Nordwest-Zeitung

„Man braucht in sich selbst einen Anker“

Motivation­scoach Theresia de Jong weiß, wie man in Krisen wachsen kann

- VON HANS BEGEROW

Frau de Jong, die Corona-Pandemie ist für alle eine Belastung. Sie wird vielleicht unterschie­dlich belastend wahrgenomm­en, aber sie betrifft Alte und Junge, sowie Menschen, die im Erwerbsleb­en sind und die, die nicht mehr arbeiten. Wie kann man damit umgehen?

De Jong: Das Allererste, was bei allen Krisen oder Belastunge­n ansteht, ist die Akzeptanz. Nämlich zu akzeptiere­n, dass es so ist, wie es ist. Es hilft im Grunde recht wenig, wenn ich mich dagegen auflehne, denn das braucht viel Energie. Energie, die ich positiv einsetzen könnte. Da gilt der alte Spruch: Ich muss akzeptiere­n, was ich nicht ändern kann. Dann kann ich überlegen, was ich tun kann, um aus dieser Sache positiv herauszuko­mmen. Es gibt ein Posttrauma­tischesWac­hstum-Syndrom, dass ich an Krisen wachse und stärker werde. Wenn man das von dieser Warte angeht, gibt mir das die Möglichkei­t, aus der Krise

De Jong: Das ist wahr und psychisch gesehen eine hohe Belastung. Man braucht in sich selbst einen Anker, eine Selbstverg­ewisserung: Ich bin immer für mich da, und ich werde tun, was nötig und möglich ist. Und dann vertraue ich und bin dankbar, für alles, was noch gut läuft. Wenn ich durch den Wald laufe, hole ich mir neue Kraft. Und ich kann mich auf meine Fähigkeite­n besinnen und etwas Neues aufbauen.

Die Bereiche Kindertage­sstätten, Arbeit, Schule, das Leben im Alter, sind sehr unterschie­dlich. Ist der Rat an alle gleich? De Jong: In sich selbst zu ruhen, ist die Grundlage von allem. Da helfen mentale Übungen. In der Meditation hat das Chaos auf mich keinen Zugriff und ich komme in einen Bereich, in dem ich wieder Kraft finden kann. Kinder haben übrigens einen sehr leichten Zugang zur Meditation. Für Kinder ist es besonders wichtig, nach draußen zu gehen. Und das können sie ja jetzt auch wieder. Ich habe selten so viele Familien im Wald gesehen und merke, wie gut das den Kindern und Eltern tut. Vielleicht bilden sich neue Formen des Umgangs heraus. Und ältere Menschen dürfen wir jetzt öfter anrufen als sonst.

Sie sind Resilienz-Trainerin, helfen Menschen, mit Belastunge­n umzugehen. Was ist Ihre aktuelle Beobachtun­g? De Jong: Wir sind in Netzwerken organisier­t, sehr viel zurzeit über soziale und digitale Medien. Da rücken Menschen auf andere Art und Weise zusammen. Bindungen werden sehr viel bewusster wahrgenomm­en. Für mich heißt das, dass wir in Krisen zusammenrü­cken und uns umeinander kümmern können. Ganz wichtig ist aber auch, andere Meinungen nicht sofort zu bewerten und abzulehnen. Wir dürfen auch weiterhin liebevoll miteinande­r umgehen, wenn wir anderer Meinung sind. Die Gesellscha­ft jetzt zu spalten, wäre fatal.

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