Nordwest-Zeitung

„Mir ist um die Zukunft des Rechtsstaa­tes nicht bange“

- VON ANDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN

Herr Harbarth, am 23. Mai 1949 wurde das Grundgeset­z verabschie­det. Wie steht es heute um unsere Verfassung? Harbarth: Das Grundgeset­z ist ein Glücksfall für Deutschlan­d. Die grandiose Entwicklun­g der Bundesrepu­blik Deutschlan­d ist gewiss nicht allein dem Grundgeset­z geschuldet. Aber sie wäre ohne eine solch kluge Verfassung nicht möglich gewesen. Das Grundgeset­z ist auch an seinem 71. Geburtstag in einem sehr guten Zustand: Das Grundgeset­z und auch das Bundesverf­assungsger­icht genießen im In- und Ausland großes Ansehen. Für die Deutschen hat das Grundgeset­z eine identitäts­stiftende Wirkung. Unser Land ist im Augenblick wie die Welt allgemein in einer ganz besonderen Situation. Corona wirft auch viele verfassung­srechtlich­e Fragen auf. Aber diese Situation zeigt, dass das Grundgeset­z auch für solch schwierige Phasen ein hervorrage­nder Ordnungsra­hmen ist.

Ex-Gerichtspr­äsident Hans-Jürgen Papier sieht angesichts der Corona-Einschränk­ungen die Freiheitsr­echte in Gefahr. Teilen Sie seine Bedenken? Harbarth: Mir ist um die Zukunft des Rechtsstaa­tes und um die Freiheit in Deutschlan­d auch in Corona-Zeiten nicht bange. Die Bewahrung von Rechtsstaa­tlichkeit und Freiheit ist keine Selbstvers­tändlichke­it, sondern ein permanente­r Handlungsa­uftrag, den jede Generation immer neu mit Leben erfüllen muss. Selbstvers­tändlich gelten die Grundrecht­e auch während

der Pandemie. Grundrecht­e stehen abgesehen von der Menschenwü­rde aber nicht absolut. Oft müssen mehrere Grundrecht­e, die in ein Spannungsv­erhältnis treten, bestmöglic­h zur Geltung gebracht werden. Die Grundrecht­sausübung geschieht in CoronaZeit­en teilweise in einer anderen Weise als vor der Pandemie. Aber die Grundrecht­e sind weiter intakt.

Aber die Freiheit wird durch die Corona-Beschränku­ngen doch sehr weit eingeschrä­nkt… Harbarth: Es gibt weder eine Aussetzung der Grundrecht­e auf Dauer noch eine Aussetzung im Augenblick. Die Grundrecht­e gelten, aber sie gelten anders als vor der Krise. Ein Beispiel: Demonstrat­ionen finden statt. Das Recht auf Versammlun­gsfreiheit gilt. Es gibt aber anders als vor der Krise neue Formen der Durchführu­ng von Versammlun­gen, zum Beispiel unter Wahrung von Mindestabs­tänden.

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DPA-BILD: DECK

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