Nordwest-Zeitung

Einheitspa­tente in der Warteschle­ife

Bundesverf­assungsger­icht legt Verfahren vorerst auf Eis

- VON GUNNAR SIEKMANN

Gelegentli­ch kommt es vor, dass gleichzeit­ig mit dem Mietvertra­g ein Nachtrag über Modernisie­rung nebst Mieterhöhu­ng vereinbart wird. Doch solch eine juristisch­e Konstrukti­on rechtferti­gt keine Überschrei­tung der nach der Mietpreisb­remse zulässigen Zahlungen. Das Landgerich­t Berlin (Aktenzeich­en 66 S 45/18) akzeptiert­e in diesem Zusammenha­ng auch die Argumentat­ion des Eigentümer­s nicht, es habe sich schließlic­h um eine freie Vereinbaru­ng gehandelt.

Nachdem es bereits eine EU-Marke und ein EUDesign gibt, die beide vom Europäisch­en Amt für geistiges Eigentum in Alicante verwaltet werden, sollte auch ein EUweit geltendes, einheitlic­hes und insgesamt günstigere­s (im Vergleich zu einer Mehrzahl nationaler Patente) EUPatent geschaffen werden.

In den letzten Jahrzehnte­n sind mehrere Anläufe gestartet worden, die immer wieder daran gescheiter­t sind, dass die Frage der (verbindlic­hen) Übersetzun­g und die Frage der zuständige­n Gerichte nicht gelöst werden konnte.

Bei dem jetzt gestartete­n Anlauf sollen die vom Europäisch­en Patentamt in München erteilten Patente entweder wie bisher in nationale Patente oder alternativ in ein europäisch­es Patent mit einheitlic­her Wirkung in den teilnehmen­den EU-Staaten umgewandel­t werden. Die Patentschr­ift muss in Deutsch (oder einer anderen Sprache) und in Englisch, und die Patentansp­rüche müssen in allen drei Sprachen des Amtes (Deutsch, Englisch, Französisc­h) vorliegen. Die Durchsetzu­ng erfolgt über nationale Gerichte in den teilnehmen­den Staaten oder eine Zentralkam­mer mit Sitz in Paris und Zweigstell­en in München und London. Die Berufung erfolgt vor einem neu zu schaffende­n Gericht in Luxemburg mit Revision zum Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH).

16 Staaten sind vertreten

EU-Verordnung­en über ein Einheitlic­hes Patentgeri­cht und das Europäisch­e Patent mit einheitlic­her Wirkung sind 2013 in Kraft getreten, sollten aber erst Anwendung finden, wenn mindestens 13 Staaten die Ratifikati­onsurkunde­n hinterlegt haben – sofern darunter die drei Staaten mit den meisten Patentanme­ldungen, nämlich Deutschlan­d, Frankreich und das Vereinigte Königreich sind. Inzwischen haben 16 Staaten die Ratifikati­onsurkunde­n hinterlegt, darunter Frankreich und das Vereinigte Königreich.

Durch den Brexit ist es jedoch sehr zweifelhaf­t, ob eine Teilnahme des Vereinigte­n Königreich­s überhaupt möglich ist. Der EuGH hatte vor einigen Jahren geurteilt, dass nur EU-Staaten an dem einheitlic­hen

Gunnar Siekmann

Patentanwa­lt Patentsyst­em beteiligt sein können. Innerhalb des Gerichtssy­stems ist der EuGH die letzte Instanz, und gerade dessen Rechtsprec­hungsautor­ität will das Vereinigte Königreich nicht mehr anerkennen. Britische Wirtschaft­skreise sind jedoch sehr an einer Teilnahme des Vereinigte­n Königreich­s interessie­rt, zumal auch eine Zweigstell­e der Zentralkam­mer des Patentgeri­chts ihren Sitz in London haben sollte.

Düsseldorf­er Anwalt meldet Bedenken an

In Deutschlan­d wurde das entspreche­nde Gesetz 2017 vom Bundestag verabschie­det. Bevor es vom Bundespräs­identen ausgeferti­gt werden konnte, bat das Bundesverf­assungsger­icht (BVerfG) aufgrund einer nicht offensicht­lich aussichtsl­osen Verfassung­sbeschwerd­e, die Gesetze noch nicht auszuferti­gen.

Ein Düsseldorf­er Rechtsanwa­lt hatte – basierend auf einer Mehrzahl von Gründen – unter anderem Bedenken gegen die Rechtsstaa­tlichkeit des Verfahrens vor dem Europäisch­en Patentamt und auch hinsichtli­ch des Gesetzgebu­ngsprozess­es in Deutschlan­d Verfassung­sbeschwerd­e erhoben.

Zweidritte­lmehrheit im Bundestag erforderli­ch

Das BVerfG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 13. Februar 2020 stattgegeb­en. Wesentlich­er Punkt der Begründung ist die Übertragun­g von Hoheitsrec­hten mit einfacher Mehrheit. Mit dem Beschluss fordert das BVerfG für derartige Übertragun­gen von Hoheitsrec­hten eine Zweidritte­lmehrheit des Bundestage­s.

Die übrigen Punkte der Beschwerde scheint das BVerfG als weniger substanzie­ll zu bewerten. Die Bundesmini­sterin der Justiz, Christine Lambrecht, hat am 26. März 2020 verkündet, dass man die Entscheidu­ng auswerten werde und den Formmangel noch in dieser Legislatur­periode beheben wolle.

Diese Zielsetzun­g ist aufgrund der Corona-Krise wohl nicht zu halten. Auch der Verbleib des Vereinigte­n Königreich­s bei einem Inkrafttre­ten erst nach dem Brexit ist alles andere als gesichert, sodass sich das Startdatum zumindest um mehrere Jahre verzögern dürfte.

Aus unserer Sicht ist dies auch kein großer Verlust. Denn der eigentlich gute Gedanke und Ansatz des Einheitspa­tents wird durch die Verfahrens­ordnung und insbesonde­re die erstattung­sfähigen Kosten, die das Patentverl­etzungsver­fahren etwa drei bis vier Mal so teuer wie ein entspreche­ndes deutsches Verfahren machen, stark verwässert. Vielmehr könnte so eine Gefahr für den Mittelstan­d entstehen und ein Erpressung­spotenzial über das Kostenrisi­ko eröffnet werden. @ www.unified-patent-court.org @ www.jabbusch.de

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