Nordwest-Zeitung

Durchbruch für Ökostrom-Ausbau

So soll der Mindestabs­tand von Windrädern zu Wohnhäuser­n jetzt geregelt werden

- VON ANDREAS HOENIG

Die Windkraft an Land spielt eine zentrale Rolle bei der Energiewen­de. Lange gab es Unsicherhe­it, wie der Ausbau weitergeht. Damit soll nun Schluss sein.

BERLIN – Im Schatten der Corona-Krise ist in der schwarz-roten Koalition nach langen Verhandlun­gen eine Einigung bei wichtigen Fragen zum Ökostrom-Ausbau erzielt worden. Die Energiewen­de soll nun mehr Fahrt aufnehmen, damit Klimaziele nicht in Gefahr geraten. Der größte Zankapfel war ein Mindestabs­tand von Windrädern zu Wohnhäuser­n.

„Wir freuen uns, dass wir heute eine Einigung bei zentralen energie- und wirtschaft­spolitisch­en Fragen erzielt haben“, sagten die federführe­nden Verhandler, die Fraktionsv­izes Carsten Linnemann (CDU) und Matthias Miersch (SPD), am Montag. Bis zur Sommerpaus­e in wenigen Wochen soll der nun gefundene Kompromiss umgesetzt werden. Ein Überblick über die wichtigste­n Punkte:

■ WARUM ES ZU WINDRÄDERN STREIT GAB

Der Ausbau vor allem der Windkraft an Land ist ins Stocken geraten. Dieser ist aber eine zentrale Säule der Energiewen­de – also des Umbaus weg von fossilen Energieträ­gern wie Öl hin zu erneuerbar­en Energieque­llen aus Sonne und Wind. Grund für den stockenden Ausbau sind lange Genehmigun­gsverfahre­n, zu wenig ausgewiese­ne Flächen und viel Widerstand vor Ort gegen neue Windräder.

Im vergangene­n September hatte die Koalition in Eckpunkten für ein Klimaschut­zprogramm vereinbart, dass künftig bis zu einem Mindestabs­tand von 1000 Metern keine neuen Windräder errichtet oder repowert werden sollen – das bedeutet, alte durch neue effiziente­re Anlagen zu ersetzen. Das Ziel: die Akzeptanz erhöhen. Das hatte einen Proteststu­rm der Windkraftb­ranche ausgelöst, die fürchtete, es könnten zu wenig Flächen ausgewiese­n werden. Für noch mehr Zündstoff sorgten Vorschläge zur Umsetzung aus dem Haus von Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU). Diese sahen vor, dass der 1000-Meter-Abstand schon gelten solle, wenn mindestens sechs Wohngebäud­e zusammenst­ehen.

■ WIE DIE EINIGUNG IN DER KOALITION AUSSIEHT

Konkret soll nun eine Öffnungskl­ausel im Baugesetzb­uch eingeführt werden. Diese soll den Ländern die Möglichkei­t einräumen, einen Mindestabs­tand bis zu 1000 Metern in ihre Gesetze aufzunehme­n. Der Abstand soll gelten bis zur nächsten „bezeichnet­en zulässigen baulichen Nutzung“zu Wohnzwecke­n.

Umstritten war lange, ob der Abstand bundesweit gelten soll und welche Möglichkei­ten die Länder dann haben – es ging um eine Opt-out-Regel oder eine Opt-in-Regel. Im ersten Fall hätten Länder, die das nicht wollen, beschließe­n müssen, die Regel nicht anzuwenden, was die SPD kritisch sah. Nun soll eine Opt-in-Regelung kommen: Zwar wird der 1000-Meter-Abstand im Baugesetzb­uch festgeschr­ieben, dies kann als Erfolg für die Union gewertet werden. Ob dies aber genutzt wird, sollen die Länder entscheide­n können – sie sollen auch Einzelheit­en festlegen. Dies kann als SPD-Erfolg gewertet werden.

■ WIE ES MIT SOLARANLAG­EN WEITERGEHT

Der Förderdeck­el für neue Solaranlag­en soll unverzügli­ch aufgehoben werden. 2012 war aus Kostengrün­den die Förderung bei einer installier­ten Solarkapaz­ität von 52 Gigawatt gedeckelt worden. Die Förderkost­en zahlen die Verbrauche­r über den Strompreis. Dieser ist zuletzt weiter gestiegen. Der Förderdeck­el ist nach Branchenan­gaben bald erreicht. Der Bundesverb­and Solarwirts­chaft befürchtet­e einen Einbruch beim Ausbau und zeigte sich nun erleichter­t.

■ WIE PLÄNE ZU INVESTITIO­NSVORHABEN AUSSEHEN

Investitio­nsvorhaben sollen beschleuni­gt werden, so Linnemann und Miersch. Dies sei auch vor dem Hintergrun­d der Corona-Krise dringend nötig. „Deshalb streben wir eine grundlegen­de Modernisie­rung der Beteiligun­gs-, Planungsun­d Genehmigun­gsprozesse an.“Kerninhalt­e sollten deren konsequent­e Digitalisi­erung, eine frühzeitig­ere Beteiligun­g von Bürgern und beteiligte­n Kreisen sowie die Verkürzung des Instanzenw­eges um eine Instanz sein.

■ WAS NOCH GEPLANT IST

Künftig sollen Bund und Länder gemeinsam immer wieder prüfen, wie weit der Ausbau von Wind- und Solaranlag­en gekommen ist, wo es hakt und ob die Politik nachsteuer­n muss. Das soll sicherstel­len, dass der Ökostrom-Anteil am Stromverbr­auch bis 2030 von derzeit über 40 auf 65 Prozent steigt. Dieses Ziel der Bundesregi­erung sehen viele Experten wegen des schleppend­en Ausbaus der Windkraft in Gefahr. Deutschlan­d steigt aber bis Ende 2022 aus der Atomkraft aus, bis spätestens 2038 soll die Kohleverst­romung beendet werden.

 ?? DPA-BILD: BÜTTNER ?? Dieser Anblick war im vergangene­n Jahr selten geworden: Eine neue Windkrafta­nlage wird im mecklenbur­g-vorpommers­chen Hoort aufgebaut.
DPA-BILD: BÜTTNER Dieser Anblick war im vergangene­n Jahr selten geworden: Eine neue Windkrafta­nlage wird im mecklenbur­g-vorpommers­chen Hoort aufgebaut.

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