Speed-Pedelec geht ab wie ein Biest
Fahrrad mit starkem E-Motor fährt bis 45 km/h – Zwischen Autos steigt Adrenalin-Pegel
Bäume, Landschaften, Menschen – alles fliegt vorbei. Die erste Fahrt, die Ð-Redakteur Christoph Kiefer zwischen Kirchhatten und dem Pressehaus mit dem Geschoss zurücklegt, war gewöhnungsbedürftig.
OLDENBURG/KIRCHHATTEN – Der Wind pfeift um die Ohren, dass ich nichts mehr höre. Die Augen tränen; beide Hände umklammern so fest es geht den Lenker, zwei Finger liegen am Bremsgriff. Mit wenigen Pedaltritten habe ich das S-Pedelec an die 40-km/h-Marke gebracht. Der Adrenalin-Spiegel ist beträchtlich; weiter treibe ich mein Rennpferd auf zwei Reifen erstmal nicht an.
„Das S-Pedelec kann süchtig machen“, hat Daniel Welker von E-Bike-Only gesagt. Nach der ersten Fahrt verstehe ich, wovon der Verkaufsleiter spricht. Die 45 km/h auf dem Rad des Schweizer S-PedelecSpezialisten „Stromer“sind eine andere Hausnummer als die 25 km/h, die ich in den vergangenen zwei Wochen während meiner Pedelec-Testfahrten zwischen Kirchhatten und der Ð gefahren bin.
Das Rad geht ab wie ein Biest: Wenn ich wenig trete, spricht der Motor auch kaum an. Aber wenn ich etwas mehr Kraft einsetze, geht’s ab wie Schmitz Katze. Das Rad saust los mit beeindruckender Kraft. So muss sich ein Reiter fühlen, der dem Pferd die Sporen gibt.
Autofahrer hupt
Ungewohnt ist aber nicht nur das Tempo. Ungewohnt ist vor allem: Ich fahre mit dem Rad auf der Fahrbahn, mitten im Autoverkehr. Auf der Amalienbrücke zögern die Autofahrer mit dem Überholen.
Bilde ich mir das ein, oder kann ich ihre Missbilligung über diesen Zweiradfahrer auf der Straße förmlich spüren? Angehupt worden bin ich zwar nur einmal. Aber die Blicke, die ich auf mich ziehe, sind eindeutig: Dieses Bike fällt auf.
Im Kreisel bei Möbel Buss biege ich in den Borchersweg ab. Ein Oldenburger Tourenradfahrer hatte mir diese Strecke empfohlen. Über Streekermoor und Hatterwüsting geht’s bis zur L 314 zwischen Sandkrug und Kirchhatten. Die stark befahrene Hatter Landstraße kann ich damit vermeiden. Uff! Von der Einmündung an der Sandstraße nahe Hatterwüsting sind es dann nur noch vier Kilometer bis nach Hause.
Aber die haben es in sich: Im Rückspiegel sehe ich den Raiffeisen-Lastwagen, der sich rasch nähert. Wir haben Gegenverkehr, er kann nicht überholen und bremst ab. Ich atme auf. In einem breiten Bogen fährt er an mir vorbei, sobald die linke Fahrspur wieder frei ist. So ist es gut. Ich halte mich auf der rechten Fahrbahnhälfte, fahre aber nicht ganz rechts. Die Autofahrer hinter mir sollen nicht denken, sie könnten beim Überholen rechts bleiben.
Was ist bei einem Schlagloch? Oder wenn ein Ast oder ein Hindernis auf der Fahrbahn liegt? Der Windzug der Laster zerrt am Lenker. Das schnelle Tempo verstärkt jede Erschütterung; ich verscheuche den Gedanken daran, was passieren würde, wenn ich ins Schleudern geraten sollte. Doch die Sorge stresst mich: Wie gefährlich ist das, was ich da mache? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass mich ein Autofahrer übersieht?
Statt 50 Minuten wie mit dem Pedelec brauche ich 40 für die gut 20 Kilometer von der Ð nach Hause. Der Zeitunterschied ist gar nicht so groß. Doch richtig ausgefahren habe ich die Möglichkeiten meines rassigen S-Pedelecs noch nicht; da geht mehr.
Rundum-Wohlgefühl?
Aber: Will ich das? Bin gespannt, ob sich in den nächsten Tagen noch das Rund-umWohlgefühl einstellt, das ich vom „normalen“Pedelec her kenne und schätze. Ob ich auch auf dem Renn-Pedelec mal einen Blick habe für Pferde auf einer Koppel oder Hasen, die übers frisch angelegte Kartoffelfeld hoppeln? Auf dem Pedelec genieße ich das.
Daheim angekommen, bin ich zwar erleichtert über die unfallfreie Fahrt auf der Rakete. Aber ich brenne darauf, sie morgen wieder zu starten.
Beiträge zum Radprojekt unter NWZonline.de/fahrrad-oldenburg