Nordwest-Zeitung

Aus der Quarantäne zur Polarstern

Arktis-Expedition steht vor Personalwe­chsel – „Sonne“und „Maria S. Merian“auf dem Weg

- VON JANET BINDER

Sie können sich ab sofort ohne Maske und Mindestabs­tand bewegen: 100 Forscher sind nach zweiwöchig­er Quarantäne Richtung Nordpolarm­eer aufgebroch­en.

BREMERHAVE­N – Für Markus Rex und sein Team wird die Corona-Pandemie in den nächsten Wochen keine Rolle mehr spielen. Die Lebensräum­e des Wissenscha­ftlers und seiner Kollegen sind garantiert frei von Sars-CoV-2: Es sind die Forschungs­schiffe „Sonne“und „Maria S. Merian“.

Am Montag brachen sie von Bremerhave­n aus Richtung Arktis auf, um dort ab dem Wochenende auf den Eisbrecher „Polarstern“zu treffen – ebenfalls ein Corona-freies Habitat. Bevor es losging, verbrachte das neue Team zwei Wochen in Quarantäne, dreimal wurde es negativ auf das Coronaviru­s getestet.

Die „Polarstern“, die vorigen September von Norwegen aus zur „Mosaic“-Expedition aufgebroch­en war, soll ein Jahr lang angedockt an eine riesige Eisscholle durch die Arktis driften. Regelmäßig wird das Team an Bord ausgetausc­ht, Rex war schon einmal zu Beginn dabei. Ursprüngli­ch war der jetzige Personalwe­chsel mit Flugzeugen geplant. Wegen der Corona-Pandemie sei dies aber nicht möglich gewesen, sagte Rex.

Die „Polarstern“unterbrach daher ihre Drift, um „Sonne“und „Maria S. Merian“vor Spitzberge­n zu treffen und Crew und Ausrüstung zu tauschen. Anschließe­nd soll der Eisbrecher wieder zur Scholle zurückkehr­en und die Drift fortsetzen. Möglicherw­eise aber müsse eine neue, stabilere Scholle weiter im Norden ausgesucht werden, sagte die Direktorin des Alfred-Wegener-Instiuts, Antje Boetius.

Zuletzt sei das Eis um die „Polarstern“herum immer stärker aufgebroch­en, unzählige Risse seien entstanden. Grund dafür seien Stürme, die das Eis zusammenod­er auseinande­rdrückten. „Je dünner das Eis ist, desto mehr lässt es sich vom Wind verschiebe­n“, sagte Boetius. Das Meereis sei recht dünn, die Lufttemper­aturen in diesem Frühjahr seien ungewöhnli­ch warm – und damit auch der Ozean. Wenn sich die Situation weiter so entwickle, könnte die Meereisbed­eckung im Sommer geringer sein als im Negativ-Rekordjahr 2012, befürchtet­e die Wissenscha­ftlerin.

Mit dem bisherigen Verlauf der Expedition ist Boetius mehr als zufrieden. Erstmals hätten im arktischen Winter synchrone Daten von der Stratosphä­re bis in den Ozean gesammelt werden können. Biologen hätten beobachtet, wie die Tierwelt im tiefsten Winter überlebt, angefangen bei Eisbären und Polarfüchs­en bis hin zu Kleinstleb­ewesen. „Es hat sich gezeigt, wie hochangepa­sst die Tiere an ihre Umwelt sind.“Und Atmosphäre­nphysiker konnten ein Ozonloch über dem Nordpol bestätigte­n, das auf Satelliten­bildern des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt(DLR) zu sehen war.

Die derzeitige Crew der „Polarstern“kommt wegen der Corona-Pandemie sechs Wochen später als geplant nach Hause, sagte Boetius. Die Mannschaft muss sich dann erst einmal an die Hygiene-Regelungen an Land gewöhnen.

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BILD: WOLFHARD SCHEER Auslaufen der Forschungs­schiffe: Am Montag brachen sie aus Bremerhave­n zur Arktis auf.

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