Windräder dürfen künftig näher am Flughafen stehen
Neue Berechnungsformel könnte den Konflikt zwischen Branche und Flugsicherung lösen
HANNOVER/WILHELMSHAVEN/ GANDERKESEE – Können künftig Windräder näher an Flughäfen gebaut werden? Niedersachsens Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) ist zuversichtlich, dass das spätestens ab 2022 gelingt. Sein Optimismus fußt auf Ergebnissen des Forschungsprojekts „Weran plus“, an dem auch die Jade Hochschule in Wilhelmshaven beteiligt ist. Die Forscher entwickelten eine neue Berechnungsmethode, die dazu führt, dass der Radius von Anlagenschutzbereichen verkleinert wird, wie Thümler nach einem Gespräch mit Manfred Weisensee, Präsident der Jade Hochschule, erfuhr.
Wo liegt das Problem bei der Flugsicherung ?
Windräder gelten bislang als potenzielle Störenfriede für die Flughäfen. In einem Radius von 15 Kilometern um Radaranlagen und sogenannten UKW-Drehfunkfeuern bedarf der Bau einer Windkraftanlage der Zustimmung durch das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF).
„In Niedersachsen werden 224 Windenergieanlagen mit einer möglichen Leistung von 1020 Megawatt (MW) blockiert“, sagt Umweltminister Olaf Lies (SPD, Sande). Das entspreche etwa der Leistung eines ganzen Atomkraftwerks.
Der Raum Hannover sei der mit großem Abstand am stärksten durch Restriktionen der Flugsicherung betroffene Bereich in Deutschland. Dort werden 201 Windenergieanlagen mit einer möglichen Leistung von 931 MW blockiert.
Und ein Beispiel aus dem Nordwesten: Im Windpark Sannauer Helmer, im Norden der Gemeinde Ganderkesee (Kreis Oldenburg), dreht sich bisher nur ein Windrad. Für weitere zwölf geplante Anlagen ruhen die Verfahren, bis über die Abstände zum Flughafen Bremen juristisch entschieden ist. Geklagt haben BAF und die Deutsche Flugsicherung (DFS).
Was wird in dem Projekt denn erforscht ?
Unter Federführung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) Braunschweig haben die Forscher die Auswirkungen von Windkraftanlagen auf die Doppler-Drehfunkfeuer (DVOR) untersucht. Die Jade Hochschule hat dabei ihr Forschungsflugzeug „Jade one“erfolgreich für Messungen eingesetzt, berichtet Professor Dr. Jens Wellhausen vom Fachbereich Ingenieurwissenschaften. Es habe sich herausgestellt, dass die DFS eine alte Abstandsformel benutze. Windkraftanlagen machten nur einen Teil der Störung aus. Berücksichtigt werden müsse beispielsweise auch die wechselnde Nordung des Erdmagnetfeldes.
Die Daten belegen, dass ein Ausgleich zwischen den berechtigten Belangen der Flugsicherung und dem Ausbau der Windenergie möglich ist, sagt Projektleiter Dr. Thorsten Schrader von der PTB. Das Forschungsprojekt „Weran plus“wird vom Bund mit rund 1,34 Millionen Euro gefördert; davon erhält die Jade Hochschule 460 000 Euro.
Wie geht die Flugsicherung mit der Formel um ?
Das BAF begleitet den Prozess der Umsetzung und strebt eine Anwendung der neuen Berechnungsformel bei Vorgängen zu Windkraftprojekten ab dem 1. Juni an. Die grundsätzliche Verbesserung würdigte DFS-Sprecherin Ute Otterbein gegenüber unserer Zeitung. Gleichwohl müsse jeder einzelne Fall geprüft werden.
Wie sehen die Perspektiven für Windräder aus ?
Nach Thümlers Angaben können Windräder künftig ab einem Abstand von 3,5 Kilometern um Radaranlagen gebaut werden. „Ich bin zuversichtlich, dass sich die Genehmigungsverfahren für den Bau neuer Windenergieanlagen durch das Ergebnis dieses Forschungsprojekts verkürzen und erhebliche weitere Potenzialflächen für den Zubau von Windenergieanlagen ergeben“, sagt der Wissenschaftsminister. Auf die gesamte Bundesrepublik bezogen können so bis zu fünf Gigawatt zusätzliche Leistung installiert werden, allein in Niedersachsen wären es etwa ein Gigawatt zusätzlich.