, wo die Saison im Notbetrieb aber mit aller Macht beendet werden soll, rückt wieder das in den Mittelpunkt, was kein Grün-Weißer gern hört: Der SV Werder steht vor dem zweiten Abstieg der Vereinsgeschichte – und hat mit dem Heimspiel an diesem Montag (20.30 Uhr/DAZN) gegen Bayer Leverkusen genau zehn Spiele in 41 Tagen, um einen der beiden letzten Plätze noch zu verlassen und sich entweder direkt oder über den Umweg Relegation den Klassenverbleib zu sichern. jetzt eine ganz andere körperliche Frische da“, richtete Trainer Florian Kohfeldt am Sonntag in der inzwischen traditionell virtuell durchgeführten Pressekonferenz den Blick auf das Positive. Die Gelbsperre von Davy Klaassen sowie die Verletzungen von Claudio Pizarro (er soll auch jener Werder-Spieler sein, der aufgrund eines Corona-Falls im privaten Umfeld in eine 14-tägige Quarantäne muss) und Ludwig Augustinsson würden daran nichts ändern.
Werder hatte während der Saison große Verletzungs- und in Folge dessen auch mit Fitnessproblemen zu kämpfen.
Die Spielpause wurde, obwohl das Mannschaftstraining erst spät aufgenommen werden konnte, dafür genutzt, Blessuren zu überwinden und körperliche Defizite aufzuarbeiten. Das Spiel gegen Leverkusen sei „eine Riesenchance, den Abstand zu verkürzen und Druck auf die anderen aufzubauen. Es ist kein Endspiel. Wir wissen aber auch, dass wir punkten müssen und damit definitiv schnell anfangen sollten“, sagte Kohfeldt, den das 0:0 der unmittelbaren Tabellennachbarn aus Düsseldorf (23 Punkte) und Paderborn (17) gefreut haben dürfte.
Wie schwierig es ist, echte Emotionen auf dem Platz aufzubauen, haben die ersten Spiele an diesem Wochenende gezeigt. Dennoch wird Werder gegen den Champions-League-Kandidaten aus Leverkusen vor allem in den Zweikämpfen präsent sein müssen, um eine echte Chance gegen die individuell besser besetzte Werkself bestehen zu können.
Bei allem Zugzwang auf dem Platz kommt der Druck neben dem grünen Rasen hinzu. „Für uns in Bremen ist der kommende Montag entscheidend“, sagte der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer, als Kritiker der Geisterspiele bekannt, zu dem Neustart am Osterdeich. In keinem der Bundesliga-Standorte kam es zum Neustart zu den befürchteten Fan-Aufläufen vor den
leeren Stadien. Lediglich ein größerer Polizeieinsatz könnte Skeptiker Mäurer dazu bewegen, den Spielbetrieb in Bremen wieder zu untersagen. Werder würde dann in ein anderes Bundesland und in ein anderes Stadion umziehen müssen – und würde damit den letzten kleinen Heimvorteil auch noch verlieren.
„Es ist bei den Fans ein großes Verantwortungsbewusstsein zu spüren“, sagte Werders Manager Frank Baumann am Sonntag und sprach dann aber noch einmal direkt jeden Anhänger der Bremer an: „Trotzdem möchte ich einen Appell an unsere Fans richten, morgen Abend nicht zum Weserstadion zu kommen.“
Bei einem Spielabbruch aufgrund von Fan-Aufläufen würde die DFL das Spiel im übrigen laut eigener Aussage wohl mit einem Sieg der jeweiligen Gäste werten – auch das könnte Werder in den nächsten 40 Tagen so überhaupt nicht gebrauchen.
Italienische Zeitungen Gazzetta dello Sport: Die Bundesliga hat den Fußball nach Monaten des Todes und der Angst wieder zum Leben erweckt, hat die Weichen für die anderen gestellt, die immer noch nach Mut und Protokollen suchen.
Englische Zeitungen Telegraph: Die Rückkehr der Bundesliga fühlte sich funktional, kalt und seelenlos an aber das ist alles, was wir im Augenblick haben.
Mail on Sunday: Es war nicht Fußball, wie wir ihn kennen, es war nicht Fußball, wie wir ihn gerne hätten. Aber alles in allem war es auch kein totales Desaster.
Observer: Die Premier League wird aus Angst vor dem Verlust von Marktanteilen nun schauen, dass sie ihre eigene Rückkehr beschleunigt. Spanische Zeitungen Sport: Die Bundesliga stand Samstag zum ersten Mal in ihrer Geschichte im Zentrum der Welt. Und wer weiß, vielleicht auch zum letzten Mal. Die Spiele erlaubten einen Vorgeschmack auf die düstere Zukunft, die dem Fußball auch bei uns und im Rest Europas bevorsteht, wenn es wieder losgeht. Es waren bestürzende Szenen zu beobachten: leere Tribünen, die Rufe der Spieler, die in der Stille der Stadien widerhallten, nach merkwürdigen Toren der Jubel ohne Umarmungen und unter Wahrung der Abstandsregeln. Ist das eine ideale Lösung? Ohne Zweifel ist sie das nicht, aber schlimmer wäre, es gar nicht erst zu versuchen. Französische Zeitungen L’Équipe: Es war manchmal merkwürdig und die Widersprüchlichkeiten waren nie ganz weg. Warum den Spielern verbieten, sich im Tunnel anzunähern, wenn sie (bei Eckstößen) fast aufeinanderklettern? Warum Musik nach dem Spiel spielen, wenn niemand da ist, der sie hört? Aber hinter der Abnormalität dieser Fragen steckte Fußball – und der bewegte sich nicht wirklich. Schwedische Zeitungen Dagens Nyheter: Es ist besser als nichts, aber es ist nicht gut. Als die Bundesliga nach einem neunwöchigen Virus-Stopp wieder startete, war sie ohne Publikum, ohne Geräusche und Bilder vom Publikum. Es gab keine gelbe Wand im Westfalenstadion, wie es immer genannt werden wird. Die Tribünen standen still. Russische Zeitungen Komsomolskaja Prawda: Ganz Europa und sogar die ganze Welt schaut auf Deutschland. Nicht wegen des Spiels, sondern weil es historisch ist. Es geht darum, wie man Fußball ohne Emotionen spielt. In Dortmund steht das größte Stadion Deutschlands, Tausende Plätze sind aber leer geblieben. Nach den neuen Regeln dürfen nur 322 Menschen anwesend sein. Und die pedantischen Deutschen haben genau gezählt. Bis hin zu den Balljungen und den Journalisten.