Nordwest-Zeitung

Nicht nur Sterne zählen: So finden Sie den richtigen Arzt

Suchportal­e sind nicht immer ein guter Weg – Sich selbst ein Bild machen

- Von Angelika Mayr

Bewertungs­portale sollen die Arztsuche erleichter­n. Allein auf die Beurteilun­gen auf diesen Seiten verlässt man sich aber lieber nicht, raten Experten. Das hat verschiede­ne Gründe.

Berlin – „Kennst Du einen guten Arzt?“In Gesprächen mit Freunden und Verwandten kommt diese Frage häufiger mal auf. Statt ihr Umfeld zu fragen, das nicht immer einen guten Tipp parat hat, suchen viele im Internet nach einer Antwort. Auf Bewertungs­portalen werden Ärztinnen und Ärzte mit Sternchen oder Kommentare­n bewertet. Doch kann man sich darauf verlassen? Zumindest nicht nur, rät Christiane Rock vom Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (vzbv). Als alleiniges Entscheidu­ngskriteri­um für die Wahl des Arztes sollte man die Bewertunge­n nicht nehmen. „Persönlich­e Empfehlung­en und der persönlich­e Kontakt bleiben wichtig.“Die Portale bieten neben der Suche nach Ärzten auch Gesundheit­sinformati­onen an. „Bin ich also auf der Suche nach einem Facharzt, bekomme ich dort sicher einen ersten Überblick darüber, wo sich der nächste befindet, welche Zusatzqual­ifikatione­n und Angebote er bereithält und ob er besondere Öffnungsze­iten hat“, sagt die Verbrauche­rschützeri­n.

Das Problem mit den Sternen

Geht es aber um die Beurteilun­g der menschlich­en und medizinisc­hen Qualitäten, wird es schwierig. „Bei jedem Stern handelt es sich um eine subjektive Einschätzu­ng, die häufig nicht nachprüfba­r ist“, sagt Roland Stahl von der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung (KBV), welche die Interessen freiberufl­icher Ärzte und Psychother­apeuten vertritt. Außerdem schreiben dort laut Stahl eher diejenigen, die meckern wollen. „Wer zufrieden ist, äußert sich seltener“, sagt er.

Am Ende kommt es darauf an, wie man miteinande­r zurechtkom­mt, so Stahl. Gerade Ärzte stünden immer im persönlich­en Kontakt mit ihren Patienten. „Und diese Beziehunge­n bestehen oft schon sehr lange.“Das individuel­le Vertrauens­verhältnis spielt eine entscheide­nde Rolle.

Werbung oder echte Bewertung?

Ein Problem ist: Objektive Einschätzu­ngen zur Qualität von niedergela­ssenen Ärzten gibt es kaum. „Die Menschen hätten wirklich großes Interesse an seriös überprüfte­n Angaben zu Fragen wie der Behandlung­squalität, doch daran mangelt es“, kritisiert Jann Ohlendorf von der Unabhängig­en Patientenb­eratung Deutschlan­d (UPD).

Bei den meisten Arztbewert­ungsportal­en sind gewisse Zweifel an der Unabhängig­keit

angebracht. Sie finanziere­n sich laut Christiane Rock durch Werbung – und durch die Bewerteten selbst. „Ärzte können sich hervorgeho­bene Positionen und damit die Darstellun­g ihrer Praxis kaufen“, erklärt die Verbrauche­rschützeri­n.

Wer zufrieden ist, äußert sich seltener.“

Roland Stahl Kassenärzt­liche Bundesvere­inigung (KBV)

So wird den Ärzten eine bessere Trefferquo­te bei entspreche­nden Anfragen über Suchmaschi­nen in Aussicht gestellt. Ein Beispiel: Bei einem großen Bewertungs­portal können Mediziner zwischen verschiede­nen Premium-Paketen wählen und dann etwa individuel­le Bewertungs­kriterien formuliere­n. Oder sie bekommen vom Portalbetr­eiber hochwertig­e Texte erstellt. „Verbrauche­r können hier nur schwer beurteilen, was eine aussagekrä­ftige Bewertung oder doch nur eine dargestell­te Werbung ist“, er

klärt Christiane Rock das Problem dahinter.

Skeptisch sein und genauer hinschauen

Das kritisiert auch die UPD und rät zu einer gesunden Portion Skepsis: „Es mangelt an Transparen­z. Wie sind die Ergebnisse und Empfehlung­en zu den Ärzten oder Praxen zustande gekommen?“, fragt UPD-Sprecher Jann Ohlendorf. Die meisten Portale aber machten nur unvollstän­dige Angaben zur Menge, Herkunft und Aktualität der Arztdaten und -bewertunge­n.

Woran kann man sich orientiere­n? Wie bei anderen Gesundheit­sinformati­onen im Netz sollte man schauen, welcher Anbieter hinter dem Portal steckt – ist das nicht klar ersichtlic­h, lohnt ein Blick ins Impressum. Außerdem sollte hinter jeder Bewertung eine ausreichen­de Anzahl aktueller Einzelkrit­iken liegen. „Das erhöht die Aussagekra­ft“, sagt Christiane Rock.

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BILD: Monique Wüstenhage­n/dpa-tmn Ist da ein Vertrauens­verhältnis? Nichts schlägt den persönlich­en Eindruck bei der Wahl der Ärztin oder des Arztes.
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BILD: Karl-Josef Hildenbran­d/dpa-tmn Vier Sterne und Daumen hoch - das sieht gut aus. Dennoch sollte man positive und auch negative Bewertunge­n im Netz immer mit einer gesunden Portion Skepsis lesen.

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