„Keine leichten Lösungen“
Steffen Hamborg
Dr. Steffen Hamborg ist einer der Koordinatoren des Projekts „Transformation durch Gemeinschaft“an der Universität Oldenburg.
Worin liegt der Reiz alternativer Gemeinschaften? Steffen Hamborg: Durch die Schaffung sozialer Räume, in denen an der Umkehrung vorherrschender, oft als destruktiv angesehener Normen und Verhaltensweisen gearbeitet wird, bedienen diese Gemeinschaften Sehnsüchte nach einem anderen, besseren Leben: Solidarisches Miteinander statt konkurrentes Gegeneinander und autoritäres Übereinander; Leben im Einklang mit der Umwelt statt Raubbau an Mensch und Natur; gemeinschaftliche Sorge für sich und andere statt Abhängigkeit von profitorientierten Unternehmen und staatlichen Institutionen. All dies antwortet auf aktuelle Krisendiagnosen und spricht daher viele Menschen an, die die Welt zu einem besseren Ort machen wollen.
Wie sehen Sie das Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Gemeinschaft in solchen Gemeinschaften? Hamborg: Das ist ein zutiefst ambivalentes Verhältnis. Einerseits eröffnen sich hier für Individuen neue Möglichkeiten, sich von eingeschliffenen Denk- und Verhaltensmustern oder aus bestimmten Abhängigkeiten zu befreien. Andererseits sind diese Freiräume jedoch nicht unbedingt, sondern basieren darauf, einschränkende Verbindlichkeiten einzugehen. Diese können etwa finanziell sein, wie in der Solidarischen Landwirtschaft, oder sich auf das Einüben und Befolgen (un)geschriebener Regeln des Zusammenlebens beziehen.
Kann die Gesellschaft von solchen Gemeinschaften lernen? Hamborg: Von einem Ort, an dem Dinge anders laufen als gewohnt, kann immer etwas gelernt werden. Man sollte von diesen Gemeinschaften allerdings keine einfachen Lösungen für die Bewältigung gesellschaftlicher Krisen erwarten. Die Übertragbarkeit der hier erprobten Lebensund Wirtschaftsformen ist oft nur eingeschränkt möglich. Ein wichtiger Unterschied besteht insbesondere darin, ob Menschen sich freiwillig in gemeinschaftliche Zusammenhänge begeben oder dazu gedrängt werden, sich einen bestimmten Lebensstil anzueignen. Das kann sehr schnell auch in das Gegenteil von einem befreienden Experimentierfeld umschlagen.