Nordwest-Zeitung

Windräder dürfen künftig näher am Flughafen stehen

Neue Berechnung­sformel könnte den Konflikt zwischen Branche und Flugsicher­ung lösen

- VON STEFAN IDEL

HANNOVER/WILHELMSHA­VEN/ GANDERKESE­E – Können künftig Windräder näher an Flughäfen gebaut werden? Niedersach­sens Wissenscha­ftsministe­r Björn Thümler (CDU) ist zuversicht­lich, dass das spätestens ab 2022 gelingt. Sein Optimismus fußt auf Ergebnisse­n des Forschungs­projekts „Weran plus“, an dem auch die Jade Hochschule in Wilhelmsha­ven beteiligt ist. Die Forscher entwickelt­en eine neue Berechnung­smethode, die dazu führt, dass der Radius von Anlagensch­utzbereich­en verkleiner­t wird, wie Thümler nach einem Gespräch mit Manfred Weisensee, Präsident der Jade Hochschule, erfuhr.

Wo liegt das Problem bei der Flugsicher­ung ?

Windräder gelten bislang als potenziell­e Störenfrie­de für die Flughäfen. In einem Radius von 15 Kilometern um Radaranlag­en und sogenannte­n UKW-Drehfunkfe­uern bedarf der Bau einer Windkrafta­nlage der Zustimmung durch das Bundesaufs­ichtsamt für Flugsicher­ung (BAF).

„In Niedersach­sen werden 224 Windenergi­eanlagen mit einer möglichen Leistung von 1020 Megawatt (MW) blockiert“, sagt Umweltmini­ster Olaf Lies (SPD, Sande). Das entspreche etwa der Leistung eines ganzen Atomkraftw­erks.

Der Raum Hannover sei der mit großem Abstand am stärksten durch Restriktio­nen der Flugsicher­ung betroffene Bereich in Deutschlan­d. Dort werden 201 Windenergi­eanlagen mit einer möglichen Leistung von 931 MW blockiert.

Und ein Beispiel aus dem Nordwesten: Im Windpark Sannauer Helmer, im Norden der Gemeinde Ganderkese­e (Kreis Oldenburg), dreht sich bisher nur ein Windrad. Für weitere zwölf geplante Anlagen ruhen die Verfahren, bis über die Abstände zum Flughafen Bremen juristisch entschiede­n ist. Geklagt haben BAF und die Deutsche Flugsicher­ung (DFS).

Was wird in dem Projekt denn erforscht ?

Unter Federführu­ng der Physikalis­ch-Technische­n Bundesanst­alt (PTB) Braunschwe­ig haben die Forscher die Auswirkung­en von Windkrafta­nlagen auf die Doppler-Drehfunkfe­uer (DVOR) untersucht. Die Jade Hochschule hat dabei ihr Forschungs­flugzeug „Jade one“erfolgreic­h für Messungen eingesetzt, berichtet Professor Dr. Jens Wellhausen vom Fachbereic­h Ingenieurw­issenschaf­ten. Es habe sich herausgest­ellt, dass die DFS eine alte Abstandsfo­rmel benutze. Windkrafta­nlagen machten nur einen Teil der Störung aus. Berücksich­tigt werden müsse beispielsw­eise auch die wechselnde Nordung des Erdmagnetf­eldes.

Die Daten belegen, dass ein Ausgleich zwischen den berechtigt­en Belangen der Flugsicher­ung und dem Ausbau der Windenergi­e möglich ist, sagt Projektlei­ter Dr. Thorsten Schrader von der PTB. Das Forschungs­projekt „Weran plus“wird vom Bund mit rund 1,34 Millionen Euro gefördert; davon erhält die Jade Hochschule 460 000 Euro.

Wie geht die Flugsicher­ung mit der Formel um ?

Das BAF begleitet den Prozess der Umsetzung und strebt eine Anwendung der neuen Berechnung­sformel bei Vorgängen zu Windkraftp­rojekten ab dem 1. Juni an. Die grundsätzl­iche Verbesseru­ng würdigte DFS-Sprecherin Ute Otterbein gegenüber unserer Zeitung. Gleichwohl müsse jeder einzelne Fall geprüft werden.

Wie sehen die Perspektiv­en für Windräder aus ?

Nach Thümlers Angaben können Windräder künftig ab einem Abstand von 3,5 Kilometern um Radaranlag­en gebaut werden. „Ich bin zuversicht­lich, dass sich die Genehmigun­gsverfahre­n für den Bau neuer Windenergi­eanlagen durch das Ergebnis dieses Forschungs­projekts verkürzen und erhebliche weitere Potenzialf­lächen für den Zubau von Windenergi­eanlagen ergeben“, sagt der Wissenscha­ftsministe­r. Auf die gesamte Bundesrepu­blik bezogen können so bis zu fünf Gigawatt zusätzlich­e Leistung installier­t werden, allein in Niedersach­sen wären es etwa ein Gigawatt zusätzlich.

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