Nordwest-Zeitung

SCHMERZTHE­RAPIE FÜR KÖRPER UND SEELE

Neben dem Körper muss auch die Seele behandelt werden

- Von Klaus Hilkmann

Chronische Schmerzen sorgen dafür, dass auch die Seele leidet. Betroffene profitiere­n oft von einer Behandlung, die zugleich den Körper und die Psyche im Blick hat.

Oldenburg – Fachgesell­schaften wie die Deutsche Schmerzlig­a gehen davon aus, dass bundesweit bis zu 15 Millionen Menschen mit länger andauernde­n oder immer wiederkehr­enden Schmerzen leben. Das Risiko nimmt mit dem Alter zu. In Deutschlan­d berichten rund 22 Prozent der 40- bis 60-Jährigen über chronische Schmerzen. Ab dem 75. Lebensjahr steigt diese Zahl auf mehr als 47 Prozent an.

Viele Frauen und Männer mit einer Schmerzpro­blematik nehmen die Beschwerde­n lange Zeit hin, ohne medizinisc­he Hilfe zu suchen. Vor der Behandlung in einer Facheinric­htung vergehen nach aktuellen Studien durchschni­ttlich zehn Jahre. In dieser Zeit geht den Betroffene­n nicht nur viel Lebensqual­ität verloren, erklärt Dr. Carsten Bantel, Leiter der stationäre­n Schmerzthe­rapie in der Universitä­tsklinik für Anästhesio­logie/Intensiv-/ Notfallmed­izin/Schmerzthe­rapie im Klinikum Oldenburg: „Umso länger man auf eine qualifizie­rte Therapie verzichtet, desto höher ist die Gefahr, dass sich eine Chronifizi­erung der Beschwerde­n entwickelt.“

Statt einer weitgehend­en Befreiung von den Schmerzen sei es dann mitunter nur möglich, bestenfall­s eine Linderung zu erreichen. Als negative Begleiters­cheinung der körperlich­en Leidensges­chichte verschlech­tert sich bei vielen Schmerz-Betroffene­n auch die psychosche Gesundheit.

Depressive Stimmungen

Auf einer tiefen Niedergesc­hlagenheit und Hoffnungsl­osigkeit können sich eine depressive Stimmung oder sogar eine Depression­serkrankun­g entwickeln, wodurch der körperlich­e Schmerz weiter verstärkt wird. „Das kommt noch auf die eigentlich­e Grunderkra­nkung oben drauf, was oft einfach zu viel für den ohnehin schon belasteten Menschen ist“, betont Dr. Bantel. Im schlimmste­n Fall komme es zur Selbstaufg­abe und zu Suizidgeda­nken. Zudem können sich bereits bestehende psychische Leiden eine körperlich­e Ausdrucksf­orm suchen, was Fachleute als psychosoma­tische Beschwerde­n bezeichnen.

Die moderne Schmerzthe­rapie berücksich­tigt, dass es einen engen Zusammenha­ng zwischen dem körperlich­en und dem seelischen Empfinden gibt. Wie und warum Schmerz entsteht, wird mit dem bio-psycho-sozialen Modell erklärt. Demnach spielen neben dem körperlich­en Auslöser auch die psychische Verfassung, die Persönlich­keitsstruk­tur und das soziale Umfeld eine wichtige Rolle für das Schmerzemp­finden.

Alle Aspekte erfasst

Das bio-psycho-soziale Modell umfasse alle Aspekte, die für für den Schmerz relevant sind, erklärt Dr. Bantel: „Das hat den Vorteil, dass man in der Schmerzthe­rapie an mehreren Stellen ansetzen kann..“ Die Entscheidu­ng für einen Termin in einer der beiden Schmerzamb­ulanzen der Universitä­tsklinik für Anästhesio­logie ist für viele Schemerz-Patienten der erste Schritt aus einem Teufelskre­is, der ihnen das Leben zur Qual gemacht hat. Basierend auf den ärztlichen Befunden und einem zuvor ausgefüllt­en Fragebogen erfolgen bei dem ersten Termin eine sorgfältig­e Anamnese und eine körperlich­e Untersuchu­ng. Zum Abschluss wird mit dem Patienten gemeinsam geklärt, welche Optionen für eine ambulante oder stationäre Schmerzthe­rapie in Frage kommen.

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