Corona-Pandemie schützt nicht vor Haft
Oberlandesgericht weist Anträge von Untersuchungshäftlingen ab
OLDENBURG – Eine mögliche Corona-Ansteckungsgefahr schützt nicht vor der Vollstreckung eines Haftbefehls. Das hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg in zwei Entscheidungen verdeutlicht. Er hatte sich mit Einwendungen gegen die Fortdauer der Untersuchungshaft zu befassen. Die Untersuchungshäftlinge hatten argumentiert, dass wegen der Ansteckungsgefahr mit Corona die Haftbefehle außer Vollzug gesetzt werden sollten.
In einem Fall ging es um einen 67-jährigen Angeklagten, der seit Februar 2019 in Untersuchungshaft sitzt. Der
Mann argumentierte, angesichts seiner Krebs- und Diabeteserkrankung sei wegen der mit der Corona-Pandemie verbundenen Gefahren die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht mit seinem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit zu vereinbaren.
Anlass für die lange Untersuchungshaft ist eine Verurteilung vom August 2019 durch das Landgericht Osnabrück. Die Richter hatten den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Weil das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, befindet sich der Mann nach wie vor in Untersuchungshaft.
In dem Strafverfahren war es um sexuellen Missbrauch in Togo gegangen. Die Strafkammer hatte es als erwiesen angesehen, dass der Angeklagte in den Jahren 2016 bis 2018 mehrfach ein Waisenhaus im westafrikanischen Togo besucht und dort mindestens fünf Kinder in insgesamt 41 Fällen sexuell missbraucht hatte. Die Kinder hatten nach den Feststellungen der Kammer ein Alter zwischen etwa zweieinhalb Jahren und etwa zwölf Jahren.
Dem Antrag, den Angeklagten auf freien Fuß zu setzen, folgte der Senat des Oberlandesgerichts Oldenburg nicht. Ein Haftbefehl dürfe zwar nicht vollstreckt werden, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass der Gefangene schwerwiegende Gesundheitsschäden davonträgt. Dies gelte aber nicht, wenn der Gefahr etwa durch Behandlung im Vollzugskrankenhaus Rechnung getragen werden könne.
In einem weiteren Fall hatte sich ein 51-jähriger Mann gegen einen Haftbefehl gewandt. Der Mann war bereits mehrfach im Haftkrankenhaus gewesen. Die Stationsärztin hatte aber bescheinigt, dass der Mann haftfähig sei. Der Senat entschied, dass der Haftbefehl aufrechterhalten bleibt (Oberlandesgericht Oldenburg, Beschlüsse vom 5. Mai 2020 1 Ws 176/20 und vom 29. April 2020 1 Ausl 29/18).