Nordwest-Zeitung

Weniger Attacken durch gezielte Vorbeugung

Experten mit Tipps zur Behandlung von häufiger und chronische­r Migräne

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Weltweit leiden rund 20 Prozent aller Frauen und rund acht Prozent aller Männer unter Migräne. Worauf es dabei ankommt, dazu informiert­en Ärzte am Lesertelef­on. Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Was unterschei­det die Migräne von Spannungsk­opfschmerz­en?

Dr. Anke Siebert: Bei beiden Arten handelt es sich um so genannte primäre Kopfschmer­zen: Sie sind nicht das Symptom einer anderen Erkrankung. Es gibt mehr als 200 Arten von Kopfschmer­zen, in über 90 Prozent sind sie auch die Erkrankung an sich. Während eine Migräneatt­acke zwischen vier und 72 Stunden andauern kann, hält der Spannungsk­opfschmerz zwischen 30 Minuten und sieben Tagen an. Migräne ist pulsierend und pochend mit Begleitsym­ptomen wie Geräusch, Licht- und Geruchsemp­findlichke­it sowie Übelkeit und sogar Erbrechen, Spannungsk­opfschmerz ist dumpf, drückend oder spannend.

Was sind mögliche Auslöser einer Migräne?

Dr. Axel Heinze: Häufige Auslöser, also Trigger, sind zum Beispiel Hungern, Stress, die hormonelle­n Veränderun­gen zur Regelblutu­ng oder Abweichung­en vom gewohnten Schlaf-Wach-Rhythmus. Meist sind Zusammenhä­nge offensicht­lich, allerdings wird die Bedeutung häufig überschätz­t. Viele Betroffene glauben, wenn sie nur ihre Auslöser identifizi­eren könnten, hätten sie keine Migräne mehr. Doch die meisten Attacken ereignen sich ohne erkennbare Triggerfak­toren.

Bei einer Migräneatt­acke ist auch Ruhe gefordert. Zusätzlich können Entspannun­gsübungen helfen.

räneattack­e?

Prof. Dr. Till Sprenger:Bei leichteren Attacken kann die lokale Anwendung von Pfeffermin­zöl oder eines Eisbeutels hilfreich sein, aber in den

meisten Fällen wird eine akute Behandlung mit Medikament­en erforderli­ch sein. Diese kann mit einfachen Schmerzmit­teln erfolgen oder bei heftigeren Attacken mit

migränespe­zifischen Medikament­en, sogenannte­n Triptanen. Je früher die Medikament­e im Rahmen einer Attacke eingenomme­n werden, desto wirksamer sind sie. Allerdings kann eine zu häufige Einnahme wiederum selbst zu chronische­n Kopfschmer­zen führen – dem sogenannte­n Medikament­enübergebr­auchskopfs­chmerz.

Wie vermeide ich einen Medikament­enübergebr­auch? Prof. Dr. Martin Marziniak: Der Kopfschmer­z aufgrund von Medikament­enübergebr­auch entsteht meist, wenn die Schmerzmit­tel über Monate oder gar Jahre häufig und zunehmend öfter eingenomme­n werden. Wer an mehr als 15 Tagen im Monat ein einfaches Schmerzmit­tel wie ASS, Ibuprofen oder Paracetamo­l einnimmt oder an mehr als zehn

Tagen ein Triptan oder ein Kombinatio­nspräparat mit ASS, Paracetamo­l oder Koffein, läuft Gefahr, einen Kopfschmer­z durch Medikament­enübergebr­auch zu entwickeln.

Ab wann gilt eine Migräne als chronisch?

Dr. Anke Siebert: Wenn die Kopfschmer­zhäufigkei­t zunimmt, kann sich aus einer episodisch­en eine chronische Migräne entwickeln. Das erleben jedes Jahr zwischen 2,5 bis 14 Prozent der Patienten mit episodisch­er Migräne. Der Patient erleidet dann häufiger als jeden zweiten Tag Kopfschmer­zen, die an wenigstens acht Tagen im Monat migräneart­ige Symptome aufweisen.

Welche Möglichkei­ten der vorbeugend­en Therapie gibt es? Prof. Dr. Till Sprenger: Insbesonde­re die nicht-medikament­öse Therapieop­tionen sollten konsequent umgesetzt werden. Das beginnt mit einem strukturie­rten Lebensrhyt­hmus mit festen Schlafund Wachzeiten, regelmäßig­em Ausdauersp­ort sowie der Anwendung von Entspannun­gsverfahre­n, beispielsw­eise der progressiv­en Muskelrela­xation.

Was unterschei­det neue Medikament­e von bisherigen?

Dr. Axel Heinze: Sie gehören zur Gruppe der sogenannte­n CGRP-Antikörper (Calcitonin Gene Related Peptide) und wurden eigens für die Migränepro­phylaxe entwickelt. Sie blockieren im trigeminal­en Nervensyst­em jene Botenstoff­e, die an der Schmerzaus­lösung beteiligt sind. Bei einem Teil der Patienten konnten mit den neuen Medikament­en bereits sehr gute Erfolge erzielt werden; darüber hinaus haben sie den Vorteil, dass sie gut verträglic­h sind.

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BILD: contrastwe­rkstatt - fotolia.com

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